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"Iris Andraschek. I love you :-)" im Lentos: ein kritischer Blick auf die Gesellschaft

Nora Heindl, 14.06.2022 15:28

LINZ. Unter dem Titel „I love you :-)“ zeigt das Lentos ab 16. Juni eine erste umfassende museale Werkschau der österreichischen Künstlerin Iris Andraschek. Die Ausstellung versammelt rund 30 Werkgruppen aus den letzten 35 Jahren, die sich intensiv mit hochaktuellen Themen der Ökologisierung, Nachhaltigkeit oder sozialpolitischen Fragen um Gemeinschaft und Individuum auseinandersetzen. Die Ausstellung kann bis 11. September besichtigt werden.

"Claudia", 2002 (Foto: Iris Andraschek,/Bildrecht Wien, 2022)
"Claudia", 2002 (Foto: Iris Andraschek,/Bildrecht Wien, 2022)

Das Werk der österreichischen Künstlerin Iris Andraschek ist geprägt von dem Interesse an alltagskulturellen und sozialpolitischen Motiven. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur, alternative Lebensentwürfe sowie Fragen über ein gerechteres Zusammenleben sind wiederkehrende Themen ihrer Kunst. In den raumgreifenden Installationen der Künstlerin kommt Andrascheks langjährige intensive Auseinandersetzung mit Ökologisierung, alternativer Landwirtschaft und dem Wert von Arbeit zum Tragen. Einige der Werke wurden für die Lentos-Schau adaptiert oder sind sogar neu dafür entstanden.

So auch die Installation „Hanging Water“ (1924/2022), die ursprünglich 1994 für die Gruppenausstellung Trivial Circuit im Künstlerhaus Klagenfurt entstand. Sie wurde von Andraschek bezugnehmend auf den Ausstellungsort Linz reinszeniert und inhaltlich neu interpretiert. Die von der Museumsdecke hängenden Plastiksäcke sind mit verschiedenen Flüssigkeiten und Donauwasser befüllt, als auch mit diversen Fundgegenständen, die die Künstlerin an Flussufern gesammelt hat. Auf den Plastikbeuteln findet sich ein literarischer Text der deutschen Schriftstellerin Esther Kinsky, die in diesem Jahr mit dem renommierten Kleist-Preis ausgezeichnet wurde.

Eine ähnliche künstlerische Herangehensweise zeigt sich auch in den „Aquarien-Installationen“, die Andraschek seit den 1990erJahren umsetzt und sich ebenfalls auf den problematischen Umgang des Menschen mit seiner Umwelt konzentriert.

Thema Pflege als Rauminstallation

Hochaktuell ist die Rauminstallation „About Care, ONLY LIFE (Memories burn like a forest fire. B. Eilish)“ aus dem Jahr 2021, die das Thema der Pflege als eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft aufgreift. Die Installation situiert die Betrachtenden in ein gefliestes Badezimmer mit Badewanne, Kinderstuhl und Liegeflächen. Schriftbänder ziehen sich über die gekachelten Bänke, alte Fotos liegen am Boden und erzählen von vergangenen Zeiten, Abdrücke eines nackten Körpers zieren die Wand. Zu Beginn von Andrascheks künstlerischen Recherche standen Gespräche mit Personen, die in unterschiedlichen Bereichen mit dem Thema in Berührung stehen und in der Installation in verschiedenen Medien zu Wort kommen.

Bei einem Workshop Zeichnen in drei Akten am 26. Juni im Kunstmuseum wird Interessierten die Möglichkeit geboten, sich unter Anleitung von Iris Andraschek intensiv mit der Arbeit auseinanderzusetzen und die sich verändernden Posen eines männlichen Aktmodells und einer Pflegerin zeichnerisch festzuhalten.

Auseinandersetzung mit der Natur

Ein Langzeitprojekt der Künstlerin ist die Serie „Sekundäre Wildnis“ (2013/2017/2022), aus der ausgewählte Werke im Außenraum vor dem Lentos-Eingang und im Foyer des Museums positioniert wurden. Im Mittelpunkt steht das Interesse Andrascheks an alternativen Lebensentwürfen und dem nachhaltigen Umgang mit der Natur.

So platziert die Künstlerin im Außenraum fünf Lastenhänger, in denen unterschiedliche Pflanzen wachsen. Auf Bitten Andrascheks wählten fünf Personen, die sich der alternativen Landwirtschaft verschrieben haben, Pflanzen aus, mit deren Hilfe sie sich selbst beschreiben. Die Wägen werden so zu lebendigen Selbstporträts.

Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit moderner Landwirtschaft ist die Wandinstallation „HYBRID TALKS“ (2020/2022). Andraschek verhandelt die vom Menschen künstlich herbeigeführte Hybridisierung von Saatgut, die zunehmend zu wirtschaflticher Abhängigkeit der Bauern von Großkonzernen und einer Reduktion der Biodiversität führt. Gleichzeitig wirft das Werk Fragen über Versorgungssicherheit und eine gerechte Verteilung von lebenswichtigem Saatgut in einer durchwegs globalisierten Welt auf.

Tradition im Kontext von Krieg und Flucht

Die Bedeutung von traditionellem Handwerk und immateriellem Kulturgut im Kontext von Krieg und Flucht ist Thema der Rauminstallation „Sapun Ghar“ (2015-2022). Deren Hintergrund ist die jahrhunderte alte Tradition der Seifenproduktion, die von Geflüchteten aus Aleppo in das syrischtürkische Grenzgebiet getragen wurde. Im Zuge des recherchebasierten Projekts dokumentierte Andraschek den Herstellungsprozess der Seife und sprach mit Geflüchteten über ihre Erfahrungen. Als Material für ihre Rauminstallation nutzt Andraschek, neben Videos und Fotografien, braune Seifenblöcke, mit denen sie den im Krieg zerstörten Basar von Aleppo nachbaut. Auch Besucher können sich ein Stück der sogenannten Aleppo-Seife mit nach Hause nehmen und im Museumsshop käuflich erwerben, um das Projekt zu unterstützen.

„Das Werk von Iris Andraschek weist eine hohe künstlerische sowie diskursive Qualität auf. Sie widmet sich gesellschaftlich brisanten und hochaktuellen Themen wie Pflege oder Nachhaltigkeit. Dabei sind ihre Arbeiten selten völlig abgeschlossen, vielmehr entwickeln sie sich über Jahre hinweg weiter, einerseits durch die andauernde Kommunikation mit den Protagonisten, aber auch durch Anpassungen an neue Ausstellungsräume und reflexive künstlerische Verarbeitung“, erklärt Lentos Direktorin und Kuratorin der Ausstellung Hemma Schmutz.

Öffentliche Führungen jeden Donnerstag um 18 Uhr und jeden Sonntag um 16 Uhr
Workshop „Zeichnen in drei Akten“ mit Iris Andraschek am 26. Juni, 16 Uhr: Iris Andraschek bietet einem zeichenbegeisterten Publikum die Möglichkeit, sich mit ihr im Rahmen eines Aktzeichen-Workshops durch die Ausstellung zu bewegen. Im Mittelpunkt steht die Installation About Care, ONLY LIFE (Memories burn like a forest fire. B. Eilish), die sich dem Thema der Pflege in ihren individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen widmet. Unter Anleitung der Künstlerin gilt es, die sich verändernden Posen eines männlichen Aktmodells und einer Pflegerin am Papier festzuhalten. Stifte, Zeichenpapier und Unterlagen werden zur Verfügung gestellt, können aber gerne auch selber mitgebracht werden. Anmeldung unter 0732/70703614 oder auf lentos.at
Baby Tour am 5. Juli, 10.30 Uhr: entspannter Rundgang durch die Ausstellung, der ganz auf die Bedürfnisse von Besuchern mit Baby abgestimmt ist.
Künstlerinnengespräch am 7. Juli, 18 Uhr: Iris Andraschek gibt Einblicke in ihr vielfältiges künstlerisches Schaffen und ihre aktuelle Werkschau im Lentos

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