Trotz Sensationsfunds in Wien: Enns bleibt älteste Stadt Österreichs
ENNS/WIEN. Der 28-jährige Forscher Niklas Rafetseder sorgte mit der Untersuchung eines Bronzeinschriftfragments, das das römische Stadtrecht für Vindobona und somit das älteste Stadtrecht Österreichs für Wien bezeugen soll, für eine Sensation.
Entdeckt wurde das Bronzefragment 1913 bei Grabungen in der Wiener Innenstadt. Erstmals gibt es damit einen deutlichen Hinweis darauf, dass auch Vindobona offiziell eine römische Stadt war. Das Stadtrecht wurde Ende des zweiten oder Anfang des dritten Jahrhunderts nach Christus verliehen.
Municipium in Salzburg
Reinhardt Harreither, der Wissenschaftliche Leiter des Museum Lauriacum, sieht die Entdeckung jedoch gelassen. „Bei Diskussionen wie dieser gilt es zuerst zu definieren, was man unter einer Stadt versteht beziehungsweise zu welcher Zeit das Stadtrecht vergeben wurde“, erklärt der Experte. Unter dem römischen Kaiser Claudius (regierte 41 bis 54 nach Christus) gab es auf dem Gebiet des heutigen Österreichs die ersten Stadtrechtsverleihungen. Fünf Siedlungen erhielten den Status eines „municipium“. Das einzige municipium aus dieser Zeit, das auch heute noch eine Stadt ist, ist Salzburg (hieß damals Claudium Iuvavum). Tafeln oder Urkunden, die das Stadtrecht für Iuvavum belegen, existieren heute aber nicht mehr.
Weitere Städte kamen hinzu
Unter Kaiser Hadrian (regierte 117 bis 138 nach Christus) kamen noch Aelium Cetium (das heutige St. Pölten) und Ovilava (das heutige Wels) hinzu. Ovilava bekam später den Rang einer „colonia“ verliehen. Darunter versteht man Städte, in denen römische Bürger angesiedelt wurden. Auch in Enns wurden ähnliche Bronzebruchstücke wie in Wien gefunden. Diese stammen aus der Zeit von Kaiser Caracalla (regierte von 211 bis 217 nach Christus). Der Stadtrechtsbezug für das damalige Römerlager Lauriacum fehlt darauf allerdings, da es im Textbruchstück nicht erwähnt wird.
Enns hat älteste erhaltene Urkunde
Was man jedoch sicher weiß, ist: Enns (nicht Lauriacum oder Lorch) ist die älteste Stadt auf dem Gebiet des heutigen Österreich, weil es die älteste im Original erhaltene mittelalterliche Stadtrechtsurkunde besitzt. Diese wurde am 22. April 1212 von Herzog Leopold VI. ausgestellt. Auch St. Pölten beansprucht den Titel der ältesten Stadt Österreichs für sich. „Die St. Pöltner beziehen sich auf einen Text in einem Kopialbuch, das eine Urkunde aus dem Jahr 1159 überliefert. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Stadtrechtsurkunde. Die entsprechenden ausführlichen rechtlichen Bestimmungen fehlen nämlich“, so Harreither.
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