„Culinary and Wine Tourism Conference“ an der IMC Fachhochschule Krems
KREMS. Die IMC Fachhochschule veranstaltete kürzlich gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft und der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien die „3. Kulinarik und Weintourismuskonferenz“ am Campus in Krems. 40 internationale Experten aus Lehre und Forschung aus 18 Ländern präsentierten Studien zu den Themen Wein und Kulinarik. Vertreten waren unter anderem die klassischen Weinländer Frankreich, Italien, Spanien und Portugal sowie „Weinexoten“ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zuhörer kamen aus ganz Europa nach Krems. Studierende der IMC-Studiengänge „International Wine Business“ und „Tourism and Leisure Management“ nahmen ebenfalls zahlreich an den Vorträgen und Workshops teil. Tips war vor Ort und durfte für die Leser einigen interessanten Vortragenden zuhören.
„Augmented Reality“ im Weintourismus
Der erste Vortrag widmete sich einer Technologie, die erst seit Kurzem einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist: „Augmented Reality“. Die Digitalisierung schreitet derzeit im Eiltempo voran und macht auch vor dem Tourismus nicht Halt. Axel Dreyer von der Hochschule Harz analysierte deshalb gemeinsam mit Juliane Ratz und Julia Rheinauer die Anwendungsmöglichkeiten der zukunftsweisenden „Augmented Reality“ im Weintourismus. Der Begriff steht für die computergestützte Erweiterung der Realität. Ganz konkret bedeutet das, man blickt durch ein Smartphone auf ein Objekt oder ein Gebäude und erhält zusätzliche Informationen. So wäre es beispielsweise denkbar, die Handykamera auf einen Weingarten zu richten und dadurch auf dem Bildschirm Auskünfte über die Rebsorte oder die Bodenbeschaffenheit zu erhalten. Auch Führungen durch größere und kleinere Weinkellereien könnten so um eine digitale Komponente erweitert und für den Besucher noch interessanter werden.
Wenn Science-Fiction zur Realität wird
Vor einigen Jahren war „Augmented Reality“ noch Science-Fiction. Durch die Leistungsfähigkeit moderner Smartphones und die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche werden die praktischen Anwendungsfelder allerdings immer vielseitiger. Laut Professor Axel Dreyer sind es vor allem die aktuellen Herausforderungen im Weinsektor, wie die immer größer werdende Konkurrenz oder der Boom der Produktdifferenzierung im Getränkemarkt, die es für Weintourismustreibende notwendig machen, innovative Wege zu beschreiten. Die wichtigsten Erkenntnisse von Axel Dreyer und seinem Team beziehen sich darauf, dass die erweiterte Realität dabei helfen kann, den Touristen und Konsumenten tiefergehendes Wissen über den Weinbau zu vermitteln. Außerdem sei es möglich, jüngere Zielgruppen anzusprechen. Denn auch 2017 ist die Mehrheit der Weintouristen männlich und eher im Pensionsalter angesiedelt. Naturgemäß sind aber auch junge Menschen und Frauen ein wesentliches Zielpublikum für weintouristische Anbieter.
Likör- und Schnapstourismus in Frankreich
Im darauffolgenden Vortrag erzählte Cornelia Caseau von der „Burgundy School of Business“ in Dijon über die Wichtigkeit von Spirituosen für den Tourismus und die nationale Identität in Frankreich. Alle zwei Jahre findet in Frankreich die „Printemps de Liqueurs“ statt, eine Messe, bei der Schnäpse und Gebranntes im Mittelpunkt stehen. Frankreich sticht dabei laut Cornelia Caseau im Vergleich zu vielen anderen Ländern besonders hervor. Denn während die meisten Länder für lediglich eine nationale Spirituose bekannt sind, wie zum Beispiel Ouzo in Griechenland oder Whisky in Schottland, sind es im Land des Weins und der Spitzengastronomie 46 Likör- und Schnapsspezialitäten auf ganz Frankreich verteilt. Der Tourismus rund um die Schnapsvielfalt blüht dabei geradezu auf. Es sind bereits mehr als eine Million Menschen pro Jahr, die ihren Urlaub dem Thema „Spirit“ verschreiben.
„Made in Frankreich“ als Erfolgsfaktor
Dabei ist es den Franzosen laut Caseau besonders wichtig, sich mit den regionalen Erzeugnissen identifizieren zu können. „Made in France: Wir sind besonders stolz auf unseren Schnaps“, gibt es in vielen Gästebüchern in den Brennereien zu lesen. Als Vater des sogenannten „Spiritourism“ gilt Jean-Pierre Cointreau, der jedem Hobbykonditor ein Begriff sein dürfte, der schon einmal einen Schoko-orangenkuchen gebacken hat. Während es beim Weintourismus eher um das Terroir der einzelnen Anbaugebiete geht, stehen beim „Spiritourism“ die Produktionsstätten und einzelnen Zutaten stärker im Rampenlicht. Derzeit haben die Schnäpse noch einen leichten Imagenachteil gegenüber Weinproduzenten. Der Trend für den Tourismus der Schnaps- und Likörwelt zeige jedenfalls deutlich nach oben, nicht nur im schönen Frankreich.
Der Aufstieg des Whiskeytourismus in Irland
Anschließend entführte Brian Murphy vom Dublin Institute of Technology (DIT) die Zuhörer in die spannende Welt des irischen Whiskey-Tourismus, der gerade eine Renaissance erlebt. Überhaupt boomt der Tourismus auf der grünen Insel wie nie zuvor. Im Vorjahr strömten 8,5 Millionen Übersee-Besucher ins Land, bereits zwei Millionen mehr als noch 2013. Und die Besucher spülen mächtig Geld in die Kassen. 4,6 Milliarden Euro waren es zum Beispiel letztes Jahr durch Übersee-Touristen. Eine immer größer werdende Rolle spielen dabei kleinere und größere Whiskey-Destillerien die mittlerweile über das gesamte Land verteilt sind. Tatsächlich ist der Whiskey-Tourismus der am stärksten wachsende Sektor im irischen Fremdenverkehr.
Die grüne Insel steht nicht nur für Guinness
Der mit Abstand größte Player am irischen Whiskeymarkt ist die weltbekannte Jameson Destillerie, direkt im Herzen von Dublin. Von den insgesamt 8,5 Millionen Kisten Whiskey, die jährlich exportiert werden, stammen sieben Millionen aus der Brennerei in der Bow Street. Kürzlich investierte man elf Millionen Euro in den Ausbau der Touristenattraktion „Old Jameson Distillery“. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Im ganzen Land sprießen Brennereien aus dem Boden und locken von Cork bis Galway immer mehr Besucher an. Quasi direkt vor der Haustür von Jameson eröffnete kürzlich die „Pearse Lyons Distillery“ ihre Pforten. Sieben Millionen Euro investierte der irische Geschäftsmann Pearse Lyons, der sein Vermögen seinerzeit in den Vereinigten Staaten gemacht hat, in den Umbau der ehemaligen Kirche in der St. James Street in eine moderne Touristenattraktion. Unweit des neuen Besuchermagneten steht eine irische Sehenswürdigkeit die in touristischer Hinsicht die Marschroute vorgibt: Mit 1,6 Millionen Besuchern im Jahr ist das „Guinness Storehouse“ die meistbesuchte Attraktion von ganz Irland.
Weintourismus auf dem Fahrrad erleben
Die Synergieeffekte von Wein- und Radtourismus wurden von Jana Heimel und Lucas Nesselhauf von der Hochschule Heilbronn beleuchtet. Da es im Tourismus gerade zwei große Trends gibt, nämlich Radfahren und Weintourismus, liegt es geradezu auf der Hand, die Kombination daraus genauer unter die Lupe zu nehmen. Weil der Ab-Hof-Verkauf von deutschen Weingütern rückläufig ist, suchen Tourismustreibende nach neuen Wegen, die Kunden zu den Winzern zu bringen. Das Fahrrad eignet sich dafür ideal, und das nicht nur weil der Radtourismus der nachhaltigste Tourismuszweig ist. Die Motivation der potenziellen Besucher auf dem Fahrrad scheint laut Jana Heumel klar: Regionale Lebensmittel probieren, die Kultur kennenlernen und nachhaltig Reisen. Außerdem möchte der Radtourist etwas für seinen Körper und seine Gesundheit tun. Derzeit ist der durchschnittliche Wein-Rad-Tourist laut einer Befragung von Jana Heimel und Lucas Nesselhauf noch zu 75 Prozent männlich, 49 Jahre alt und verdient zwischen 3.000 und 3.500 Euro netto. Initiativen, wie zum Beispiel die der Württembergischen Weinstraße in Deutschland, sollen aber auch jüngere und weibliche Zielgruppen für diesen interessanten Zukunftsmarkt erschließen.
Zufriedenes Fazit der Veranstalter
Organisator und Studiengangsleiter Albert Franz Stöckl zog ein äußerst positives Fazit: „Mehr als 200 Teilnehmer auf einer Konferenz zum „Nischenthema“ Kulinarik und Weintourismus. Das zeigt, dass sich mehr und mehr Forscher diesem Thema widmen und auch Reiseentscheidungen immer öfter von Details wie gutem Essen und Trinken abhängig gemacht werden.
Nachtrag Augmented Reality
Die Geschichte einer Weinflasche
Wie das sogenannte „Storytelling“ durch Augmented Reality aussehen kann, zeigt dieses Video des innovativen australischen Weinguts „19 Crimes“. Jeder Wein erzählt hier seine ganz eigene Geschichte. Lädt man die zugehörige App herunter und hält die Kamera auf eine Weinflasche, erfährt man vom Protagonisten auf der Flasche etwas über seine persönliche Geschichte und über den Wein. Dass es sich bei den Personen auf den Flaschen um verurteilte Sträflinge handelt, die seinerzeit von England nach Australien geschickt wurden, um dort ein neues Leben zu beginnen, macht die ganze Sache noch interessanter.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden