Zähneputzen für die Seele: gute Gewohnheiten für die Psychohygiene
BRAUNAU. Der Braunauer Psychiater Joachim Arnold stieß mit seinem Buch „Psychohygiene und natürliche Heilkraft“ auf großes Interesse. Im Tips-Interview verrät er, welche guten Gewohnheiten dabei helfen können, das psychische Wohlbefinden zu verbessern.
Tips: Herr Arnold, was verstehen Sie unter Psychohygiene?
Joachim Arnold: Psychohygiene kann gut mit „Zähneputzen für die Seele“ umschrieben werden. Es geht dabei nicht um eine bestimmte Therapie, sondern um ein Gesundheitsverhalten, das – ähnlich wie das tägliche Zähneputzen – wesentlich zu Gesundheit und Wohlbefinden beiträgt.
Die Pflege der psychischen Gesundheit ist ein wichtiger Teil der Gesundheitsvorsorge. Maßnahmen zur Psychohygiene stärken die seelische Gesundheit, beugen Krankheiten vor und unterstützen die Genesung in Krankheitsfällen. Manchmal braucht es medizinische und therapeutische Hilfe, doch es kommt auch sehr darauf an, was man selbst für die eigene Gesundheit macht.
Tips: Was hat Sie dazu bewegt, Ihr Buch zu schreiben?
Arnold: Seit 15 Jahren bin ich als Facharzt in einer Kassenpraxis für Psychiatrie tätig. Meine vorrangige Aufgabe ist es, das Leid durch psychische Erkrankungen zu lindern. Ich mache oft die Erfahrung, dass scheinbar selbstverständliche Dinge, die nicht unmittelbar mit einer therapeutischen Maßnahme zusammenhängen, für den Genesungsverlauf entscheidend sind. Etwa wie effektiv regelmäßige Bewegung, wie bedeutsam Schlaf ist oder wie bei Stress die Regeneration unterstützt werden kann, sind Themen, die ich mit Patienten bespreche.
Gerne empfehle ich auch Ratgeberliteratur, doch zur Psychohygiene war bislang nichts Aktuelles verfügbar. So habe ich mich selbst auf den Weg gemacht und mich als Autor versucht. Mein Anspruch war, das Buch mit fundiertem Hintergrundwissen auszustatten und konkrete Anwendungsfelder und vor allem Motivation zu vermitteln. So ist daraus eine Kombination aus Sachbuch und Ratgeber geworden.
Tips: Sie verweisen im Buch auf einen sibirischen Schamanen, der sagt: „Ich heile nicht die Krankheit, sondern die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt.“
Arnold: Tatsächlich sehe ich den Kontakt mit der Natur als eine äußerst wirksame Möglichkeit, die Seele zu pflegen. Ihre Bedeutung wird oft unterschätzt. Es ist heilsam, wenn sich unsere innere Natur mit der äußeren verbinden kann. Wenn wir achtsam in die Natur eintauchen, kommen die Natur um uns und die Natur in uns in Resonanz und wir können uns in unserer Ganzheitlichkeit spüren. Zugleich erleben wir, dass wir in etwas Größeres eingebunden sind. „Waldbaden“ als Übersetzung eines japanischen Worts (Shinrin-Yoku) für das Verweilen in natürlicher Umgebung bringt das schön zum Ausdruck.
Tips: Den Jänner nutzen viele, um gute Vorsätze umzusetzen. Was könnte man in puncto Psychohygiene in den Alltag integrieren?
Arnold: Wenn wir uns prinzipiell für etwas entschlossen haben, brauchen wir uns nicht jeden Tag neu dazu entscheiden. Das ist der Vorteil von Vorsätzen. Nun ist jede Lebenssituation anders, deshalb können simple Ratschläge an der jeweiligen Realität vorbeigehen. Dennoch würde ich allgemein drei Punkte empfehlen, die man sich gleichsam als Rezept für das tägliche „Zähneputzen für die Seele“ auf den Badezimmerspiegel heften könnte: Kontakt mit der Natur, zur Ruhe kommen und soziale Beziehungen pflegen.
Tips: Was kann dabei helfen, die guten Vorsätze umzusetzen?
Arnold: Die beste Motivation ist, wenn Sinn in etwas gesehen wird und Auswirkungen unmittelbar zu spüren sind. Das wesentliche Merkmal einer psychohygienischen Maßnahme ist, dass sie mit einem angenehmen Gefühl einhergeht. Dieses zeigt uns an, dass wir uns in der Spur der Regeneration befinden. Und unser regeneratives Potenzial ist nichts anderes als unsere natürliche Heilkraft.
Tips: Gibt es im Winter Besonderes zu beachten?
Arnold: Die kühlere und dunklere Jahreszeit geht manchmal mit Verstimmungszuständen einher. Der behagliche Rückzug in die eigenen vier Wände kann helfen, leichter zur Ruhe und damit auch zu sich zu kommen.
Tips: Ist das Waldbaden auch im Winter empfehlenswert?
Arnold: Ja, sicherlich. Die Natur hat auch im Winter ihren Reiz und verbindet uns mit übergeordneten Zyklen.
Tips: In der neuen Auflage kam ein Kapitel zur Ernährung hinzu. Was möchten Sie Ihren Lesern hier besonders auf den Weg geben?
Arnold: Ebenso wichtig wie die Qualität der Nahrung ist die Qualität des Sich-Ernährens. Ernährung sollte nicht bloß auf die Zufuhr von Nährstoffen reduziert werden, sondern ist auch ein sinnliches Erlebnis, idealerweise mit einer schönen sozialen Komponente. Genießen weckt Lebensfreude.
Tips: Was ist in Zukunft geplant?
Arnold: Das Thema Sinn beschäftigt mich schon sehr lange, auch im therapeutischen Kontext. Im Psychohygiene-Buch ist ihm ein Kapitel gewidmet. Ich kann mir vorstellen, hier den Faden noch weiter zu spinnen, sodass daraus ein eigenes Buch wird.
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20.01.2024 14:44
Brauchbare Lebenshilfe viel besser als Psychopharmaka
Ich finde es gut, dass ein Psychiater brauchbare Vorschläge zur Lebensführung liefert. Daran könnten sich einige seiner Berufskollegen, die nur Psychopharmaka kennen, ein Beispiel nehmen.