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Gastro in Einkaufstempeln Frequenzbringer, am Land kämpft das Wirtshaus

Tips Logo Steiner Christoph, 30.10.2025 12:27

LINZ/PASCHING. Die Gastro-Branche erlebt weiter einen tiefgreifenden Wandel. Während in Einkaufszentren das kulinarische Angebot längst die Rolle des Frequenzbringers übernommen hat, kämpft das klassische Dorfwirtshaus oftmals ums Überleben. Am Land will man mit der persönlichen Note punkten. In der Plus City diskutierten Experten bei einer Podiumsdiskussion über die Zukunftschancen der Branche. 

Diskutierten über die Zukunft in der Gastronomie (von links): Edi Altendorfer, (Netzwerkgruppe, Gastroberater), Markus Aumair (Plus City-Geschäftsführer) und Thomas Mayr-Stockinger, Gasthof-Betreiber (Foto: Steiner)

„Bei uns gibt es kein Gastro-Sterben, ganz im Gegenteil, die Gastronomie ersetzt teilweise schon den Handel“, betonte dabei Plus CIty-Geschäftsführer Markus Aumair - rund 60 Gastro-Betriebe beherbergt das Einkaufszentrum mittlerweile.

Obwohl Einkaufszentrum das falsche Wort sei, die Plus City habe sich zu einem Gesamt-Freizeit-Entertainment-Center entwickelt, so der Geschäftsführer. Mit der Gastronomie als größten Frequenzbringer, „hieß es früher, man braucht einen Lebensmittelmarkt, so übernimmt diese Rolle mittlerweile die Gastronomie“; spricht Aumair über den Wandel. 

„Geht nicht mehr nur ums Einkaufen“

Eine Entwicklung, die man auch im Linzer Einkaufszentrum Linzerie am Taubenmarkt beobachtet. „Das gastronomische Angebot ist heute ein zentraler Erfolgsfaktor für jedes moderne Einkaufszentrum. Es geht längst nicht mehr nur ums Einkaufen – Menschen suchen Erlebnisse, Aufenthaltsqualität und soziale Begegnung“, erklärt Centerleiterin Cora Auzinger gegenüber den Tips. „Der Kunde will Zeit verbringen, keinen Stress, ein bisschen Urlaub im Alltag“, bestätigt auch Aumair. 

Auch im umgebauten Passage setzt man auf kulinarische Angebote. „In der Passage Linz wird auch in der neuen Ära ein vielfältiger Branchenmix angeboten, vom Handel bis hin zur Gastronomie. Klar ist: ohne Gastronomie keine Begegnungen und ein wesentliches Bedürfnis der Gesellschaft wird nicht abgedeckt. Daher halten wir an unseren fünf Gastrobetrieben fest“, setzt auch Centerleiterin Julia Kretz. 

Großes Gästepotenzial

Der große Vorteil für die Gastro-Lokale in den Einkaufszentren: man hat praktisch den gesamten Tag potenzielle Gäste vor der Eingangstüre. Ein Umstand, von denen Wirtshäuser am Land nur träumen können und der ihnen das Leben schwer macht.

Persönlicher Kontakt

Daher müsse das traditionelle Wirtshaus mit dem persönlichen Kontakt punkten, so Ex-Wirtesprecher Thomas Mayr-Stockinger, der selbst ein Gasthaus betreibt. „Ein Landgasthaus ist weit mehr als ein Ort zum Essen. Die Gäste kennen die Kellner und den Wirt, der ist im Ort verankert.“ Man sei zentrale Anlaufstelle im Ort: „Im Gegensatz zu anonymen Einkaufszentren bleibt der Wirt oft die Ansprechperson im Alltag. Das Dorfwirtshaus belebt die Seele des Orts, dort finden die Menschen wieder zusammen.“ Darin bestehe auch der große Unterschied zur Systemgastronomie in den Einkaufstempeln, so Mayr-Stockinger.

Ausbildung und Nachwuchs

Er spricht auch den großen Unterschied bei den Mitarbeitern an. Denn in der Systemgastronomie sind Kellner schnell angelernt, im Landgasthaus braucht es eine lange und umfangreiche Ausbildung. Das müsse man auch bedenken: „Wenn die Dorfwirtshäuser wegsterben, muss man sich auch Gedanken machen, wer künftig die Ausbildung übernimmt“, spricht er auch mögliche Probleme in der Zukunft an. 

Steuerbelastung

Um die flächendeckende Dorfwirtshaus-Szene am Leben zu erhalten, fordert er auch entsprechende Unterstützung durch die Politik. „Von uns Wirten wird erwartet, dass wir faire Löhne zahlen und sie auch erhöhen – das haben wir getan. Aber am Ende rechnet sich das in einem Dorf oft nicht mehr. Da spielt der Faktor Arbeit eine große Rolle. Die Mitarbeiter müssen bezahlt werden, auch wenn das Wirtshaus leer ist.“ Er fordert eine Senkung der Mehrwertsteuer und begründet das auch mit einem Ungleichgewicht: „Viele konsumieren lieber steuerfrei im Verein oder privat zu Hause, anstatt ins Wirtshaus zu gehen. Deshalb denke ich, es ist höchste Zeit, die Mehrwertsteuer zu senken – etwa auf fünf Prozent, so wie es die Deutschen gemacht haben.“  „Weniger Steuereinnahmen sind für den Staat sicher besser als keine, wenn die Gasthäuser zusperren“, so sein Nachsatz.

Fehlende Rentabilität

Ein weiteres Problem am Land ist, dass oftmals Nachfolger für Wirtshäuser am Land fehlen. Gastro-Experte Edi Altendorfer sieht auch klare Gründe dafür: „Die Leerstände am Land entstehen vor allem dadurch, dass die Übergabegeneration – also die Jahrgänge der 1960er – nun in Pension geht. Gleichzeitig aber viele Jüngere nicht mehr bereit sind, den gleichen Einsatz zu bringen, den die ältere Generation über Jahrzehnte gezeigt hat. Dadurch entsteht ein strukturelles Problem: Die Rentabilität vieler Betriebe im ländlichen Raum ist dazu  zunehmend schwierig“, so Altendorfer. 

„Wenn am Ende des Jahres weniger übrig bleibt als in einem unselbstständigen Arbeitsverhältnis, verliert die Selbstständigkeit an Attraktivität. Ein Beispiel: Ein gut laufender Betrieb erzielt einen Nettoumsatz von etwa einer Million – davon bleiben 10 bis 12 Prozent Gewinn, also rund 120.000 Euro. Der Sohn arbeitet hingegen in einem Top-Unternehmen, verdient 3.500 Euro netto im Monat und kommt inklusive Trinkgeld auf etwa 50.000 Euro jährlich. Warum also sollte jemand einen Betrieb übernehmen, wenn nach Abzug von 50 Prozent Einkommensteuer kaum mehr verdient als ein Angestellter? Genau darin liegt die Kernproblematik: die unzureichende Rentabilität“,  bringt er es auf den Punkt. 


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