
LINZ. Der Verein Integrative Kulturarbeit veranstaltet im September erstmals die „sicht:wechsel“ Akademie unter dem Titel „Spiel:Räume“. Künstlerisch interessierten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung wird dabei die Möglichkeit zur Aus- und Weiterbildung in künstlerischen Sparten geboten, gemeinsam mit Bruckneruni und Kunstuni Linz sowie dorf tv. Bislang suchten Menschen mit Beeinträchtigung ein solches Angebot – die Teilnahme ist kostenlos - vergebens.
Möglich gemacht wurde das neue Projekt durch die Unterstützung von Licht ins Dunkel. „Wir wollten schon lange etwas in diese Richtung machen, es konnte aufgrund fehlender Mittel aber nie umgesetzt werden“, erzählt Geschäftsführer Alfred Rauch. Herausgekommen ist eine inklusive Akademie mit umfangreichem und buntem Programm, bei dem erfahrene Kunstschaffende und Dozenten mit Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in Workshops arbeiten.
„Es gibt für Menschen mit Beeinträchtigung leider ganz wenige Angebote, sich künstlerisch ausbilden zu lassen. Den Wunsch danach gibt es seit vielen Jahren. Heuer versuchen wir das nun erstmals, das ist praktisch ein Versuchsballon. Wenn wir Erfolg haben, hoffen wir das künftig jährlich oder zweijährlich anbieten zu können“, so Rauch.
„Inklusives Bildungssystem nicht vorhanden“
Vereinsobmann Stefan Pimmingstorfer – Caritas für Menschen mit Behinderungen OÖ, unterstreicht: „Wir wollen Räume, Möglichkeiten schaffen, die Sicht verändern. Mit dem neuen Angebot schaffen wir einzigartig auch Aus- und Weiterbildungsräume. Auch, um darauf hinzuweisen, dass Menschen mit Beeinträchtigung weiterhin benachteiligt sind. Ich bin froh, dass wir gemeinsam mit dem Verein nun erstmals ein Angebot schaffen.“ Denn Kunst und Kultur bereichere das Leben, „wir wollen eine inklusive Kunst- und Kulturszene, daran arbeiten wir stetig.“
Für ihn auch besonders wichtig: „Es gibt sehr viele Menschen mit Fähigkeiten und Talenten, die es schwer haben, sich - ohne Fokus auf die Beeinträchtigung - anderen zu präsentieren. Dieses Angebot ermögliche das nun.“
Worauf die „Spiel:Räume“-Macher hinweisen: Man sei vom Ziel, niemanden aus dem allgemeinen Bildungssystem auszuschließen, noch weit entfernt. „Ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen ist nicht vorhanden. Wir wollen im September aufzeigen, wie der gleichberechtigte Zugang gelingen könnte“, so Pimmingsdorfer.
Unis öffnen
Julia Purgina, Vizerektorin der Bruckneruni Linz, ist froh, mit an Bord zu sein. „Wir verstehen uns nicht nur als lehrende, sondern vor allem auch als lernende Institution. Kunstvermittlung wird bei uns schon lange gelebt, wir versuchen auch, im Rahmen der Studien Angebote zu schaffen, haben zum Beispiel den Lehrgang „Musik & Inklusion“ für alle Interessierten.“ An der Bruckneruni gibt es auch ein inklusives Ensemble mit Studierenden und willkommenen Gästen mit und ohne Beeinträchtigung. „Das sind Aktivitäten, die ein kleiner Tropfen sind, darum sind wir sehr dankbar, dass wir mit der neuen Akademie einen noch größeren Tropfen leisten können.“ Viele Lehrende und Studierende der Bruckneruni werden Teil der Akademie sein, es gehe um das mittanzen, mitgestalten und mitspielen.
Kunstuni-Vizerektorin Brigitte Vasicek sieht die neue Akademie als große Chance, um die Kunstuni für alle zu öffnen. „Es ist unsere Pflicht, Bildung für alle zu haben, zu leben und umzusetzen. Wir alle hinken weit hinterher. Daher ist das die Gelegenheit für uns, unsere Stärken und Schwächen kennenzulernen. Wir werden auf einiges draufkommen, was wir für die Zukunft brauchen. Es wäre zum Beispiel denkbar, Werkstätten über das Jahr hinweg anzubieten. Somit sehe ich das als gemeinsamen Lernprozess: Welche Werkstätten sind geeignet, wo muss etwas umgebaut werden, wo ist der Tisch zu hoch? Die Universitäten gehören allen, diese nicht zu öffnen wäre fatal.“
Can-Do-Ansatz
Eine der Bruckneruni-Lehrenden, die einen Tanz-Workshop leiten wird, ist Sarah Kronawittleithner: „Ich bin sehr inspiriert vom Thema, habe die letzten 20 Jahre viele inklusive Tanzkompanien mitverfolgt. Alles großartige Beispiele, wie integrative Kunst funktionierten kann.“ Für sie ist wichtig: „Kunst wird nicht durch die Fähigkeiten einer Person definiert. Meine Erwartungen sind, dass wir mit einem Can-Do-Ansatz arbeiten, einer Person so gut wie möglich helfen, mit Bewegung zu arbeiten und gleichzeitig zu verbessern. Wir wollen die Liebe und Leidenschaft für Tanz und Kunst fördern.“
Mit ihr wird die Linzer Rollstuhl-Tänzerin Ulli Ullmann den Workshop leiten: „Leider war es für mich nicht möglich, in Österreich eine professionelle Ausbildung im Tanz zu absolvieren. Mein Weg war Learning by doing“, so Ullmann, die dennoch selbst viele Projekte gestartet hat, unter anderem mit der Tanzfabrik Red Sapata. Bei einem Verein in Deutschland konnte sie dann eine mit Kosten verbundene Ausbildung absolvieren, „weil ich die Technik lernen will, und das geht nur von Profis“, wie sie erzählt. Ullmann war als Rollstuhl-Tänzerin auch schon Teil der Klangwolke, „ich bin in 80 Metern Höhe geschwebt. Es ist so vieles möglich, man muss es nur zulassen – oder besser: Es muss zugelassen werden.“
Von 18. bis 22. September
Die Akademie findet von Montag, 18. bis Freitag, 22. September, jeweils 9 bis 15 Uhr statt, an der Bruckneruni und der Kunstuni, in den Sparten Schauspiel, Tanz, Musik, Bildende Kunst, Film/Fernsehen sowie Radio. Die Workshops sind kostenlos, alle offen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, gedacht auch für jedes Alter. Der Großteil ist für Anfänger geeignet, die Gruppengröße ist meist auf zehn bis 15 Personen ausgelegt. Grundsätzlich sei auch die Teilnahme von Schulklassen möglich, so Rauch.
Ein Teil der Workshops geht über mehrere Tage, auch um zu vertiefen, dazu gibt es ein großes Kursangebot zum Kennenlernen und Schnuppern. Die Workshops werden allesamt von geschulten und erfahrenen Personen geleitet, auch die Workshop-Leitung ist inklusiv angelegt.
Infos und Anmeldung
Alle Infos, das Workshop-Angebot mit allen Details und eine Anmeldung ist unter www.sicht-wechsel.at oder Tel. 0676 9371477 möglich. Sobald eine Anmeldung bestätigt ist, gilt diese als verbindlich, bei Verhinderung wird um zeitgerechte Abmeldung gebeten, um Personen auf der Warteliste einen Platz anbieten zu können.