"Abwechslungsreich, bunt und herausfordernd": Zwischen Laufstegwelt und Alltagshilfe
KRONSTORF. Nadine Pfaffeneder hat in die schillernde Welt der Mode reingeschnuppert - erst im Februar kam sie von der London Fashion Week zurück. Doch ihr Herz schlägt eigentlich für etwas ganz anderes: die Alten- und Personenbetreuung. Eine Tätigkeit, die vielleicht nicht mit Glamour glänzt, aber umso mehr mit Tiefe und Sinn.

Pfaffeneder wuchs in Hörsching auf, bevor sie im Alter von sechs Jahren nach Kronstorf zog. Nach der Volksschule ging es für sie weiter auf das Gymnasium in Steyr mit Sprachen-Schwerpunkt, gefolgt vom Sportgymnasium in Linz, wo sie schließlich ihre Matura ablegte. In ihrer Freizeit besuchte sie eine Musicalschule und arbeitete als Kellnerin in ihrem Heimatort, um sich etwas dazuzuverdienen. Auch im Einzelhandel und als Verwaltungsassistentin im Bundeskanzleramt probierte sie sich aus, bevor sie nach ihrem Schulabschluss nach Wien zog.
Suche nach Herausforderungen
Dort begann die Kronstorferin ein Lehramtsstudium, das sie kurz vor der Corona-Pandemie abbrach. Der Grund für diesen Entschluss war klar: Nadine fehlte die Perspektive, „die Aufstiegschancen“: „Ich war immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung“, sagt die 24-Jährige. Und: „Wenn ich etwas tue, muss es Sinn machen.“ So entschied sie sich, eine Ausbildung zur Heimhilfe zu absolvieren. Für sie war klar, dass sie an ihrer Zukunft arbeiten wollte.
Der Traum vom Modeln
Gleichzeitig ließ sie der Traum vom Modeln, der sie seit ihrer Kindheit begleitete, nie ganz los: „Als ich noch klein war, hab ich mitfiebernd vorm Fernseher gesessen. Ich war inspiriert von den glamourösen Victoria’s-Secret-Shows, in denen Topmodels wie Miranda Kerr die Bühne eroberten. Zwei oder drei Wochen nachdem ich nach Wien gezogen bin, hat mich auf der Straße ein Modelscout angesprochen. Das war - wenn auch selten - ein äußerst seriöses Angebot.“ Sie unterschrieb bei einer renommierten Agentur und lief auch zweimal auf der Milano Fashion Week, sowie auf der London Fashion Week diesen Februar – zwei Tage, die zwar intensiv und fordernd waren, jedoch nie den langfristigen Plan von Nadine widerspiegelten. „Modeln war aufregend, aber es war zu unbeständig, zu oberflächlich. Ich wollte mehr Tiefe“, erklärt sie.
„Ein Job mit Verantwortung, der erfüllt und glücklich macht“
Diese Tiefe fand sie schließlich in der Alten- und Personenbetreuung. Anfangs arbeitete sie als selbstständige Alten- und Personenbetreuerin mit einem klaren Ziel: „den Menschen hinter der Fassade zu sehen, zu hören und für ihn wirklich da zu sein“. Während sie weiterhin Modeljobs annahm, merkte sie bald, dass sie die steigende Nachfrage an Betreuung nicht mehr alleine bewältigen konnte. So traf sie eine Entscheidung: Pfaffeneder gründete 2023 ihr eigenes Unternehmen „nadine.cares“. 85 Prozent ihres Ersparten steckte sie in den Aufbau ihrer Firma. Heute sind sie ein zehnköpfiges Team im Alter von 18 bis 64 Jahren. Von der Zentrale in Wien aus werden Einsätze organisiert – vor allem in der Stadt, vereinzelt auch in Niederösterreich.
Der ländliche Raum, etwa in Oberösterreich, ist logistisch herausfordernder. „Hier in der Großstadt sind Einsätze wirklich super planbar, meine Leute im Außendienst sind hauptsächlich mit den Öffis unterwegs und brauchen maximal 15 bis 30 Minuten zu unseren Klienten.“ Langfristig gesehen möchte sie später aber schon auch hierzulande Fuß fassen, denn: „Der Bedarf wird steigen – nicht zuletzt wegen der Pensionierungswelle ab 2030.“
Kritik: „Unklare Regeln und Begrifflichkeiten“
Im punkto Bedarf und Bedarfsdeckung, als auch im Reduzieren von bürokratischen Hürden sieht die junge Unternehmerin die Politik in der Verantwortung. „Im Bereich der Sozial- und Pflegeberufe gibt es oft unklare Begriffsdeklarationen. Außerdem gibt es für viele soziale Berufe – wie beispielsweise in Wien – kein eigenes Gewerbe, um sich selbstständig zu machen. Viele müssen dann in ein anderes hineinpassen, obwohl das nicht ganz exakt ist. Ich war zum Beispiel Heimhilfe und wir hatten die Basisversorgung als Körperpfleger dabei, aber vom Gesetz her waren wir keine Pfleger, obwohl wir das gemacht haben, was die meisten Leute unter 'Pfleger' verstehen.“ Sie findet, dass hier wenig klare Regeln gemacht wurden, und das ein Problem ist - vor allem jetzt, wo die Berufsgruppe immer wichtiger wird.
Im Ausschuss der WKO Wien
Weil sie den Beruf aufwerten, Vorurteile in der Gesellschaft abbauen und junge Menschen für die Branche zu begeistern will, engagiert sich Pfaffeneder als Funktionärin der Fachgruppe „Personenberatung und Personenbetreuung“ in der Wiener Wirtschaftskammer. „Weil es ein Beruf ist, der Sinn stiftet und einen erfüllt, einen glücklich macht“.
„Learning by doing“
Neben ihrer Arbeit als selbstständige Unternehmerin hat die Kronstorferin ein Fernstudium im wirtschaftlichen Bereich begonnen, um sich weiterzubilden. „Die Arbeit hilft mir mehr im Studium als umgekehrt“, erklärt sie, und: „Vieles lernt man erst, wenn man es ständig macht - und Spaß daran hat.“
Erfahrungen aus beiden Welten
Bei ihrer Agentur „1st Place Models“ ist sie nicht mehr unter Vertrag: „Ich jobbe nur noch gelegentlich für die Agentur – wenn Zeit und Lust zusammenpassen. So wie bei der London Fashion Week diesen Februar.“
Was sie aus der Modewelt für die Welt der Alten- und Personenbetreuung mitnimmt, ist ein dickes Fell: „Als Model hab ich gelernt, mit Ablehnung umzugehen. Wenn man bei einem Casting nicht genommen wird, hat das oft nichts mit mir als Person zu tun, sondern, dass sie eben nicht nach mir suchten.“ Das dicke Fell, das sie sich dadurch angeeignet hat, hilft ihr heute nicht nur in der Geschäftsführung, sondern auch bei der Arbeit mit schwierigen Klienten. „Oft steckt hinter einer abweisenden Haltung Einsamkeit, Schmerz oder Angst“, sagt sie, und fügt hinzu: „Die Resilienz, die ich aus der Modelwelt mitgenommen habe, hilft mir, das zu verstehen.“
Und so unterschiedlich sind die beiden Berufe auch doch nicht. Wenn sie die Betreuungsarbeit mit drei Wörtern aus der Modewelt beschreiben müsste, wären es „abwechslungsreich, bunt und herausfordernd“.
Kein Beruf, sondern eine Berufung
Mit 15 Jahren hätte sich die Gründerin, Alten- und Personenbetreuerin und Teilzeit-Model nicht vorstellen können, wie ihr Leben mit 24 aussehen würde. „Ich habe viel Verschiedenes probiert, weil ich immer jede Chance ergriffen habe. Jetzt bin ich angekommen“, sagt sie. „Ich war noch nie so glücklich.“ Sie schätzt nicht nur ihre Arbeit, sondern auch das positive Umfeld, das sie in ihrem Unternehmen schafft. Es geht ihr darum, einen Raum zu schaffen, in dem sich die Menschen wohlfühlen, aufblühen und wachsen können. Für sie ist das das größte Geschenk.
In ihrer Freizeit genießt sie es, mit ihrem Hund Mercedes spazieren zu gehen, zu kochen und Zeit mit Freunden zu verbringen. Manchmal bleibt sogar Zeit für ein gutes Buch oder etwas Sport, um einen Ausgleich zu finden. Nadine glaubt fest daran, dass es im Leben darum geht, bewusst zu leben, wahrzunehmen und etwas Sinnvolles zu schaffen – genau das tut sie in ihrer täglichen Arbeit.
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