Gerade in Zeiten von Instagram, Twitter und Co. ist es für Jugendliche nicht leicht, sich selbst und ihr Aussehen zu akzeptieren oder sich in ihrer Haut wohlzufühlen. Es wird oft die Botschaft vermittelt, dass Erfolg und perfektes Erscheinungsbild Hand in Hand gehen, und das eine ohne dem anderen nicht funktionieren kann. „Wenn du schlank bist, bist du schön“, ist meist der Grundgedanke, der sich hinter dem Abnehmwahn versteckt. Selbstverständlich nagt dieser Grundsatz am Selbstbewusstsein der Betroffenen, treibt sie oft noch weiter in die Krankheit hinein. Anika Brandner und Marlene Lampl gingen der Krankheit Magersucht auf die Spur.
Hertha Mayr ist Leitende Ärztin der Psychosomatik am Kepler Universitätsklinikum in Linz, und erklärt die Krankheit folgendermaßen: „Eine Person kann als magersüchtig bezeichnet werden, wenn er oder sie durch Verhaltensweisen, die selbst gewählt sind, Gewicht verliert. Dazu gehört weniger zu essen, als der Körper eigentlich brauchen würde. Weitere Vorgehensweisen, um abzunehmen sind zum Beispiel durch exzessives Betreiben von Sport, die Einnahme von Abführmitteln oder Schilddrüsenhormonen, die den Grundumsatz steigern oder auch durch selbst herbeigeführtes Erbrechen.“ Mayr meint, dass der Sinn dieser Verhaltensweisen darin zu liegen scheint, seine Emotionen besser steuern zu können, sie gar zu unterdrücken, um sich in weiterer Folge stabiler zu fühlen. Dabei entwickeln Betroffene sogenannte Rituale, mit denen sie ihr Essverhalten unter Kontrolle halten und dadurch das Gefühl bekommen, sich selbst im Griff zu haben. „Die Jugendlichen beschreiben es quasi als eine Art Beziehung, eine Freundschaft, die sie mit der Essstörung eingehen“, so Dr. Mayr.
2013 waren es 770 Frauen und Männer in Oberösterreich, die an Magersucht erkrankt sind. Jährlich erkranken zusätzlich im Durchschnitt um die 120 Personen, laut oberösterreichischem Gesundheits- und Sozialplan zu Essstörungen. Eine der an Magersucht erkrankten Personen ist die 26-jährige Greta Victoria Christl. Sie leidet seit ihrem 12. Lebensjahr an der Krankheit, hat etliche Therapien und Krankenhausaufenthalte hinter sich. Anfang dieses Jahres hat sie sich dazu entschlossen, ein Buch über sich, ihre Geschichte und deren Höhen und Tiefen zu verfassen und online zu publizieren. In „Von mir zu mir“ schreibt sie über ihre Gedanken, Erinnerungen und Philosophien des Lebens. Damit will sie die Leute wachrütteln, wünscht sich eine gewisse Sensibilisierung und möchte mehr Bewusstsein sowie Verständnis seitens der Gesellschaft für psychische Krankheiten erzielen. Der erste Schritt um glücklich zu werden, ist in Gretas Augen, mit gewissen Dingen Frieden zu schließen und Ruhe in den Bereichen zu finden, die einen belastet haben.
Aber wie kann man erkennen, ob jemand gefährdet ist, an Magersucht zu erkranken? Was sind die ersten Anzeichen und wie kann man Betroffenen helfen? Hertha Mayr meint: „Nicht nur die Gewichtsabnahme, sondern auch die Verhaltensweise der jeweiligen Person spielen eine Rolle. Ist beispielsweise ein ungewöhnlicher Rückzug oder im Allgemeinen ein untypisches (Ess-)Verhalten zu erkennen, kann man dies als erste Warnsignale einer Essstörung deuten. Grundsätzlich jedoch gibt es keinen universellen Grund, warum ein Mensch magersüchtig wird. Die Krankheit ist multifaktoriell bedingt, was so viel bedeutet, dass man nicht von dem einen bestimmten Grund ausgehen kann, sondern viele Faktoren bei der Entstehung zusammenspielen. Wichtig für Eltern, Freunde und andere Angehörige ist es, sich professionelle Hilfe und Beratung zu holen, die Betroffenen nicht ständig beim Essen zu kontrollieren oder dazu zu überreden und ihnen ihre Unterstützung anbieten. Außerdem liegt der Schlüssel in der Kommunikation, sprich, mit den Jugendlichen zu reden, die Dinge anzusprechen, sie zu fragen, was ihnen helfen könnte und was nicht.“
Das Kepler Universitätsklinikum bietet ein multidisziplinäres Versorgungszentrum (MVZ) für Menschen mit Essstörungen und deren Angehörige an. Das heißt, dass das Angebot dort explizit auf Essstörungen und die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen spezialisiert ist, ergänzt durch eine Psychotherapie im jeweiligen niedergelassenen Bereich. Betroffene und Angehörige können direkt mir der Leitstelle des MVZ telefonisch in Kontakt treten. Nicht nur am MVZ ist es möglich, sich Hilfe zu holen, sondern auch an psychosozialen Beratungsstellen in jedem Bezirk, oder als erste Anlaufstelle der Hausarzt. Weitere Präventionsangebote, in denen die Jugendlichen lernen, mit ihren Emotionen und Bedürfnissen umzugehen, sowie diese zu akzeptieren, und ihre Perfektionsansprüche runterzuschrauben, bestehen bereits an Schulen, haben jedoch noch Spielraum um ausgebaut zu werden.
„Es ist eine Frage des Selbstwerts, man braucht nicht die Krücke namens Essstörung, um sich gut in seinem Körper zu fühlen“, so Hertha Mayr.
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