Vor 50 Jahren: das Ende der Gmundner Kalkindustrie
GMUNDEN. Mit der Sprengung der beiden Kalköfen beim heutigen Umkehrplatz am Ende der Traunsteinstraße endete vor genau 50 Jahren, am 21. Jänner 1971, ein bedeutendes Kapitel Gmundner Wirtschafts- und Industriegeschichte, das am Seeufer seine Spuren hinterlassen hat. K-Hof-Direktor Johannes Weidinger und seine Vorgängerin Ingrid Spitzbart schildern die Geschichte in der Fachzeitschrift „res montanarum“. Hier eine Zusammenfassung ihres Essays.
Für das Bauwesen war Kalk aus der Nähe seit jeher unverzichtbar. Die Westwände des Traunsteins und des kleines Schönbergs mit ihren Geröllhalden stellten ein natürliches Rohmaterial-Reservoire dar, das zunächst unerschöpflich schien und weidlich genutzt wurde. Eine Quelle aus dem Jahr 1827 zählt fünf Kalkbrenner auf, die mehrere Abbaustellen am Seeufer nutzten. In der Eisenau wurde abgebaut, bei der Einmündung des Rötelseebaches stand ein Kalkofen, und in Gmunden betrieb der „Kalchsimmerl“ (Simon Steinkogler) beim „Lenzlmann-Haus“ eine Kalkbrennerei, der das k.k. Bezirksamt 1855 den Bau eines weiteren Kalkofens gestattete.
Kalkschiff gehörte zum Wochenmarkt
Die Branche entwickelt sich blendend, als August Staininger 1863 diesen Betrieb übernimmt und seinen „echten Traunsteiner Kalk“ auch geschickt vermarktet. Es ist üblich, dass dienstags beim Gmundner Wochenmarkt ein großes Kalkschiff am Rathausplatz anlegt.Klingende Namen aus der Folgezeit sind neben den Stainingers die Familien Orlando und jene des DDSG-Kapitäns Franz Zehden. Die Kalkerzeugung floriert noch bis zum 2. Weltkrieg unter wechselnden Besitzern und Geschäftsführern. Von 1924 bis 1937 ist sie im Besitz einer Aktiengesellschaft, die der legendäre Bürgermeister und Chronist Ferdinand Krackowizer mitbegründet. In der Endphase ab 1959 gehören die Gmundner Kalkwerke der Franz Mayr-Melnhof AG, die sie Ende April 1969 stilllegen muss.
Weite Transport wurde unwirtschaftlich
Der Standort hatte sich längerfristig als untauglich erwiesen. Das Gestein aus den Schutthalden ging zur Neige, seine chemische Qualität war schlecht, und die langen Transportwege übers Wasser wurden zu teuer. Man bedenke: Das Gestein musste vom Steinbruch „Äußere Eisenau“ drei Kilometer zu den Öfen und der fertige Kalk fünf Kilometer bis zur Verladestelle am Seebahnhof verschifft werden. Im Wettbewerb mit Konkurrenz-Kalk, der direkt bei Steinbrüchen gebrannt wurde und den die Salzkammergut-Bahn transportierte, zog der Gmundner Kalk den Kürzeren.
Steinbruch bei der „Ansetz“ vereitelt
Bei der Rohstoffbeschaffung drehte die Naturschutzbehörde den Gmundnern den Hahn zu. Es drohte eine Zerstörung der fjordartigen, urtümlichen Uferlandschaft am Südende des Sees. Die Behörde verbot die gewünschte Ausweitung des Steinbruches in der Eisenau und auch einen gewünschten neuen Steinbruch bei der malerisch gelegenen Ansetz am Miesweg – aus heutiger Sicht eine wichtige und richtige Entscheidung, denn die Fortführung der lokalen Kalkindustrie hätte eine Verwüstung eines der schönsten Seeufer Österreichs bedeutet.
Bereits in den 1950er-Jahren begann die Wiederbegrünung der Schutthalden über dem Umkehrplatz, denn dort hatte die verwundete Natur bereits mit einem verheerenden Murenabgang zurückgeschlagen. Heute stehen Föhren auf den verwilderten Dämmen.
Inspiration für Bernhard und Ransmayr
Es dürfte ihre spezielle Ausstrahlung des Ruinösen und Bedrohlichen gewesen sein, die dazu führte, dass die Gmundner Steinbrüche und Kalköfen in die Weltliteratur gelangten. Thomas Bernhard siedelte seinen Roman „Das Kalkwerk“ (1970) dort an. Und Christoph Ransmayr baute die Steinbrüche ins düstere Ambiente seines Romanes „Morbus Kitahara“ ein.
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