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„Es ist schockierend, dass unsere Lebensmittel auf dem Müllberg liegen“

Tips Logo Nicole Dirnberger, 28.01.2022 14:57

OÖ. Das Thema ist kein Neues, derzeit sorgt ein Greenpeace-Video aber wieder für besonderes Aufsehen: zu sehen ist ein Müllberg mit Unmengen an von einem Supermarkt entsorgtem Fleisch. „Schockierend“, so etwa OÖ Landesbäuerin Johanna Haider. Aber: Lebensmittelverschwender Nr. 1 ist eindeutig der Konsument selbst. 

Nicht nur Fleisch wird weggeworfen, zeigen Massen an weggeworfenem Brot auf der Kompostieranlage in Treffling. Foto: Greindl
Nicht nur Fleisch wird weggeworfen, zeigen Massen an weggeworfenem Brot auf der Kompostieranlage in Treffling. Foto: Greindl

Das Fleisch hat ganz knapp das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen machen es nicht möglich, dass man die Lebensmittel dennoch verkauft. So landete das Fleisch auf den Müll, obwohl es eigentlich noch genießbar wäre. 

„Aus den Fugen geraten“

Die Aufregung angesichts des Videos ist natürlich groß. Landwirtschaftskammer OÖ-Präsident Franz Waldenberger zu den Tips: „Das ist ein Schlag ins Gesicht. Das tut jedem Bauern im Herzen weh, wenn er hochwertige Produkte herstellt und sie dann weggeschmissen werden. Das ist ein Zeichen eines aus den Fugen geratenen Ernährungssystems.“

„Es ist erschütternd zu sehen, was letztlich mit den hochqualitativen Erzeugnissen der heimischen Landwirtschaft passiert, wenn sie nicht im Supermarkt verkauft oder im Privathaushalt konsumiert werden“, erklärt Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger. Auch Landesbäuerin Johanna Haider findet hierzu deutliche Worte: „Es ist schockierend, dass unsere wertvollen Lebensmittel auf dem Müllberg liegen. Das ist keine Wertschätzung gegenüber den Produkten, die wir Bauern erzeugen.“ 

Konsumenten in die Pflicht nehmen

Waldenberger ist sich sicher, dass hier die Ansprüche des Konsumenten heruntergeschraubt werden müssen. Kurz vor Ladenschluss noch volle Regale heiße, dass es am nächsten Tag Produkte weggeschmissen werden, das müsse nicht sein.

Vermeidbarer Lebensmittelabfall großteils im privaten Haushalt

Auch wenn aktuell über die Verschwendung von Lebensmitteln in Supermärkten gesprochen wird: Rund 60 Prozent des vermeidbaren Lebensmittel-Abfalls in Österreich fallen im privaten Haushalt an, rund 20 Prozent im „Außer-Haus-Verzehr“ und nur neun Prozent im Supermarkt und Großhandel. Laut Initiative „Land schafft Leben“ liegt die Summe der vermeidbaren Lebensmittelabfälle (landwirtschaftliche Produktion ausgenommen) geschätzt bei rund 900.000 Tonnen jährlich in Österreich.

Missverständnis mit Mindesthaltbarkeitsdatum

Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Waldenberger setzt auf regionale, hochwertige Produkte, wenn es darum geht, der Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen. Ursachen für Lebensmittelverluste sind vor allem mangelnde Einkaufsplanung, falsche Lagerung und Haltbarmachung. Oft werden auch die Mindesthaltbarkeitsangaben nicht richtig aufgefasst.

Anders als beim Verbrauchsdatum ist das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) kein „empfohlenes Wegwerfdatum“. „Der Konsument muss sich auch die Frage stellen, ob das Produkt tatsächlich weggeschmissen werden muss. Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, schau ich mir das Produkt an. Ich mache es auf und rieche daran, oder koste es. Es ist ja nicht schlecht, nur weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wurde“, so auch Landesbäuerin Johanna Haider.

Gemeinsame Anstrengung nötig

Dennoch müssen alle Beteiligten ihr Bestes geben. „Lebensmittelverschwendung muss in den Köpfen von allen hinein, man kann nicht nur einem die Schuld zuschieben“, so Haider.

Das Handelsunternehmen Spar setzt beispielsweise auf Kooperationen wie mit der Lebensmittel-Rettungs-App TooGoodToGo oder auf künstliche Intelligenz. „Spar setzt seit vielen Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen, damit der Lebensmittelverderb möglichst gering gehalten wird. Nur rund ein Prozent der angebotenen Produkte kann Spar nicht verkaufen. Dafür sorgt beispielsweise künstliche Intelligenz bei der genauen Bestellung. Computerprognosen auf Basis von jahrelanger Erfahrung, Feiertagen, Aktionen, Wetter und weiteren Einflussfaktoren berechnen für jeden Standort genau, wie viel Ware notwendig ist.“

Weiter heißt es auf Tips-Anfrage: „Jeder Markt wird täglich beliefert, wodurch Lagerbestände in der Filiale möglichst gering gehalten werden. Gebäck wird beispielsweise den ganzen Tag über frisch gebacken, damit am Tagesende möglichst wenig übrigbleibt. Durch immer wieder neue Maßnahmen, wie zuletzt die Kooperation mit TooGoodToGo, sinkt der Lebensmittelverlust konstant.“ Außerdem würden Lebensmittel an umliegende Sozialorganisationen gespendet. 

Gesetzesänderung andenken

Damit solche Fleischberge wie im Greenpeace-Video und andere Lebensmittel direkt vom Supermarkt nicht mehr in der Müllverbrennungsanlage landen müssen, wird vorgeschlagen, die aktuelle Gesetzeslage zu evaluieren. „Vielleicht sind auch gewisse Fristen beim Mindesthaltbarkeitsdatum knapp bemessen, das ist sicher auch ein Punkt“, so LK-Präsident Waldenberger. 

Wenn es nach Landesbäuerin Johanna Haider geht, dann müssen sowohl Supermärkte als auch Konsumenten viel mehr dazu bereit sein, Lebensmittel zu spenden „da schätze ich die Lebensmittel wieder mehr und tue etwas Gutes für jene, die weniger haben.“

Tipps, wie Lebensmittelverschwendung verhindert werden kann

Wie Lebensmittelabfälle vermieden werden können, wissen die Umweltprofis des OÖ. Landesabfallverbandes mit ihrer Initiative „Is nu guat“

Beim Einkaufen empfehlen die Profis, einen Einkaufszettel zu schreiben und die Vorräte im Vorhinein zu überprüfen. Außerdem soll man zu Großpackungen nur dann greifen, wenn man sie wirklich braucht und Angebote bzw. vermeintliche Schnäppchen immer hinterfragen. Nicht hungrig einkaufen gehen! Auch die richtige Lagerung der Lebensmittel zu Hause ist wichtig. Mehr dazu: www.isnuguat.at


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