SALZKAMMERGUT. Der traditionelle Vogelfang im Salzkammergut sorgt seit Jahren für Diskussionen. Während Anhänger die jahrhundertealte Praxis als wichtiges Kulturgut verteidigen, kritisieren Tierschützer den Fang und die Haltung der Singvögel als nicht zeitgemäß und grausam. Der Konflikt wirft Fragen nach Tradition, Artenschutz und Ethik auf.
Im Salzkammergut, speziell in Teilen der Bezirke Gmunden, Vöcklabruck und Wels-Land, hat der Vogelfang eine lange Geschichte. Er wird als kulturelles Erbe angesehen, das tief in der Region verwurzelt ist. Bereits in stockdunkler Nacht brechen die Vogelfänger auf, um in den Bergen ihre Fangplätze zu erreichen. Hier verwenden sie sogenannte Netzkloben – feinmaschige Netzfallen, die sich über den Vogel schließen, wenn dieser den Mechanismus auslöst. Laut Befürwortern ermöglicht diese Methode einen verletzungsfreien und schonenden Fang.
Gejagt werden ausschließlich vier Vogelarten: der Gimpel, der Stieglitz, der Erlenzeisig und der Fichtenkreuzschnabel. Letzterer gilt als besonders begehrt und wird von den Vogelfängern als „Königsklasse“ bezeichnet. Anders als beim Vogelfang im Mittelmeerraum steht im Salzkammergut nicht der massenhafte Fang im Vordergrund. Ziel ist es, pro Gattung den schönsten Vogel zu fangen und bei den traditionellen Ausstellungen zu präsentieren. Die Fangzeit ist streng geregelt und beginnt jedes Jahr am 15. September. Sie endet eine Woche vor dem ersten Adventwochenende. Nach der Überwinterung in geräumigen Volieren, die gesetzlichen Mindestmaßen entsprechen müssen, werden die Vögel spätestens am 10. April des Folgejahres wieder in die Natur entlassen.
Kulturgut im Salzkammergut
Die Vogelfreunde aus dem Salzkammergut betonen, dass es beim Vogelfang weder um wirtschaftliche Interessen noch um Tierquälerei geht. Wolfgang Engl, stellvertretender Obmann des Salzkammergut Verbandes der Vogelfreunde, erklärt: „Der Vogelfang ist eine gelebte Tradition, die wir verantwortungsvoll ausüben.“ Jeder Vogelfänger benötigt eine Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft und darf keine Konflikte mit Tier- und Naturschutzgesetzen haben. Außerdem gelten strenge Auflagen für die Haltung und Pflege der Vögel.
Die Volieren, in denen die Vögel gehalten werden, sind dem natürlichen Lebensraum nachempfunden und mit Bäumen ausgestattet. Die Tiere erhalten eine spezifische und artgerechte Ernährung, die von frischen Sämereien bis hin zu speziellen Vorräten wie Fichten- oder Lärchenzapfen reicht. Ein Vogelfänger legt dabei Vorräte für mehrere Jahre an. Laut Engl steht der Vogelfang im Salzkammergut für Respekt vor der Natur und sei nicht mit der Ausbeutung in anderen Regionen Europas vergleichbar. „Es geht darum, die schönsten Exemplare zu finden und diese bei den Ausstellungen zu präsentieren. Das ist kein Eingriff in den Bestand, sondern eine Hommage an die Schönheit der Vögel, und heutzutage auch eine große Möglichkeit, unserer Jugend die Verbundenheit und Achtung der Natur zu vermitteln“, so Engl weiter. Bei den Ausstellungen, die jährlich am ersten Adventwochenende stattfinden, werden die Vögel von Preisrichtern nach Farbe und Erscheinungsbild bewertet.
Tierleid und Bedenken
Auf der anderen Seite kritisieren Tierschützer wie Martin Balluch den Vogelfang scharf. Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken und einer der bekanntesten Tierschützer Österreichs, sieht in der Praxis eine unnötige Quälerei. „Die Vögel erleiden beim Fangen Todesangst. Sie leiden für nichts, nur weil es Tradition ist“, betont er. Besonders das Transportieren der Tiere in Rucksäcken sei gesetzeswidrig und zeuge von mangelndem Respekt gegenüber den Tieren.
Der Verein gegen Tierfabriken fordert ein generelles Verbot des Vogelfangs. Balluch verweist darauf, dass der Fang mit Netzkloben zwar als schonend dargestellt wird, die Vögel jedoch einem erheblichen Stress ausgesetzt seien. Die Praxis stehe im Widerspruch zu modernen Tierschutzstandards. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Tiere für eine vermeintliche Tradition leiden müssen“, so Balluch.
Auch die Bedingungen, unter denen die Vögel gehalten werden, stoßen auf Kritik. Obwohl die Volieren gesetzliche Mindestmaße einhalten, bleibe es fraglich, ob ein Käfig jemals einem natürlichen Lebensraum gerecht werden könne. „Das Einfangen, die Haltung und das Präsentieren der Tiere bei Ausstellungen sind Eingriffe, die für die Vögel keinen Nutzen haben, sondern einzig dem Ego der Fänger dienen“, sagt Balluch.
Die Debatte bleibt
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Vogelfang sind in Österreich streng. Nur Personen mit entsprechender Genehmigung dürfen den Vogelfang ausüben. Trotz der strengen Auflagen bleibt die Debatte um den Vogelfang emotional und kontrovers. Für die Befürworter steht die Bewahrung eines jahrhundertealten Kulturguts im Vordergrund. Kritiker hingegen sehen darin einen Rückschritt in Sachen Tierschutz. Beide Seiten eint jedoch die Erkenntnis, dass der Vogelfang weit über das Salzkammergut hinaus polarisiert.
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