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Thomas Antlinger: „Die Situation ist tatsächlich sehr absurd“

Yannik Bogensperger, 19.11.2022 12:00

GRIESKIRCHEN. Thomas Antlinger sitzt seit etwas mehr als einem Jahr für die SPÖ im Oberösterreichischen Landtag und ist darüber hinaus Energie- und Klimaschutzsprecher der Sozialdemokraten. Tips-Redakteur Yannik Bogensperger hat mit ihm über sein erstes Jahr Landespolitik und aktuelle Herausforderungen gesprochen.

Thomas Antlinger ist Energiesprecher und Landtagsabgeordneter der SPÖ Oberösterreich. (Foto: SPÖ Landtagsklub)

Tips:Wie blicken Sie auf Ihr erstes Jahr als Landtagsabgeordneter zurück?

Thomas Antlinger: Es ist total schnell vergangen und war für mich ein sehr herausforderndes Jahr. Ich musste mich in viele Dinge einarbeiten als Energie- und Klimaschutzsprecher. Ich komme ja aus einem ganz anderen Bereich, habe im sozialen Bereich gearbeitet. Energie war ein ganz neues Thema für mich. Daher war ich anfangs extrem auf die Klubmitarbeiter angewiesen.

Tips:Sehen Sie es kritisch, dass Politiker quasi keine fachspezifische Ausbildung benötigen?

Antlinger: Ich sehe da immer zwei Ebenen, im Landtag sehe ich es nicht so kritisch, weil man mit der Aufgabe wächst. Aber auch bei Ministern oder Landesräten sehe ich es nicht kritisch, denn es tut der Blick von außen gut, um sich nicht zu technokratisch zu verhalten. Außerdem haben alle Politiker Experten im Hintergrund. Die Schwierigkeit in der politischen Auseinandersetzung ist die Tatsache, dass ein Ressort nicht nur aus einem Thema besteht. Da ist es wichtig, als Politiker breit aufgestellt zu sein und gemeinsam mit Experten Dinge auszuarbeiten. Politikersein ist ein Handwerk, das man genauso erlernen muss. Auch wenn man nichts mit Metall zu tun hatte, kann man eine Lehre als Metallbautechniker beginnen. Für mich macht das Politikersein eine gute Mischung aus der Meinung von Experten und dem Auftrag der Wähler aus. Dazwischen muss man die bestmögliche Lösung finden.

Tips:Wie beurteilen Sie als SPÖ-Energiesprecher die Situation in Oberösterreich?

Antlinger: Bei der Energie- und Gasversorgung sind wir Gott sei Dank gesichert. Was ich eher problematisch sehe, dass es extrem lange dauerte, bis ein gescheiter Gasnotfallplan aufgestellt wurde. Vor allem die Betriebe ließ man lange im Ungewissen. Ich sehe die Situation als klaren Auftrag, so schnell wie möglich aus dieser Abhängigkeitssituation rauszukommen. Es wird viel Richtiges gesagt und gefordert, aber in der Umsetzung hinken wir sehr nach. Wir stehen in Oberösterreich vor der Riesenherausforderung, den Transformationsprozess in der Industrie hinzubekommen. Daher müsste man Unabhängigkeit von russischem Gas schaffen. Im Oktober wurde zum ersten Mal in sechs Jahren ein neues Windrad in Oberösterreich eröffnet. Seit 2017 gibt es einen Windkraftmasterplan der Landesregierung, die Windkraft eher verhindert als ermöglicht. In vielen Gemeinden oder Industriebetrieben gibt es Bemühungen, die Energiewende zu schaffen. Die Aufgabe der Politik ist es, zu unterstützen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Trendwende ermöglichen. Dies passiert aber zu wenig. Mit dem aktuellen Tempo wird es bis 2040 mit der CO2-Neutralität nicht klappen. Wir haben bürokratische Hürden, zudem waren in OÖ die Netze schon in den letzten Jahren an ihren Leistungsgrenzen. Der Energie AG mache ich aber hier keinen Vorwurf, denn diese unterstützt den Netzausbau überall, wo es geht.

Tips:Manche Menschen fordern ein Sanktionsende gegenüber Russland, um unsere Wirtschaft nicht zu sehr zu schwächen. Wie stehen Sie dazu?

Antlinger: Ich verstehe die Diskussion dazu, wobei ich ganz klar sage, die gestiegenen Energiepreise haben in erster Linie nicht etwas mit den Sanktionen zu tun. Weniger Gas wurde bereits vorher geliefert und damit die Preise nach oben getrieben. Daher ist es für mich kein Thema, die Sanktionen zu diskutieren. Wir erleben an den Energiebörsen zudem einen völlig verrückten Markt, auf dem durch Spekulationen die Preise in die Höhe getrieben werden.

Tips:Nahe der österreichischen Grenze in Temelin (Tschechien) steht ein AKW, das nun ausgebaut werden soll. Wie sehen Sie dieses Vorhaben?

Antlinger: Die Situation ist tatsächlich sehr absurd. In Temelin wird ein Ausbau mit sogenannten SMR-Reaktoren (Small Modular Reactor) geplant. Diese sind absolut nicht erforscht, es gibt keine Prototypen. Dort soll also ein Versuchslabor entstehen. Diesen Ausbau lehnen wir ganz klar ab und treten für ein AKW-freies Europa ein. Egal ob in Tschernobyl oder Fukushima, die Gefahr von Atomkraftwerken musste man bereits erleben. Dazu produzieren sie sehr teuren Strom. Die Frage, was wir mit dem Müll machen, stelle ich mir zudem auch. Wir wollen kein Atommülllager an der Grenze zum Mühlviertel.

Tips: Die SPÖ tat sich in der Vergangenheit immer sehr schwer, eine klare Linie in der Migrationspolitik zu finden. Welche vertreten Sie?

Antlinger: Integration vor Zuzug. Ich habe eine klare Meinung bei irregulärer Migration. Und die Vorfälle der Halloweennacht in Linz sind klar zu verurteilen, ich schließe mich da dem Bürgermeister Klaus Luger an, dass man alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen sollte. Gleichzeitig bin ich aber der Meinung, dass viele dieser Vorfälle verhindert hätten werden können, wenn man 2015 schlauer reagiert hätte. Wenn Leute in Österreich um Asyl ansuchen, sollten sie so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden und Asylverfahren so schnell wie möglich abgehandelt werden. Neben dem Bekenntnis von unserer Seite, Menschen zu helfen, braucht es auch die Voraussetzung, dass sie selbst bereit sind, etwas dafür zu tun. Integration ist immer ein Geben und Nehmen von beiden Seiten. Wenn Menschen zu uns kommen, ist es wichtig, dass sie arbeiten gehen. Das gehört in unserem Wertesystem neben der Gleichberechtigung von Mann und Frau dazu.


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