Pflegeskandal in Kirchstetten: Hauptverdächtiger arbeitete weiter in Pflege
KIRCHSTETTEN. In einem Pflegeheim im Bezirk sollen Patienten von Pflegern gequält worden sein. Dies wurde im Herbst des Vorjahres bekannt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an. Im Verfahren befinden sich fünf Beschuldigte. Sie sind laut orf.at nicht geständig. Der Hauptverdächtige und eine weitere Verdächtige hätten gleich nach ihrer Entlassung in der Pflege weitergearbeitet.
Das Ausmaß des Falles wurde diese Woche durch die Veröffentlichung von Ermittlungsdokumenten mit Zeugenaussagen von Mitarbeitern im Pflegeheim in der Wochenzeitung „Falter“ deutlich. Wehrlose und teils an Demenz leidende Patienten seien gequält worden. Die Zeugen sprechen von Faustschlägen in den Brust-, Nieren- und Genitalbereich. Zudem sollen beschuldigte Pfleger Genitalien von Patienten mit schmerzendem Franzbranntwein eingerieben haben. Einer Patientin soll Haarspray in den Mund gesprüht worden sein. In den Ermittlungsdokumenten berichten Zeugen außerdem darüber, dass einem Patienten nach dem Erbrechen Rasierwasser oder sein Deo als „Nachspeise“ in den Mund geleert worden sei.
Whats-App-Gruppe
Der „Falter“ berichtet auch von einer Whats-App-Gruppe, in der die beschuldigten Pfleger gescherzt hätten: „Wir pflegen alle zu Tode!“, „Blauensteiner, walte Deines Amtes“ und „Ich bin der Master of Death“. Im Zuge der Ermittlungen seien auch Todesfälle in dem Heim in Kirchstetten analysiert worden. Es gebe aber der Staatsanwaltschaft zufolge keinen konkreten Hinweis auf Tötungsdelikte.
Arbeit als Pfleger wiederaufgenommen
Nachdem im Vorjahr die Vorwürfe bekannt geworden waren, wurden die Beschuldigten sofort entlassen. Der Hauptverdächtige im Pflegeheimskandal habe jedoch laut „Falter“ nach seiner Entlassung gleich wieder als Pfleger in einer Wiener Einrichtung gearbeitet. Diese habe den Mann eingestellt, ohne die Vorwürfe zu kennen. Auch eine weitere Verdächtige sei wieder im Pflegebereich tätig gewesen. Grund: die Staatsanwaltschaft ermittelt geheim und informiert Organisationen nur wenig, so Leopold Bien, Sprecher der Staatsanwaltschaft Sankt Pölten im Ö1-Interview. „Es gibt Verständigungspflichten gegen Beamte, gegen Jugendliche gegenüber dem Jugendwohlfahrtsträger, das ist hier aber nicht der Fall.“
Bei laufendem Verfahren kein Vermerk im Strafregisterauszug
Sozialorganisationen verlangen von Bewerbern zwar Strafregisterauszüge, sagte Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, auf orf.at aber „wenn ein Verfahren erst im Laufen ist, gibt es keinen Vermerk im Strafregisterauszug.“ Zudem sei eine direkte Kommunikation zwischen den Einrichtungen datenschutzrechtlich problematisch, so Hacker. Deshalb wird orf.at zufolge nächste Woche mit Pflegeorganisationen darüber beraten, ob man sich hier Gesetzesänderungen wünscht.
Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
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