30 Jahre Mühlviertler Alm: Den Funken der Begeisterung weitertragen
MÜHLVIERTLER ALM. Ganzheitliche Regionalentwicklung heißt das Werkzeug, das die Mühlviertler Alm in den vergangenen 30 Jahren von einem benachteiligten Gebiet in einer Randlage des Bundeslandes zur Vorbild-Region werden ließ. Ein Rückblick und ein Ausblick zum 30-jährigen Gründungsjubiläum.
Strukturelle Nachteile, schlechte Verkehrsverbindungen, beträchtliche Höhenlage – mit diesen Nachteilen mussten die Bewohner des damaligen Gerichtsbezirks Freistadt zurechtkommen. Im Sommer 1992 reifte bei den Verantwortlichen in den Gemeinden die Überzeugung, dass etwas getan werden müsse, um die Situation von einer „Ungunstlage“ zum Besseren zu wenden. Doch ein gemeinsamer touristischer Auftritt, wie zunächst angedacht, war zu wenig, um der Region jene Wertschöpfung zu verschaffen, die sie zur Existenzsicherung und zur Anhebung des Lebensstandards brauchte. Am 6. Juli 1993 wurde die Mühlviertler Alm mit acht Mitgliedsgemeinden aus der Taufe gehoben. „Die damals sehr aktiven Jungbauern unter Josef Mühlbachler aus Liebenau, unterstützt von Johann Hahn von der Bezirksbauernkammer, waren unter den Zugpferden für die Gründung des Regionalverbands“, erinnert sich Gründungsobmann Johann Gradl, damals Bürgermeister von Schönau. Er sieht die Wurzeln der Mühlviertler Alm auch in der Konferenz der acht Bürgermeister der Gemeinden des Gerichtsbezirks Unterweißenbach. „Zu acht sind wir einmal beim damaligen Landesrat Winetzhammer aufmarschiert und haben Geld für unsere Güterwege gefordert - das hatte Gewicht“, erinnert er sich schmunzelnd. Warum er sich so in der Regionalentwicklung engagiert hat, beantwortet Gradl ohne langes Nachdenken: „Ich wollte einen Beitrag dazu leisten, dass alle Bürger mit ihrem Leben zufrieden sind.“
Markenbildung hat gedauert
Als Almbauern wollten die Landwirte auf ihre schwierigen Arbeitsbedingungen in bis zu 1000 Metern Seehöhe aufmerksam machen. „Alm“ war das Synonym dafür, was nicht überall gleich auf Verständnis stieß. Bis den Bewohnern der Region klar war, dass 'Mühlviertler Alm' ein Regionsname ist, dauerte es Jahre. Marketingberater Walter Pötsch war das bewusst. Gradl: „Er hat immer gesagt, der Begriff muss wachsen, bis alle draufkommen, dass es der beste Name ist. Bei der Zehn-Jahres-Feier habe ich endlich das Gefühl gehabt, dass wir den Begriff Alm nicht mehr erklären müssen. Die Markenbildung war gelungen.“ Ein weiterer wichtiger Schritt zur positiven Entwicklung der Regionsidentität war der Zusammenschluss der Raiffeisenbanken zur Raiffeisenbank Mühlviertler Alm. Heute tragen viele Zusammenschlüsse und Vereine das Wort Alm in ihrem Namen. „Das sind schöne Belege, dass die Regionalentwicklung bei den Menschen angekommen ist“, betont Gradl.
1995 erstmals um Leader-Förderung beworben
Schon 1995 bewarb sich die Mühlviertler Alm erstmals um das Leader-Programm der Europäischen Union, um für die ganzheitliche Regionalentwicklung über ein geeignetes Förderinstrument zu verfügen. Ab 1. Juli 2023 geht die Mühlviertler Alm bereits in die fünfte Leader-Periode. „Seither haben wir, auch mit anderen Förderprogrammen, unzählige Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft, Tourismus, Bildung, Kultur, Soziales und Jugend umgesetzt“, sagt Regionsobmann Johann Holzmann, Bürgermeister a. D. aus Königswiesen.
Man könnte meinen, die Alm ist selbstverständlich geworden. „Im Rückblick gibt uns der Erfolg Recht, aber selbstverständlich ist gar nichts!“, betonen Gradl und Holzmann unisono. Damit alle Rädchen der Regionalentwicklung ineinander greifen, sind viele Beschlüsse, Aktivitäten und noch mehr ehrenamtliches Engagement nötig. „Es braucht zum einen die Bereitschaft und Beschlüsse der Gemeinderäte, den Regionalverband zu unterstützen. Unsere mittlerweile zehn Almgemeinden bringen jährlich 100.000 Euro Mitgliedsbeitrag ein und entsenden Mitglieder in diverse Gremien des Regionalverbands“, erklärt Johann Holzmann. Gradl rechnet den Gemeinden das sehr hoch an: „Es ist ja fast keiner mehr aus der Gründerzeit in den Gemeinderäten dabei, und trotzdem werden unsere Gründungsvisionen weitergetragen.“
Auch Rückschläge hat es in den vergangenen 30 Jahren gegeben. Johann Holzmann erinnert sich vor allem an die Schließung der Molkerei in Königswiesen, die einem regionalen Erdbeben gleichkam. „Österreichs größter Buttereibetrieb, größter Arbeitgeber und Identifikationsort für die Bauern, hat quasi über Nacht zugesperrt - wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um rasch wieder eine Nutzung für das Gebäude zu finden.“ Mit dem Wirtschaftsimpulszentrum Königswiesen ist dies gelungen, es entwickelte sich zu einem Leitprojekt der Region. „Dank der regionalen Zusammenarbeit haben wir diese Krise bewältigt“, ist Holzmann überzeugt.
Schwierigkeit: Kleine Strukturen
Probleme bereiten heute vor allem die kleinen Strukturen der Region. Mit nur 17.800 Einwohnern auf 456 Quadratkilometern in zehn Mitgliedsgemeinden ist allein schon der Personalstand im Almbüro in Unterweißenbach nur mit Mühe und Kreativität aufrecht zu erhalten. „Da braucht es viel Commitment (Anm. d. Red.: Identifikation und Bindung) der Gemeinden mit der Mühlviertler Alm“, sagt Geschäftsführerin und Leader-Managerin Renate Fürst. Dass der Zusammenhalt im Regionalverband stimmt, beweisen die Fakten eindrucksvoll : Dem Vorstand gehören derzeit 27 Vertreter aus den zehn Mitgliedsgemeinden und aus Organsationen wie dem Tourismusverband Mühlviertler Alm Freistadt, den Mühlviertler Alm Bauern, dem Reitverband Mühlviertler Alm, der Jugendtankstelle und den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Soziales an.
30 Jahre Regionalentwicklung in Zahlen
30 Jahre Regionalentwicklung in Zahlen bedeutet 350 umgesetzte Projekte mit einem Volumen von 30 Millionen Euro, die 16 Millionen Euro Förderungen in die Region gespült haben. „Mit Selbstverantwortung für unseren Lebensraum haben wir einen gewissen Wohlstand geschaffen. Jetzt sind wir in der nächsten Generation der Regionalentwicklung, der Gedanke wird von den jungen Bürgermeistern weitergetragen“, verweist Obmann Holzmann auf die Stärke der Region. Für Johann Gradl ist es wichtig, dass der Funke der Begeisterung auf diese nächste Generation überspringt. „Mit dem Projekt Tu Was ist uns das gelungen, das kennen auch die Jungen. Und wir haben dabei gelernt, wie wichtig kleine Projekte sind und was daraus Gutes entstehen kann.“
Für die Zukunft haben sich die Regionsverantwortlichen vorgenommen, Antworten auf brennende Fragen wie etwa die Folgen des Klimawandels oder das Langzeitthema Abwanderung zu finden. Der Fokus in der Leader-Förderperiode ab Juli liegt daher auf der demografischen Entwicklung der Region.
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