Transgender: „Den Matthias hat es nie gegeben!“
ZWETTL. Die Leute drehen sich nach ihr um, tuscheln oder verziehen die Mienen: es ist für die meisten ein ungewohntes Bild, wenn Alexia durch die Straßen von Zwettl geht. Denn sie werden vor den Kopf gestoßen: Auf den ersten Blick sehen sie einen Mann in Frauenkleidern. Doch es ist vielmehr eine Frau, gefangen in einem Männerkörper. Aus Matthias wurde nun ganz offiziell Alexia.
„Ich habe mich schon im Kleinkindalter zu Röcken und Kleidern hingezogen gefühlt“, erinnert sich Alexia an ihre Kindheit. Kaum war die Mama nicht zuhause, probierte sie die Kleidung ihrer beiden Schwestern. Und es fühlte sich viel besser an, als ihr „normales“ Gewand, dass sie - damals noch als Matthias - trug.
„Ich schaute mich in den Spiegel und sah das Mädel, nicht den Buben“, erzählt sich die 37-Jährige. Sie konnte sich das anfangs nicht erklären, war sie doch optisch, nach außen hin, so ganz anders als ihre Schwestern. Es machte sie traurig, oft war sie todunglücklich und fühlte sich gefangen, im eigenen Körper.
„Ich habe mich schon als Sechsjährige im falschen Körper gefühlt, war oft todunglücklich hatte aber als Kind nie die Kraft, mich zu outen.“
Alexia erzählt davon, wie sehr sie darunter litt, ihre gefühlte Weiblichkeit nicht ausleben zu dürfen. Eine psychische Odyssee folgte. Einerseits bedingt durch traumatische Geburtserlebnisse - Sauerstoffmangel und Hirnblutung - und aufgrund dessen, dass sie sich im falschen Körper fühlte. Dabei wollte sie einfach so leben, wie jede andere Frau auch.
Von Matthias zu Alexia
Im Februar 2016 outete sie sich dann erstmals in ihrem familiären Umfeld. „Meine Mama hat anfangs schon geschluckt, mittlerweile nennt sie mich auch bei meinem weiblichen Namen. Für meine Geschwister war es nichts Neues, sie erwischten mich ja bereits als Kind in Frauenkleidern“, grinst Alexia.
Seit März 2016 trägt sie ihre Weiblichkeit offen zur Schau, zieht Kleider und Röcke an, rasiert und schminkt sich täglich, lackiert ihre Fingernägel. Seit Oktober 2016 gilt sie ganz offiziell als Frau - für Alexia ein wichtiger Schritt. Erst mit der Änderung des Personenstandes, also mit der Änderung des Geschlechtseintrags im Geburtenbuch, wird das gelebte Geschlecht auch offiziell anerkennt und man erhält die passenden Dokumente.
Neben einer gehörigen Portion Mut, die sie dafür aufbringen musste, verspürt sie aber vor allem eines: Erleichterung, dass sie sich so zeigen kann, wie sie sich fühlt. Denn mit der Rolle als Junge hat sie sich nie zurechtgefunden. „Den Matthias hat es eigentlich nie gegeben - ja am Papier vielleicht.“ Sie liebt die Farben weiß, pink und Glitzer, mag Eisenbahnen aber genauso wie Ballett. Sich selbst würde sie als kindliche, sehr verspielte Seele beschreiben. In einem nächsten Schritt überlegt sie eine Hormonbehandlung in Angriff zu nehmen, auch eine Operation würde sie nicht ausschließen.
„Was ist schon normal?“
Ihr größter Wunsch: Dass man sie so nimmt, wie sie ist. „Ich würde nie jemanden aufgrund seines Aussehens verurteilen, jeder sollte doch so leben, wie er es für richtig hält. Ich falle sicherlich in vielerlei Hinsicht aus der sogenannten Norm, aber ich bin so wie ich bin. Und was ist schon normal?“, fragt Alexia.
Oftmalige Beleidigungen an einem Tag sind keine Seltenheit, und dann und wann reagiert Alexia auch ruppig und ungehalten auf die ein oder andere Bemerkung, gibt sie zu. Das tue ihr auch leid, aber das Fass ist halt irgendwann voll. Und so etwas tut weh. Viel lieber sei es ihr, sie einfach offen nach dem Grund ihres Aussehens zu fragen, anstatt vernichtende Vorurteile auszusprechen.
„Warum schauen in einer Gesellschaft immer alle auf das Äußere, das ist eine Frau - und das ist ein Mann und dazwischen hat nicht viel mehr Platz. Leider sind viele noch sehr im Kastldenken drinnen“, zeigt sie sich traurig. Auch wenn die Szene in der Stadt größer wäre, möchte sie nicht wegziehen, denn sie liebt das Land und die Natur.
Phänomen Transgender
„Transgender sind jene Menschen, die sich nicht der Psychonomie 'Mann' beziehungsweise 'Frau' eindeutig zuordnen können. Da gibt es sicher eine ganz hohe Dunkelziffer“, erklärt Wolfgang Wilhelm, von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen.
Oft haben all jene Personen, die sich an Beratungsstellen wenden, einen sehr langen Leidensweg hinter sich, weiß der Experte. Doch während Transgender früher mit ihrer Verunsicherung und mit ihrem Leidensdruck alleine waren, ist heute die Barriere darüber zu sprechen, dazu zu stehen und das auch Sein zu dürfen, deutlich geringer, beobachtet Wilhelm. Auch junge Menschen würden es zunehmend weniger verheimlichen.
„Ich würde schon sagen, dass es zu mehr Coming-Outs kommt als früher. Jedoch glaube ich nicht, dass es mehr Transgender-Personen gibt als früher, es war halt vor 15, 20 Jahren einfach noch kein Thema.“ Heute wird mehr darüber berichtet, es gibt Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. „So ist man mit der möglichen Irritation, die man spürt, oder mit dem geschlechtlichen Selbstverständnis das man hat, nicht mehr ganz alleine, man merkt, dass es anderen auch so geht“, fasst Wilhelm zusammen.