In der Kommunikation mit Menschen mit Behinderung die richtigen Worte finden
BEZIRK KIRCHDORF. Worte können verletzen – besonders, wenn wir mit oder über Menschen sprechen, die eine Behinderung haben. Deshalb ist es wichtig, sensibel mit der Wortwahl umzugehen. Was erachten die Mitarbeiter von sozialen Einrichtungen im Bezirk als respektvoll und wie empfinden das die Betroffenen selbst? Tips hat sich anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen, am 3. Dezember, umgehört.
Behinderung, Beeinträchtigung, Besondere Bedürfnisse – die sozialen Einrichtungen Schloss Klaus – Diakonie in der Gemeinde, Schön für besondere Menschen in Micheldorf und Lebenshilfe OÖ Werkstätte Pettenbach verwenden zum Teil unterschiedliche Worte, doch eines ist allen gleich wichtig: eine sensible und respektvolle Sprache sowie die Haltung, die dahinter steht.
Mensch als Person steht im Vordergrund
Das Wort „Behinderungen“ wird in der Diakonie in der Gemeinde bewusst verwendet. Laut dem Leitfaden „Respektvoll reden“ der Organisation, sei es nicht notwendig, auf alternative Bezeichnung wie „Handicap“ oder „besondere Bedürfnisse“ auszuweichen. „Während in unserer Gesellschaft auch heute mancherorts noch von ,Behinderten' gesprochen wird, lehnen wir diese Bezeichnung ab, weil die Person damit ausschließlich über Defizite definiert wird. Respektvoller – und objektiv gesehen korrekter – ist es, von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen zu sprechen. Im Vordergrund steht somit der Mensch als Person, der nicht von Defiziten bestimmt oder definiert werden darf“, erklärt Melanie Vogel, Mitarbeiterin der DIG-Tagesheimstätte Windischgarsten und fügt hinzu: „Unserer Erfahrung nach spielen im gemeinsamen Alltag weniger konkrete Worte die entscheidende Rolle, sondern vielmehr die Haltung der sprechenden Person. Wenn ich mich bedingungslos angenommen weiß, fühle ich mich von eventuell nicht 100 Prozent politisch korrekten Formulierungen nicht angegriffen oder geringgeschätzt, weil ich weiß, dass es der Andere gut meint mit mir.“
Bei der Lebenshilfe OÖ wird das Wording „Menschen mit Beeinträchtigung“ verwendet. „Wir haben aber auch kein Problem mit ,Menschen mit Behinderung'. Wir sehen bei diesen beiden Begriffen keinen großen Unterschied. Das Entscheidende ist, dass der Mensch an erster Stelle steht“, erklärt Karl Scheidleder, Leiter der Lebenshilfe-Werkstätte Pettenbach: „Menschen mit Behinderung ist aufgrund der Behindertenrechtskonvention ebenso ein politisch korrekter Begriff. Es gilt diesen daher nicht mehr primär zu ersetzen, sondern ihn ein Stück weit zu entstigmatisieren. Begriffe wie ,Mensch, der an den Rollstuhl gefesselt ist' oder ,Mensch mit besonderen Bedürfnissen' sollten nicht verwendet werden, weil sie nicht stimmen. Die Menschen sitzen im Rollstuhl, sind aber nicht gefesselt und jeder Mensch – egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung – hat besondere Bedürfnisse.“
Offen auf Menschen mit Beeinträchtigung zugehen
Oft sind nicht die einzelnen Worte entscheidend, sondern der Rahmen, in dem sie gesprochen werden. Doch wie merkt man, ob ein Wort passend oder unpassend ist? „Inklusive Gesellschaft bedeutet, dass alle Menschen in eben diese eingebunden sind, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Einstellungen oder Einschränkungen, wie beispielsweise körperliche oder intellektuelle Beeinträchtigung. Unpassend ist, Menschen mit Beeinträchtigung nicht direkt anzusprechen. Man darf offen auf sie zugehen, und sollte sie nicht aus einem Gefühl der Unsicherheit ihnen gegenüber ignorieren. Als unpassend wird auch oft empfunden, wenn man unbekannte Menschen mit Beeinträchtigung mit „Du“ anspricht, während man ihre Begleitpersonen siezt“, weiß Karl Scheidleder.
Wechsel der Begriffe
Die Wortwahl in der sozialen Einrichtung Schön für besondere Menschen in Micheldorf wird durch das Chancengleichheitsgesetz beziehungsweise das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz vorgegeben. Die agogische Leiterin, Tatjana Wojakow arbeitet seit 35 Jahren in der Behindertenhilfe und berichtet von vielen Wechseln der Begriffe: „Zu Beginn meiner Arbeit in den 80er Jahren wurden die Menschen mit Beeinträchtigung noch ,Behinderte' genannt. Das war kurze Zeit später ein absolutes NoGo. Dann sagten wir ,Mensch mit Behinderung', weil der Mensch im Vordergrund steht. Kurze Zeit darauf mussten wir ,Klienten' sagen und Mitarbeiter wurden statt Betreuer ,Begleiter' genannt. Das sollte die Selbstbestimmung der Menschen mit Beeinträchtigung selbstverständlicher erscheinen lassen. Momentan sind wir im Zeitalter der Inklusion und Selbstbestimmung. Nun nennen wir die Menschen, die wir begleiten, ,Kunden'. Das soll den Dienstleistungscharakter unserer Tätigkeit verstärken.“
Die agogische Leiterin in der Schön berichtet, dass die Kunden auf die Frage, wie sie selbst angesprochen werden wollen, „Bewohner“ als für die richtige Bezeichnung halten, denn „sie wohnen ja in der Schön“.
Als Erwachsene anerkennen
Weiters werden die Kunden in der Schön als erwachsene Menschen mit Beeinträchtigung anerkannt und deshalb nicht infantilisiert, das heißt in der Pflege oder Agogik sind einige Ausdrücke tabu. „Wir ,füttern' nicht unsere Kunden, sondern unterstützen sie beim Essen. Wir ,wickeln' sie nicht mit Windeln, sondern sie erhalten eine Inkontinenzversorgung mit einem geschlossenen System. Ihre Spielsachen heißen ,Beschäftigungsobjekte'“, erzählt Tatjana Wojakow.
Das sagen die Betroffenen selbst
Es ist wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie über und mit Menschen mit Behinderungen gesprochen wird. Genauso wichtig ist es, Menschen mit Behinderungen für sich selbst sprechen zu lassen. Interessanterweise nehmen Personen, die in den Tagesheimstätten der DIG betreut werden, jene Begriffe, die aktuell als politisch korrekt gelten, nicht automatisch als solche wahr. In von Experten erarbeiteten Leitfäden wird beispielsweise empfohlen, Bezeichnungen wie „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ zu vermeiden, weil diese nicht korrekt sind. Denn alle Menschen haben besondere Bedürfnisse und alle haben die gleichen Bedürfnisse. Bei einer Befragung von Klienten in der DIG wurde jedoch festgestellt, dass die Betroffenen genau diese Bezeichnung insgesamt am positivsten beurteilten.
Stefan Ehrenfellner, Beschäftigter der Lebenshilfe-Werkstätte Pettenbach, empfindet es „nicht gut“, als „Mann mit Behinderung“ bezeichnet zu werden: „Das Wort ,Behinderung' mag ich gar nicht. ,Mann mit Beeinträchtigung' ist in Ordnung. Noch besser ist es, beim Namen genannt zu werden.“ Er wünscht sich, dass mit ihm normal gesprochen wird.
Michael Kalterschneh, Kunde von Schön, stört es hingegen nicht, als ,Mann mit Behinderung' bezeichnet zu werden: „Ich glaube jeder Mensch hat irgendeine Beeinträchtigung, wir sind alle verschieden. Zum Beispiel haben wir ja auch alle verschiedene Interessen und Hobbies. Ich bin ein Sammler, ich sammle Comicfiguren, oder zum Beispiel die Manderl, die früher auf den LKWs vorne drauf waren.“ Die Bezeichnung „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ gefällt ihm allerdings besser, „das ist schöner“. Auch der 46-Jährige wünscht sich, dass mit ihm „normal und ehrlich“ gesprochen wird.
Richtige Haltung hinter den Worten
Wie schaffen wir also eine Sprache, in der Menschen mit Behinderungen als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft gezeigt werden? „Indem wir uns alle gemeinsam für eine inklusive Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwertige Mitglieder unserer Gesellschaft – unabhängig von ihren Fähigkeiten, Einstellungen oder Einschränkungen – sind, einsetzen. Sprache ist ein kleiner Teil davon, mit dem man sensibel umgehen soll“, meint Karl Scheidleder, Leiter der Lebenshilfe-Werkstätte Pettenbach.
„Das wichtigste ist, dass hinter den Worten, die wir verwenden, die richtigen Haltungen stehen, dann ist es eher Nebensache, ob wir nun Kunde, Klient oder Bewohner sagen“, sagt die agogische Leiterin von Schön, Tatjana Wojakow: „Momentan sagen wir Menschen mit kognitiven Beeinträchtigung oder Menschen mit Lernschwierigkeiten. Am Ziel sind wir meines Erachtens erst dann, wenn wir die Menschen einfach bei ihrem Namen nennen können und das ausreichend ist, weil Beeinträchtigungen einfach in einer Gesellschaft dazu gehören und sie keine Sonderform benötigen.“
Ähnlich sieht das auch Melanie Vogel: „Die langjährige Erfahrung in der Betreuungsarbeit der DIG hat uns immer wieder gezeigt, dass sich eine personenzentrierte Haltung, die Wertschätzung und Respekt ausdrückt, fast automatisch und oft unbewusst in einer wertschätzenden und ermutigenden Sprache äußert.“
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