Das Haus des Lernens der GESA wird das größte strohgedämmte Gebäude Österreichs
ST. PÖLTEN. Die GESA, ein gemeinnütziges Tochterunternehmen des Vereins Wohnen, baut derzeit in der Daniel Gran-Straße ihr „Haus des Lernens“. Dieses bietet Langzeitbeschäftigungslosen nicht nur eine Ausbildung und eine sinnvolle Beschäftigung, sondern setzt mit einem Baustoffanteil aus regenerierbaren Quellen von über 90 Prozent auch ein Zeichen in Richtung Nachhaltigkeit und Ökologie.
Der Baubeginn des Hauses des Lernens war heuer im Jänner. Nach der voraussichtlichen Fertigstellung im März 2018 wird es mit 1236 Quadratmetern Nettonutzfläche das größte mit Stroh gedämmte Gebäude in Österreich sein. Finanziert wird es einerseits durch das AMS NÖ, die Sparkasse NÖ und Crowdfunding sowie zu über zehn Prozent aus Eigenleistungen des Qualifizierungsprojekts.
Arbeitslose bekommen Fachwissen
„Weil sie selbst hier mitarbeiten, erwerben Menschen, die schon länger arbeitslos sind, im Haus des Lernens bestimmte Kompetenzen, die sie dazu befähigen, am Arbeitsmarkt wieder einen Job zu bekommen“, sagt GESA-Geschäftsführer Johann Lechner. Zu diesen zählen neben sozialem Umgang Fachwissen in den Bereichen Bauwesen, Grünraumpflege, Reinigung, Büro, Tischlern sowie Recycling von Computern und Elektrogeräten. Zur Errichtung des Hauses wurde ein eigenes Projekt zur Qualifizierung für den Umgang mit ökologischen Baustoffen gegründet. Nach einem sechsmonatigen Kurs sind die Teilnehmer sechs Monate in Beschäftigung, wo sie das Gelernte gleich umsetzen können.
Nur ökologische Materialien
Das Haus des Lernens ist ein Holzriegelbau, der vor Ort zusammengesetzt wird. Die Außenwände werden mit gepressten Strohballen gedämmt, die händisch in die Holzkonstruktion gedrückt werden. Auf der Außenseite ist eine Holzfaserplatte zur zusätzlichen Dämmung angebracht, innen auf dem Stroh klebt ein Lehmverputz. „Wir wollen keine Materialien aus fossilen Bodenschätzen, daher arbeiten wir fast ausschließlich mit regenerierbaren Rohstoffen aus der Region“, erklärt Lechner.
Natürlicher Kreislauf
Für die Konstruktion wurden 450 Kubikmeter Holz und ungefähr 180 Fichten verbaut. „Wenn das Haus nach 50 Jahren seine maximale Lebensdauer erreicht hat, sind die Bäume wieder nachgewachsen. So ergibt sich ein natürlicher Kreislauf“, sagt Lechner. Das Haus des Lernens soll so ein Musterbeispiel für ökologischen und nachhaltigen Bau abgeben.
Gesundes Raumklima
Das gesunde Raumklima, das sich aus der Verwendung ökologischer Materialen ergibt, ist mit allen Sinnen spürbar. Auch bei der Bodendämmung wurde auf auf Erdöl basierenden Rohstoffen verzichtet. „Der Boden besteht aus aufgeschäumtem Flachglas, das im Ofen bei 800 Grad aufgebacken und dann schnell abgekühlt wird. Daraus entstehen koksartige, leichtgewichtige Brocken, die dämmen, wasserunempfindlich und druckbelastbar sind“, erklärt Architekt Erwin Schwarzmüller.
Österreich hinkt hinterher
Bei all den Vorteilen für die Natur stellt sich die Frage, warum es in Österreich nicht weit mehr ähnliche Bauprojekte gibt. Der Experte für Strohdämmung kritisiert, dass Österreich zwar ab 2002 in der Strohforschung sehr aktiv gewesen sei und es auch geförderte Projekte gegeben habe, man aber in der Umsetzung anderen Ländern hinterher hinke. „Österreich nutzt sein Knowhow nicht. In Frankreich und Deutschland baut man mittlerweile zehngeschossige Gebäude mit Strohdämmung“, meint Schwarzmüller.
Ängste sind unbegründet
Das liege zum einen daran, dass es hierzulande immer noch viele Vorurteile gegenüber dem Bauen mit Stroh gibt (leicht brennbar, Mäuse nisten sich ein), als auch daran, dass Bauherren und Planer lieber auf altbewährte Bauweisen zurückgreifen würden. „Die Praxis zeigt, dass diese Ängste unbegründet sind, denn das verputzte dicht gepresste Stroh hat eine sehr hohe brandhemmende Wirkung und Mäuse kommen nicht ins Stroh, weil es dort keine Körner mehr gibt“, so Schwarzmüller.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden