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Braunauer Zeitgeschichte-Tage richten heuer den Blick auf „Vererbtes Trauma“

Sabrina Antlinger, 16.09.2025 12:15

BRAUNAU. Kriege enden nicht, wenn die Waffen schweigen.Sie hinterlassen bis heute Spuren – in der Gesellschaft, in Familien und tief in der menschlichen Seele. Auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wirkt das Geschehen nach, auch über Generationen hinweg. Und genau damit befassen sich heuer die 32. Zeitgeschichte-Tage in Braunau, die seit diesem Jahr unter der neuen Leitung von Stefan Schlögl und Antonia Plessing laufen.

Stefan Schlögl und Antonia Plessing (Foto: Chris Mavric)
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Der Verein für Zeitgeschichte Braunau steht mit seinen Veranstaltungen seit über 30 Jahren für einen lebendigen, neugierigen und seriösen Umgang mit der Vergangenheit. Heuer – genau 80 Jahre nach Kriegsende – stellen die Zeitgeschichte-Tage ein Thema in den Mittelpunkt, das lange verdrängt wurde: die psychischen Folgen von Krieg, Flucht und Vertreibung – und wie diese Erfahrungen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Kinder und Enkelkinder geprägt haben.

Neue Leitung vorgestellt

Die 32. Auflage der zeithistorischen Tagung zeichnet sich dieses Jahr durch eine neue Handschrift aus. Der Verein hat die Leitung der Zeitgeschichte-Tage neu besetzt: Künftig gestalten Stefan Schlögl und Antonia Plessing gemeinsam mit dem Verein die Tagung. Beide stammen aus Braunau und bringen umfassende Erfahrung in Journalismus, Buch- und Kulturarbeit mit.

Wenn Schweigen weiterwirkt

Unter dem Titel „Vererbtes Trauma. Die seelischen Wunden der Nachkriegsgenerationen“ diskutieren am Freitag, 26. und Samstag, 27. September, Experten aus Zeitgeschichte, Psychotraumatologie und Soziologie im Veranstaltungszentrum Braunau mit Zeitzeugen, Journalisten und dem Publikum über die bis heute spürbaren Auswirkungen.

Viele Familien haben nach 1945 nicht über das Erlebte gesprochen. Was durfte gesagt werden und was nicht? Wie wirken traumatische Erfahrungen, wenn sie keinen Ausdruck finden? Und wie prägen Verlust, Schuld oder Scham die nachfolgenden Generationen?

Diesen Fragen gehen die Tagungsteilnehmer nach. Dabei wird deutlich: Die Mechanismen des Schweigens, des Weitergebens und des Verdrängens sind erschreckend aktuell. Auch heute sind Millionen Menschen weltweit von Krieg, Flucht und Vertreibung betroffen.

Offizielle Eröffnung

Die Eröffnung findet am Freitag um 19.30 Uhr statt. Auf dem Podium sprechen: Sacha Batthyány (Journalist der Neuen Zürcher Zeitung und Autor von „Und was hat das mit mir zu tun?“) und Eva Umlauf. Sie ist Präsidentin des Internationalen Auschwitz-Komitees, wurde 1942 im Arbeitslager Nováky (Slowakei) geboren. 1944 erfolgte die Deportation nach Auschwitz, wo sie mit ihrer Mutter die Befreiung durch die Rote Armee erlebte. Ihr Vater starb auf einem Todesmarsch, ihre Schwester wurde noch 1945 im Lager geboren. Seit 1967 lebt Umlauf in München, arbeitete dort lange als Kinderärztin und ist heute Psychotherapeutin. Sie ist Mutter von drei Söhnen und Autorin des Buches „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen. Erinnerungen“. Moderiert wird die Gesprächsrunde von Alexandra Föderl-Schmid, Nachrichtenchefin der Süddeutschen Zeitung.

Fachvorträge am Samstag

Der Samstag ist ganztägig den Vorträgen gewidmet: Um 10.30 Uhr macht „Es ist noch nicht vorbei – wie Krieg und Vertreibung in Kindern weiterleben“ von Brigitte Lueger-Schuster, Professorin für Psychotraumatologie an der Universität Wien, den Auftakt.

Um 12 Uhr folgt Barbara Stelzl-Marx, Zeithistorikerin und „Wissenschaftlerin des Jahres“ mit ihrem Beitrag „Die stille Last – transgenerationale Weitergabe nach dem Zweiten Weltkrieg“.

Ab 14.30 Uhr steht „Verfolgte Frauen, vergessene Opfer – ‚Asoziale‘ im NS-Staat und ihre fehlende Anerkennung“ von Brigitte Halbmayr, Institut für Konfliktforschung Wien, auf dem Programm.

Abschließend lässt Angela Moré, apl. Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Hannover, das Publikum ab 16 Uhr in „Gefühlserbschaften – Traumata und Schuld in Familien seit 1945“ eintauchen.

Archive der Seele öffnen

Die Zeitgeschichte-Tage verstehen sich nicht nur als wissenschaftliche Konferenz. Sie laden zum Zuhören und Mitreden ein, wollen ein Tabu aufbrechen und das Unsichtbare sichtbar machen. „Denn die seelischen Folgen sind kein abgeschlossenes Kapitel der Vergangenheit. Sie prägen unsere Gegenwart – und fordern uns auch heute heraus“, betont der Verein für Zeitgeschichte, der die Veranstaltung organisiert.

Einladung an Interessenten

Der Eintritt ist frei, Beiträge aus dem Publikum sind willkommen. Veranstaltungsort ist das Veranstaltungszentrum Braunau.

Anmeldung und Infos: Aus Platzgründen wird um vorherige Anmeldung unter www.zeitgeschichte-braunau.at gebeten.

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