Abgesang einer Schotter-Legende: Rallye Waldviertel zum letzten Mal
BEZIRK HORN. „The Final Rallydays“ – diesen klingenden Beinamen führt die „Rallye Waldviertel“ seit einigen Jahren, die Bedeutung des letzten Rennens im Jahr sollte damit noch mehr hervor gehoben werden. Doch heuer vermittelt der PR-Gag eine weitere, bittere Botschaft: Die 37. Rallye Waldviertel wird die letzte, eben das endgültige Finale, sein.
Organisationschef Helmut Schöpf bestätigt: „Es stimmt, ich habe für 2018 keine Nennung mehr abgegeben.“ Der Böheimkirchner, der seit 15 Jahren gleichsam Tag und Nacht für die Rallye lebt und arbeitet, muss den wirtschaftlichen Gegebenheiten Tribut zollen: „Schon die letzten Jahre waren finanztechnische Hochseilakte ohne Netz. Die Sponsoren und deren Zuwendungen wurden immer weniger, und jetzt will und kann ich dieses hohe finanzielle Risiko nicht mehr übernehmen.“
Geboren am Biertisch
Damit stirbt die letzte große Rallye mit Tradition, das aus der heimischen Motorsportlandschaft eigentlich nicht wegzudenkende Schotterspektakel. 1981 – mitten in einer Veranstalterkrise – wurde es in einem feucht-fröhlichen Klubabend des Badener Rallyeklubs aus der Taufe gehoben: Der Neulengbacher Hans Kellner (“Na, dann organisieren wir halt noch eine Rallye“) stellte innerhalb von drei Wochen die Semperit-Rallye mit 177 Kilometern in 24 Sonderprüfungen auf die Achsen (Sieger: der Badener Georg Fischer) und entwickelte sie in den 1980er- und 1990er-Jahren zum Top-Event in Österreichs Motorsport-Landschaft. Mit Werksteams und internationalen Stars am Start (unvergessen: Walter Röhrl, der 1985 mit dem 550 PS starken Audi Quattro S1, den das Werk hier als Generalprobe für die darauffolgende WM-Saison an den Start brachte, die Konkurrenz mit 18:37 Minuten Vorsprung auf den Zweiten zertrümmerte), mit legendären Schotter-Prüfungen wie etwa den Langauer Forst bei Litschau, die ab 1986 jährlich über 100 Starter, den EM-Status und über 100.000 Fans ins Waldviertel brachten. Mit der 20. Auflage 2001 zog sich Hauptsponsor Semperit zurück, ein Jahr später schmiss auch Hans Kellner nach Troubles mit einem neuem Hauptsponsor und Umweltschützern alles hin.
Beste Rallye Europas
2002 übernahm Helmut Schöpf und hatte gleich in seinem ersten Jahr mit Hochwasser- und Geldproblemen (kein Hauptsponsor) zu kämpfen. 2003 übersiedelte er die Rallye „aus wirtschaftlichen Gründen“ von Waidhofen/Thaya nach Horn. Von nun an legte Schöpf getreu seiner Maxime „Nie zufrieden sein“ jedes Jahr ein Attraktivitätsschäuferl nach: neue Strecken, attraktive Zuschauerpunkte, Superstage, publikumsfreundliche Rundkurse, Rallyeshow, … aber auch 2007 erstmals einen kostenpflichtige Rallyepass. 2009 schnupperte die Waldviertel-Rallye erstmals in den Bezirk Krems, ab 2013 wurde das Schloss Grafenegg statt Horn das Veranstaltungszentrum, 2015 und 2016 gastierte die „Waldviertel“ sogar mit einer großen Rallyeshow und einer Superstage in St. Pölten. Lohn der jahrelangen Anstrengung: 2005 bescheinigte eine Wertschöpfungsanalyse der FH Krems der Rallye eine „sehr hohe regionalwirtschaftliche Bedeutung … mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung und Wirtschaft“ (was aber auch nicht viel mehr Geld brachte), 2012 zeichnete das Land NÖ Helmut Schöpf mit dem „Nö. Event Award“ aus und 2014 – als mit Christian Schuberth-Mrlik aus St. Leonhard im Hornerwald das einzige Mal ein Waldviertler gewann – würdigte die FIA die „Waldviertel“ als die „beste Rallye in Europa“.
Titelentscheidung offen
Alles glorreiche Zeiten von gestern, die bittere Realität heißt „kein Geld“ und damit „Aus, Ende, vorbei“. Was der Motivation von Helmut Schöpf und seinem Organisationsteam aber keinen Abbruch tat und tut: Am 10. und 11. November wird noch einmal ordentlich Gas gegeben, diesmal wieder mit Horn als Zentrum. Der Rallyechef verspricht auch für die letzte Auflage: „An Attraktivität wird es nicht fehlen, weder im Starterfeld noch auf den Sonderprüfungen.“ Rallyeleitung und Servicezone sind vor Schloss Rosenburg, Start ist am Freitag um 15 Uhr vor dem EKZ Horn, die 124 Sonderprüfungskilometer (85 Prozent Schotter) werden auf sechs Pisten gefahren: Am Nordring in Fuglau (Freitag 20.10 Uhr, Samstag 11.35, 15.05 und 18 Uhr), Rundkurs Altenburg-Fuglau (Freitag 15.15 und 17.30 Uhr), Leitnerschlag-Kronsegg (Freitag 16 und 18.35 Uhr), Glasberg-Brenntenberg (Samstag 8.20 und 10.20 Uhr), Kronsegg-Gföhl (Samstag 9.20 und 14.15 Uhr) und Rundkurs Manhartsberg (Samstag 13.30 und 16.50 Uhr).
Heuer mussten die Organisatoren wenigstens nicht zittern, ob die besten Piloten Österreichs auch am Start stehen werden. Denn die Titelentscheidungen in den beiden wichtigsten Kategorien, in der Österreichischen Rallye-Staatsmeisterschaft und in der 2WD-Staatsmeisterschaft, sind noch offen. In der ÖRM führt Hermann Neubauer (96 Punkte) vor Raimund Baumschlager (94) und Niki Mayr-Melnhof (82), in der 2WD der Melker Michael Kogler (122) vor Daniel Wollinger (118) und Julian Wagner (104).
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