Caritas Sozialberatung: „Man darf Hilfe annehmen, gerade in Zeiten wie diesen“
AMSTETTEN. Die steigenden Lebenserhaltungskosten stellen derzeit für viele Menschen ein gewaltiges Problem dar. Die Sozialberatung der Caritas Amstetten verzeichnet heuer einen enormen Anstieg an Erstanfragen. Tips bat Sarah Weichselbaumer (Caritas Sozialberatung Amstetten) und Christian Köstler von der PfarrCaritas zum Interview.
Tips: Frau Weichselbaumer, in einem ORF-Interview hat Christoph Riedl, der Generalsekretär der Caritas der Diözese St. Pölten, gesagt, dass die Armut in der Mittelschicht angekommen ist. Wie sind Ihre Erfahrungen diesbezüglich?
Sarah Weichselbaumer: Diese „neue Zielgruppe“ ist auf die steigenden Energiepreise und die generell steigenden Lebenserhaltungskosten zurückzuführen. Wir erhalten seit Monaten vermehrt Anfragen von Personen, die zum Beispiel in Einfamilienhäusern leben und deren Energiekosten förmlich explodiert sind. Besonders schnell zum Problem werden die gestiegenen Kosten für Alleinerziehende oder ältere Menschen mit geringer Pension. Viele hätten sich noch vor einem Jahr nicht an uns gewandt, da es ihnen möglich war, die laufenden Kosten selbst zu begleichen. Zudem wenden sich immer mehr berufstätige Menschen an uns. Auch diese Personengruppe hat schwer mit den Preissteigerungen bei gleichbleibenden Einkommen zu kämpfen.
Tips: Wie hat sich die Zahl der Erstanfragen bei der Sozialberatung der Caritas Amstetten heuer entwickelt?
Weichselbaumer: Die Anzahl der Erstanfragen an der Beratungsstelle in Amstetten sind im Laufe des Jahres um rund 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Tips: Was sind derzeit die größten Herausforderungen für die Menschen, die zur Beratung kommen?
Weichselbaumer: Die größten Herausforderungen sind die steigenden Strom- und Heizungskosten. Die Menschen bekommen teilweise eine Energievorschreibung (im Quartal), die beinahe so hoch ist wie ihr gesamtes Einkommen in einem Monat. Zusätzlich belasten die steigenden Preise bei Lebensmitteln, Treibstoff und auch Mieterhöhungen das Haushaltsbudget. Aufgrund der steigenden Anfragen in den unterschiedlichen Bereichen ist es auch schwieriger geworden, Energieanbieter, Bezirkshauptmannschaften, Finanzämter und so weiter zu erreichen. Hier ein Beispiel: Eine pensionierte, alleinstehende Frau hat sich an uns gewandt. Sie bekommt eine sehr geringe Pension inklusive Ausgleichszulage. Sie hat eine neue Vorschreibung ihres Energieanbieters bekommen. Diese beträgt 600 Euro Strom im Quartal. Die Frau arbeitet zusätzlich geringfügig als Reinigungskraft, sonst hätte sie schon zuvor die laufenden Lebenserhaltungskosten nicht stemmen können. Wenn man nun die Teuerungen berücksichtigt, geht sich alles noch weniger aus. Und: Heizkosten sind hier noch gar nicht berücksichtigt.
Tips: Trotz dieser dramatischen Situationen ist die Hemmschwelle, die Sozialberatung aufzusuchen, für viele Menschen doch sehr groß. Wie wichtig ist es, mit einer Anfrage nicht zu lange zu warten beziehungsweise wann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem man sich an eine Beratungsstelle wenden sollte?
Weichselbaumer: Je früher, umso besser. Vor allem im Bereich Energiekosten ist es ratsam sich zu melden, sobald klar wird, dass die Rechnung nicht beglichen werden kann. Lässt man hier zu viel Zeit verstreichen, kommt es schnell zu Mahnungen und es droht eine Strom- beziehungsweise Gasabschaltung. Dies wiederum ist mit Mehrkosten verbunden. Aufgrund steigender Anfragen an der Beratungsstelle ist momentan mit einer längeren Bearbeitungszeit zu rechnen. Deshalb ist umso wichtiger, sich einen Beratungstermin zu vereinbaren, auch wenn noch keine Abschaltankündigung eingelangt ist. Und: Man darf Hilfe annehmen, vor allem in Zeiten wie diesen. Die Caritas Sozialberatung ist jetzt in Amstetten am Hauptplatz 37 im 2. Stock zu finden. Dienstag von 8.30 bis 11.30 ist Sprechstunde, darüber hinaus nach Terminvereinbarung.
Tips: Herr Köstler, wie sieht die Lage im Carla-Second-Hand-Laden aus? Verzeichnet ihr hier auch mehr Kunden? Wie ist die Qualität der Sachspenden?
Christian Köstler: Ja, wir erleben momentan eine große Nachfrage mit einer Steigerung von rund 30 Prozent. Immer mehr Kunden sagen uns auch wie froh sie sind, dass es im Carla so ein tolles und kostengünstiges Angebot an Bekleidung, Hausrat und vielem Mehr gibt. Besonders wichtig ist Carla derzeit für die Menschen, die sich an die Sozialberatung wenden: Sie bekommen dort bei Bedarf Einkaufsgutscheine für Carla. Dank unserer vielen Sachspender können wir die starke Nachfrage auch gut bewältigen. Wir bitten weiterhin um gute, saubere und gebrauchsfähige Sachspenden die gerne zu den Öffnungszeiten abgegeben werden können. Diese sind Montag, Mittwoch und Donnerstag von 8.30 bis 12 Uhr sowie Dienstag und Freitag von 14.30 bis 18 Uhr.
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