Bio-Bauer stellt das Thema Regionalität in Frage und fordert politischen Willen
GRIESKIRCHEN. Regionalität gewinnt gerade in Zeiten der Corona-Krise wieder mehr an Bedeutung. Um“s Eck einkaufen, die heimische Wirtschaft stärken und die Wertschöpfung in Österreich erhöhen – soweit die Theorie. Ob in der Region einkaufen immer Regionalität bedeutet, diese Frage wirft Bio-Bauer und Landwirtschaftskammerrat Alois Ganglmayr aus Grieskirchen auf. Er kritisiert er den Preiskampf mit ausländischen Produzenten und den geringen Willen der Politik an dieser Situation etwas zu ändern.
Tips: Regionalität ist aktuell in aller Munde - wie beurteilen Sie als Landwirt die Situation?
Alois Ganglmayr: Regionalität hört sich schön an. Wenn es heißt, „Kauf in der Region“ bin ich mir aber nicht sicher, ob das auch gleichzeitig Regionalität bedeutet.
Sondern?
Meiner Meinung nach ist es oft schwer von Regionalität sprechen zu können. In OÖ liegt das Holz vom Winter und teilweise den Sturmschäden aufgearbeitet im Wald, dafür kommt tschechische Importware ins Land. Das drückt den Preis und die Qualität leidet. Österreichische Sägewerke kaufen das tschechische Holz und die Konsumenten wiederum beim Sägewerk. Ob das Regionalität ist, ist fraglich. Da wir Landwirte es nicht im Wald liegenlassen dürfen, kommt es zu einem großen Preisverfall. Mehr als fünf Millionen Festmeter wurden importiert, in OÖ hatten wir letztes Jahr 1,1 Millionen Meter Schadholz – im Vergleich.
Was bedeutet so viel Schadholz für die Landwirte?
Wir als Waldbesitzer sind verpflichtet Schadholz von der Fichte aufzuarbeiten, für uns gibt es eine gesetzliche Vorgabe. Es ist nicht so wie bei anderen Betrieben, die einen Geschäftszweig einfach einstellen können, wenn dieser nicht mehr rentabel ist. Das ist in der Landwirtschaft anders – speziell beim Holz. Für mich ist besorgniserregend, dass Landesrat Max Hiegelsberger gesagt hat, dass ein Importverbot aufgrund des freien Marktes nicht möglich sei und der Konsens zwischen Waldbesitzer und Sägeindustrie sehr gut ist.
Was bedeutet für Sie Regionalität?
Kritisch angemerkt, auch bei der eigenen Berufsgruppe: Nur weil bei bäuerlichen Familienbetrieben im Gemüse- und Erdbeerbau die Produkte am eigenen Feld wachsen, sie aber gleichzeitig viele Arbeiter von Billiglohnländern haben – ist es dann noch Regionalität? Früher hat man mit kleinen Flächen bei Sonderkulturen arbeitstechnisch alles bewerkstelligen können. Diese Betriebe wurden durch die Globalisierung zur Aufgabe gezwungen und andere haben ihre Flächen erweitern müssen. Natürlich ist dann die Problematik, dass man die Arbeit mit den familieneigenen Kräften nicht mehr bewerkstelligen kann. Durch die Internationalisierung des Preisgefüges braucht man Arbeitskräfte von Billiglohnländern. Die Frage stellt sich: Die Politik in Österreich redet von Familienbetrieben, die aber 15 bis 20 Arbeiter aus Ostereuropa haben. Wir haben durch die Corona-Krise Probleme bei der Arbeitsbewältigung, speziell bei landwirtschaftlichen Spezialkulturen, oder sogar bei Schlachthöfen, aber auf der anderen Seite viele österreichische Arbeitslose.
Wie sehen Sie mit Ihrem Betrieb das Thema Regionalität?
Ich bin seit 17 Jahren Biobauer und auch im Immobilienbereich tätig. Mir wird oft vorgeworfen, dass ich landwirtschaftliche Nutzflächen versiegle. Das stimmt, aber das ist der Verringerung des Einkommens geschuldet, das durch den EU-Beitritt passierte. Man sucht sich andere Standbeine und nutzt solche Chancen. Bei normalem Einkommen wie vor EU-Beitritt hätten wir uns keinen Lebensmittelkonzern vor die Haustüre gesetzt.
Mit welchen Problemen hat die Landwirtschaft aktuell zu kämpfen?
Als Biobauer ist man bei den Leuten sehr angesehen. Allerdings spüren wir das auch bei den Preisen. Nachdem geworben wird, dass alle Landwirte auf Bio umsteigen sollen, sind auch viele umgestiegen. Jetzt passiert eines: Die Situation von Angebot und Nachfrage stimmt nicht mehr. Die Preise für Mais oder Getreide kommen fast an den konventionellen Preis heran. Wo ich für Bio Speiseroggen früher für eine Tonne 300 Euro bekam, bekomme ich heute 188 Euro. Der konventionelle Preis liegt bei 160 Euro. Wenn das so weitergeht, bin ich nicht mehr bereit Bio zu machen.
Glauben Sie, kommt es durch Corona zu einem Umdenken bei den Konsumenten?
Nicht alle können es sich leisten, nur Bio und Produkte, die ihren Ursprung in Österreich haben, zu kaufen. Wobei ich glaube, dass das nicht die Mehrheit ist. Eventuell müssten dafür bei teuren Events und Freizeitbeschäftigungen Abstriche gemacht werden, was viele Menschen gar nicht wollen.
Was kann der Einzelne tun, um Regionalität zu gewährleisten?
Der Einzelne kann es nur teilweise steuern. Es muss der politische Wille da sein und die Ausgaben für Grundnahrungsmittel müssten sich vom durchschnittlichen Einkommen auf 30 % erhöhen, um nicht so eine anfällige Wirtschaftssituation zu haben. Jedoch würde alles andere darunter leiden, obwohl wir es jetzt auch sehen: In der Krise müssen wir nicht fliegen, brauchen keine neue Frühjahrsmode, nur teilweise den Friseur und auch kein Wirtshaus. Die Frage ist: Wie definiert sich Wohlstand? Gemütlichkeit, weniger Stress und leere Straßen können auch Wohlstand bedeuten.
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