„Achtsame Ernährung hat nichts mit Kalorienzählen zu tun“
BEZIRK MELK. Am 6. März ist es wieder so weit. Die Fastenzeit beginnt. Viele Menschen wollen diese Zeit – oft unabhängig von religiösen Motiven – mit guten Ernährungsvorsätzen bestreiten. Christa Rameder, sie war vor rund zehn Jahren im Landesklinikum Melk als Diätologin tätig und leitet heute den Bereich „Gemeinde“ der Initiative „Tut gut!“, plädiert für achtsames Essen. Es soll nachhaltig zu einer gesünderen Ernährungsweise führen. Am 13. Februar hält sie dazu einen Vortrag in Emmersdorf. Was es mit „Ernährung und Achtsamkeit“ auf sich hat, erklärt sie im Tips-Interview.
Tips: „Ernährung und Achtsamkeit“, lautet der Titel Ihres Vortrages. Was heißt Achtsamkeit in diesem Kontext – hat achtsames Essen etwas mit Verzicht oder Kontrolle zu tun?
Christa Rameder: Achtsamkeit bedeutet, das, was in uns selbst und außerhalb – in unserer Umgebung – geschieht, bewusst wahrzunehmen, ohne es zu bewerten und ohne es zu beurteilen. Achtsames Essen ist eine spezielle Art der Aufmerksamkeit und des bewussten Essens. Es hat weder mit Kalorienzählen noch mit Kontrolle des Essens zu tun. Vielmehr geht es darum, sich selbst beim Essen zu beobachten und wahrzunehmen. Zahlreiche Methoden zur Änderung unseres Essverhaltens – wie etwa Diäten – versuchen, einen Wandel von außen zu bewirken und dies kann auch funktionieren. Wesentlich nachhaltiger ist jedoch, einen Wandel von innen zu bewirken, so wie es die Achtsamkeit mit sich bringt. Regelmäßig praktiziert, führt achtsames Essen zu einer gesünderen Ernährungsweise. Wir werden uns unserer unbewussten Aspekte rund um das Essverhalten bewusst, lernen, Hunger- und Sättigungsgefühl wieder deutlich wahrzunehmen und lassen uns bei der Nahrungsaufnahme von diesen Körpersignalen leiten.
Tips: Wie wird man achtsamer? Gibt es Dinge, die uns unachtsam machen?
C. R.: Achtsamkeit kann durch verschiedene Übungen erlernt werden. Diese trainieren, das Essen mit allen Sinnen wahrzunehmen und dadurch den Genuss beim Essen erfahrbar zu machen. Wir gelangen in direkten Kontakt mit unseren Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen. In Zeiten von Informationsflut und Multitasking, in denen der Genuss beim Essen kaum wahrgenommen werden kann, ist dies besonders wichtig. Achtloses Essen ist durch unsere schnelllebige Zeit allgegenwärtig. Wenn wir während der Mahlzeit durch das Handy, Computer oder Zeitung abgelenkt sind, kann dies dazu führen, dass wir nach der Mahlzeit nicht das Gefühl haben, satt zu sein. Ablenkung kann demnach zu einem Überessen führen, vor allem dann, wenn negative Gefühle präsent sind.
Tips: Oft halten gute Vorsätze nicht lange. Wie bleibt man achtsam?
C. R.: Mit der Achtsamkeit verhält es sich wie mit dem Erlernen eines Musikinstruments. Man kann Musik gut finden, alles darüber wissen und trotzdem ist man noch nicht in der Lage, selbst zu musizieren. Achtsames Essen lässt sich nur durch regelmäßiges Üben etablieren. Es bedarf der ganzheitlichen Erfahrung, um zur vollen Potenzialentfaltung zu gelangen und um dauerhaft mehr Gelassenheit und ein positives Körpergefühl wahrnehmen zu können. Empfohlen wird, mit kleinen Schritten zu beginnen und zunächst kürzere, aber dennoch regelmäßig angewandte Achtsamkeitsübungen zu praktizieren.
Tips: Der letzte Ernährungsbericht zeigt, dass in Österreich deutlich weniger an Obst und Gemüse verzehrt wird, als die österreichische Ernährungspyramide empfiehlt. Demgegenüber steht ein zu hoher Konsum an Fleisch- und Wurstwaren, aber auch an Süßigkeiten, Mehlspeisen und Limonaden. Warum fällt es Menschen wider besseres Wissen schwer, den Griff zum gesünderen Lebensmittel zu machen und warum essen wir trotz Sattheit oft weiter?
C. R.: Vielen sind die Ernährungsempfehlungen darüber, was gesund oder ungesund ist, bekannt. Gerade in stressigen Situationen können bestimmte Gefühle jedoch nicht richtig wahrgenommen und mit Hunger verwechselt werden. In unserem Gehirn dominieren dann emotionale Zentren, die auf „Überlebensmodus“ schalten und zu unbewussten Reaktionen führen. Neben der verstärkten Ausprägung nach Nahrungssuche fällt nun die Wahl auf eher fett- und zuckerhaltige Nahrungsmittel, da diese im Laufe der Evolution die Überlebenschancen verbesserten. Essen beeinflusst unseren emotionalen Zustand und umgekehrt wirken sich Emotionen auf unser Essverhalten aus. Wenn die Nahrungsaufnahme einer Belohnung, Ablenkung oder Entspannung gleicht, ist nicht das Essen per se wichtig, sondern das Gefühl, das es uns vermittelt.
Tips: Haben Sie als Diätologin drei konkrete Tipps oder Tricks für eine achtsame Ernährung?
C. R.: Um zu erkennen, welche Situationen oder Emotionen es sind, die beispielsweise ein Frustessen auslösen, eignet sich zunächst das Führen eines Ernährungstagebuchs.
Empfehlenswert ist, die Mahlzeit in einer ruhigen Umgebung und ohne Ablenkung zu sich zu nehmen. Dem Essen soll die volle Aufmerksamkeit geschenkt werden, sodass es mit allen Sinnen erforscht werden kann. Langsames Essen hilft, die ersten Sättigungsgefühle wahrzunehmen und schließlich bewusst die Entscheidung zu treffen, die Mahlzeit zu beenden.
Hilfreich ist zudem, einmal pro Woche eine Mahlzeit schweigend einzunehmen.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden