Erinnerungskultur: warum ein Esslöffel im Linzer Diözesanarchiv für viel Hunger und wenig Brot steht
LINZ. Ein Esslöffel steht symbolisch für die Geschichte von Franz Eiersebner (1911–1969), Pfarrer in Pierbach und vielen weiteren NS-Opfern. Das Erinnerungsobjekt wurde vom Neffen des Pfarrers, Franz Erwin Eiersebner an Bischof Manfred Scheuer übergeben und wird fortan im Diözesanarchiv aufbewahrt.
Franz Eiersebner wurde am 13. Juli 1911 als Sohn des „Mindlbauer“ in Roitham geboren und 1935 zum Priester geweiht. Im Jahr 1938 kam Eiersebner das erste Mal mit dem Nazi-Regime in Konflikt, 1944 wurde er in Goisern wegen „antinazistischer Propaganda und Zersetzung der Wehrkraft“ von den Nazis verhaftet, kam zunächst ins KZ Dachau, dann in das „Zuchthaus“ Straubing (Bayern). Das Kriegsende 1945 hat Eiersebner die Freiheit gebracht und vielleicht sogar das Überleben gesichert, aus Straubing nahm er sich einen Esslöffel mit und bewahrte ihn auf. Nach Kriegsende war er wieder im priesterlichen Dienst der Diözese Linz in verschiedenen Pfarren. Er verstarb am 24. Jänner 1969 als Pfarrer in Pierbach.
„Bei dieser Symbolik geht es um Leben und Tod“
Kurz vor seinem Tod vertraute er den Esslöffel aus dem Zuchthaus Straubing – gemeinsam mit einem Taschenmesser aus dieser Zeit – seinem damals noch jugendlichen Neffen Franz Erwin Eiersebner an, mit dem Wunsch, er möge diesen als Andenken an ihn und an seine Geschichte aufbewahren. Auf dem Löffel ist die Handschrift des Pfarrers noch erkennbar: „Straubing 367/44, Viel Hunger, wenig Brot“. Bei der Zahl 367/44 handelt es sich laut dem Neffen um die Häftlingsnummer von Pfarrer Eiersebner. Das Taschenmesser hat ebenfalls einen düsteren Hintergrund: der Pfarrer gelobte damals, sich mit dem Messer selbst zu richten, bevor die Nazis ihn umgebracht hätten. „Bei dieser Symbolik geht es um Leben und Tod“, unterstreicht Franz E. Eiersebner.
Herzensangelegenheit für die Angehörigen
Er wollte die Objekte dauerhaft in sicheren Händen wissen und übergab ihn im Rahmen eines Besuchs im Bischofshof am 9. April 2024 an Bischof Manfred Scheuer. Dabei anwesend war auch Klaus Birngruber, Leiter des Diözesanarchivs, der sich künftig um die sichere Aufbewahrung und Erschließung des Artefakts kümmern wird. Der in Salzburg lebende Franz E. Eiersebner bedankte sich für die Möglichkeit, die Gegenstände persönlich übergeben zu dürfen: „Für mich ist es eine wahre Herzensangelegenheit, weil Pfarrer Eiersebner unser Lieblingsonkel war.“
Bischof Scheuer für weitere Nachforschung und Sichtbarmachung der Geschichte des Pfarrers
Für Bischof Manfred Scheuer stellen die Gegenstände wertvolle Objekte für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit darstellen: „Wichtig ist hierbei nicht nur die sichere Aufbewahrung der Gegenstände, sondern auch, weitere Quellen ausfindig zu machen, die zur weiteren Aufklärung des Schicksals von Pfarrer Eiersebner beitragen“, so Scheuer. Er halte es auch für sinnvoll, eine Form des öffentlichen Gedenkens für die Symbolik zu schaffen, etwa in Ausstellungen oder durch das Sichtbarmachen von Eiersebners Biografie im Gedächtnisbuch Oberösterreich.
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