Wenn Tiere aufbegehren und Speckkäferlarven Knochen reinigen: "Heaven can wait" und ein besonderer Blick hinter die Kulissen im Schlossmuseum
LINZ. Ein Steinbock, der gegen die „Scheibe der Zivilisation“ knallt, Weltraumschrott im All, ein Kamel, das über den Broadway stapft: Unter dem klingenden Namen „Heaven can wait“ setzt sich die Künstlergruppe Steinbrener/Dempf & Huber im Schlossmuseum mit dem Thema Natur und Zivilisation auseinander. Zeitgleich bietet der Dauerbrenner im Schlossmuseum, die Naturausstellung, faszinierende und sonst kaum mögliche Einblicke in die Kunst des Präparierens.
Insgesamt fünf bildmächtige, große Dioramen haben Steinbrener/Dempf & Huber gestaltet, für ihre Arbeiten durften sich die Künstler in der umfangreichen Sammlung an Tierpräparaten der OÖ Landes-Kultur GmbH bedienen. „Wir wollten abseits des wissenschaftlichen Teils etwas Besonderes machen“, erzählt Kuratorin Michaela Seiser.
Dioramen – also Schaukästen mit präparierten Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum, sind ein klassisches Mittel in naturwissenschaftlichen Ausstellungen, die Künstler stellen den Inhalt nun aber auf den Kopf. Sie sind auch prädestiniert dafür, als Architekt, Fotograf und Grafiker und Bildhauer können sie im Diorama alle ihre Kompetenzen bestmöglich ausleben.
Natur und Zivilisation - Zukunftsszenarien
„Unser Hauptthema ist die Auseinandersetzung mit Natur und Zivilisation“, erzählt Martin Huber. Die Künstlergruppe beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Natur und der prekären Situation zwischen Zivilisation und Natur. Kuratorin Michaela Seiser: „Das Naturthema und die Frage nach der Zukunft ist aktuell wahnsinnig dringend. Wir haben uns überlegt, dass man eigentlich die Frage nach der Zukunft stellen sollte und haben die Künstler gebeten sich zu überlegen, wie Zukunftsszenarien ausschauen könnten. Da gibt's natürlich nicht eine, sondern sehr viele Antworten.“
Die Bilder der Künstler sind dabei oft mehrdeutig, teils grotesk, aber auch humorvoll und enthalten viele Zitate auch aus der Kunst- und Popgeschichte.
Von Tieren betrachtet
Ein Beispiel ist der König der Alpen, der Steinbock, der aus seinem Habitat flieht und dabei an die „Scheibe der Zivilisation“ knallt – im Hintergrund das Alpenpanorama und die Menschen, die sich den Naturraum des Steinbocks erobern.
Ein zweites Diorama entführt in den Weltraum, bezieht sich auf den Weltraumschrott, bringt aber auch etwa die Reich/Arm-Thematik aufs Tablett oder fast absurdes Wahlverhalten in Brooklyn bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen.
Das Diorama mit dem titelgebenden Namen „Heaven can wait“ versammelt eine illustre Zahl an Tieren aller Arten. „Der Witz an der Geschichte war – man kennt das aus dem Zoo – viele Leute schauen ein Tier an, hier ist es umgekehrt, viele Tiere betrachten den Besucher. In dem Fall kann man gleich die Frage stellen: Wo ist der Mensch? Der hat in dem Fall seine Sphäre verloren“, erzählt Christoph Steinbrener.
„Alles was zu sehen ist, wurde extra für die Ausstellung erstellt und wird dann so auch nicht mehr zu sehen sein“, ist Steinbrener auch begeistert, dass er und seine Kollegen die Möglichkeit bekommen haben, Dioramen in solchen Dimensionen zu schaffen.
Wenn Speckkäferlarven Knochen reinigen
Gleichzeitig bekommen Besucher in der Natur-Dauerausstellung einen Einblick, wie Tiere überhaupt präpariert und konserviert werden. Nicht nur für Ausstellungen werden Tiere nämlich präpariert, sondern auch für die Wissenschaft und Forschung haben sie große Bedeutung. „Ich kann nach 100 Jahren immer noch nachschauen und vergleichen, das sind oft die einzigen Nachweise dafür, welche Tiere früher gelebt haben, das ist eine super Möglichkeit, auf referenziertes Material zurückzugreifen“, erläutert Stephan Weigl, Bereichsleiter Naturwissenschaften. Wurden Tiere früher aktiv gesammelt, geschieht das nun passiv, „wir sind darauf angewiesen, dass uns Leute etwa verunglückte Tiere bringen oder welche, die vielleicht die Katze mit nach Hause gebracht hat.“
Die Ausstellung zeigt, welche Arten von Präparaten es gibt, wie diese aktuell, aber auch früher hergestellt werden und wurden. Welche Rolle dabei die „Helfer“ Speckkäferlarven spielen, gibt es genauso zu erfahren wie die Tatsache, dass Präparieren eine Kunst ist. Denn nicht alles glückt und vieles kann falsch gemacht werden – wie einige Beispiele zeigen.
Vom Schmetterling über den Axolotl bis um 1,4 Tonnen schweren Stier „Excalibur“, der extra aus München angereist ist: alle möglichen Präparate zeigt die Schau.
Präparatoren live über die Schulter schauen
Arbeiten die Präparatoren normalerweise im Biologiezentrum, gibt es im Rahmen der Sonderausstellung nun auch die Chance, ihnen bei ihrer Arbeit live über die Schulter zu sehen, an ausgewählten Terminen. Jeden Dienstag und Donnerstag sowie am 11. April wird live in der Ausstellung gearbeitet.
Für Präparatoren gibt es mittlerweile sogar Europa- und Weltmeisterschaften, so Stephan Weigl, der bei solchen auch in der Jury sitzt. „Interessanterweise interessieren sich momentan viele junge Frauen für diesen Beruf“, erzählt er.
Bis 3. Oktober hinschauen
Zu sehen sind beide Ausstellungen ab sofort bis 3. Oktober 2021. Gedanken, Ideen und Wissenswertes zu beiden Ausstellungen sind für große und kleine Besucher auf informativen und spielerischen Sammelkarten zu finden.
In den Osterferien ist der Eintritt für Familien mit Familienkarte kostenlos.
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