In wenigen Jahren werden in der Region viele Hausärzte fehlen
KEMATEN/YBBS. Christian Hinterdorfer ist Hausarzt in Allhartsberg und in Kematen/Ybbs. Er warnt vor einem eklatanten Hausärztemangel in wenigen Jahren und ortet Unwillen auf Seiten der Politik
KEMATEN/YBBS. Christian Hinterdorfers Hauptpraxis befindet sich in Allhartsberg. An zwei Tagen in der Woche arbeitet er in seiner Praxis in Kematen. Insgesamt betreut Christian Hinterdorfer 1800 bis 1900 Patienten pro Quartal. An starken Tagen – etwa im Zuge der Grippewelle – kommen bis zu 250 Patienten. Hinterdorfer: „An solchen Tagen arbeite ich 13 Stunden durch und kann mir keine Pause gönnen.“
Doch diese Patientendichte wird sich drastisch erhöhen, wenn der zweite Arzt in Kematen in Pension geht. Spätestens in fünf Jahren wird es laut Christian Hinterdorfer in der ganzen Region Amstetten einen großen Mangel an Hausärzten geben. Und das hat mehrere Gründe.
Ungünstige Vorauswahl
Bereits vor Beginn des Medizin-Studiums geschieht durch die Eignungsprüfung eine Selektion, die Hinterdorfer sehr kritisch beurteilt: Bei der Multiple-Choice-Prüfung würden Anwärter mit wissenschaftlich-wirtschaftlichen Neigungen bevorzugt, die eine Facharztkarriere anstreben. Für Allgemeinmedizin wären aber empathische Menschen besser geeignet.
Wechsel sehr schwer
Hat ein Mediziner heute eine Facharztlaufbahn begonnen, ist es sehr schwer, zur Allgemeinmedizin zu wechseln. Zu Hinterdorfers Zeit war das noch leichter möglich. „Ich habe als Facharzt für Unfallchirurgie begonnen und bin dann Allgemeinmediziner geworden.“ Das dazu nötige Wissen und die Erfahrung hat Hinterdorfer gesammelt, indem er sehr oft die Vertretung für Allgemeinmediziner übernommen hat.Will heute ein Facharzt zur Allgemeinmedizin wechseln, braucht er eine mehrjährige Ausbildung.
Entlohnung von Allgemeinmedizinern
Ein weiterer Aspekt ist die Entlohnung von Allgemeinmedizinern. Das Leistungshonorar für etwa für Laborarbeiten durch die Krankenkassen sinkt jedes Jahr und soll nun nochmal um 20 Prozent gesenkt werden. Die Pauschalen, die ein Hausarzt für sogenannten 12er-Patienten bekommt, – das sind Patienten, die der Arzt persönlich behandelt oder berät – sind eher bescheiden.
„Obwohl ich 1800 bis 1900 Patienten pro Quartal habe, erziele ich 50 Prozent meiner Einnahmen über die Hausapotheke“, erklärt Hinterdorfer und wünscht sich ein erweitertes Dispensierrecht, also das Recht, Arzneimittel wie zum Beispiel Schmerztabletten zu verabreichen, für alle Ärzte. Ärzten ohne Hausapotheke ist eine Arzneimittelabgabe nur erlaubt, wenn das Medikament, wie etwa eine Infusion, direkt in der Ordination verabreicht wird.
Geringe Zeit-Ressource
Ein weiterer Faktor ist die Arbeitszeit. In einem Krankenhaus darf ein Arzt derzeit „nur“ 72 Wochenstunden arbeiten – mit fix vorgeschriebenen Ruhezeiten. Hinterdorfer: „Wir Allgemeinmediziner dürfen 25 Stunden pro Tag arbeiten.“ Derzeit kommt er auf 60 Wochenstunden. Zu diesen Zeiten kommen noch die vorgeschriebenen Weiterbildungen hinzu, die Ärzte selbst bezahlen müssen. Diese Weiterbildungen sind für Hinterdorfer sehr wichtig, denn in der Medizin tut sich ständig Neues und da gilt es, den Anschluss nicht zu verpassen. „Ich bin ein Famlienmensch und habe vier Kinder. Die bekommen mich zu wenig zu sehen, wenn ich nach einem 13-Stunden-Tag nach Hause komme und dann noch zu einer Weiterbildung fahre, um frühmorgens wieder in der Ordination zu arbeiten. Zum Glück habe ich eine Frau, die viel abfängt und auch, wenn es die Kinderbetreuung zulässt, in der Ordination mitarbeitet.“ Manchmal kann Hinterdorfer seine Familie auch zu Kongressen mitnehmen.
Am Prestige des Hausarztberufes müsste ebenfalls gefeilt werden. Hinterdorfer wünscht sich die Gleichstellung von Fachärzten und Allgemeinmedizinern. Das wären dann Fachärzte für Allgemeinmedizin – mit einer entsprechenden Leistungsanpassung.
Politik in der Verantwortung
Zwei Wünsche hat Hinterdorfer an die Politik: Die Ausbildung sollte überdacht und der Zugang wieder breiter werden. Und die Hausärzte sollten mit Fachärzten gleich gestellt werden. Allein: Mit solchen Wünschen stoßen Ärzte auf taube Ohren seitens der Politik. Dass es keine Verbesserung für Hausärzte gibt, sei ein reines Politikum. Hinterdorfer: „Die Landtagsabgeordneten der Region sind da ganz auf unserer Seite, aber selbst sie können sich nicht durchsetzen. Da wird nur der schwarze Peter hin und her geschoben.“ Die sogenannte Landarzt-Garantie der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hält Hinterdorfer für zahnlos, die in der Praxis nicht wirklich funktioniere. Auch die Primärversorgungszentren, wie jenes, das in Mauer geplant ist, helfen nichts, wenn sich keine Ärzte finden.
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