Philipp Hochmair: „Ich bin vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, der das ganze Stück auswendig kann“
BURG CLAM/GMUNDEN. Philipp Hochmair ist der Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Dass er am Domplatz stehen darf, hat er sich mit seiner Solo-Performance „Jedermann Reloaded“ erkämpft, mit der er am Freitag, 9. August, auf der Burg Clam zu erleben ist. Im Tips-Interview erzählt der Schauspielstar über die Herausforderung, die Rollen zu trennen, seine Jedermann-Enttäuschung als Jugendlicher und darüber, wie sich die Menschen einmal an ihn erinnern sollen.

Als Jedermann Tobias Moretti 2018 während der Spielzeit erkrankte, sprang Philipp Hochmair über Nacht ein – und ließ ein begeistertes Publikum zurück. Für viele lag es auf der Hand, dass der Wiener Schauspielstar auch offiziell zum Zug kommen würde und doch sollte es bis diesen Sommer dauern. „Es war ein langer Umweg, aber jetzt war doch der perfekte Moment“, erzählt der 50-Jährige, für den damit ein Traum in Erfüllung ging.
Denn kaum jemand hat sich so intensiv mit Hugo von Hofmannsthals Geschichte vom Leben und Sterben des reichen Mannes beschäftigt wie Philipp Hochmair. Und das obwohl oder vielleicht gerade weil sein erster Kontakt mit dem Stück als Jugendlicher eine Enttäuschung war. „Die Dimension am Domplatz war mir zu fremd, zu unpersönlich. Die Publicity, die darum gemacht wurde, und der Volkscharakter der Aufführung waren für mich ein Widerspruch, der sich mir nicht erschlossen hat. Das hat mich lange beschäftigt. Also habe ich mir überlegt, wie man den Stoff den Menschen nochmal anders näher bringen könnte.“
Eine Reise in Jedermanns Kopf
Herausgekommen ist „Jedermann Reloaded“, eine One-Man-Show. In einem leidenschaftlichen Kraftakt schlüpft Hochmair in alle Rollen und macht Hofmannsthals Stück zu einem vielstimmigen Monolog. Ein Zwiegespräch mit zwei Mikrofonen. Eines für Jedermann und eines für die anderen. Hochmairs Jedermann ist ein Rockstar. Getrieben von Gitarrenriffs und experimentellen Sounds der Band Die Elektrohand Gottes verwandelt er das über 100 Jahre alte Stück in ein apokalyptisches Sprech-Konzert.
„In Jedermann Reloaded ist man sehr nahe am Protagonisten, es ist ein intimer Einblick, eine Reise in seinen Kopf. Am Domplatz ist das Stück klassisch auf 13 Rollen verteilt, in Reloaded aber ist es ein Einzelkampf. Das erzeugt eine ganz andere, sehr subjektive Perspektive, über die ich mir auch den Domplatz erkämpft habe“, so der Schauspieler: „Das Einspringen wäre ohne dieses Rockkonzert nicht denkbar gewesen. Ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der das ganze Stück auswendig kann, inklusive Nebenrollen.“
Beide Jedermänner unter einen Hut zu bekommen, ist aber selbst für Philipp Hochmair eine Herausforderung. „Zu sagen, okay, ich kann zwar die anderen Rollen auch, aber ich kann sie auch wieder trennen und den anderen Darstellern am Domplatz den Raum geben, den sie brauchen. Das ist schon eine Herausforderung, aber eine die ich mir gewünscht habe. Dass ich jetzt beides parallel spielen darf, ist ein kleines Wunder.“
Die intensive Beschäftigung damit, was vom Leben übrig bleibt, wenn es ans Sterben geht, lässt auch einen Philipp Hochmair nachdenken: „Ich wünsche mir, dass sich die Menschen mal an einen Freigeist erinnern, der die doch teils schweren Stoffe mit Freude und Leichtigkeit in die Welt hinaus getragen hat.“
Literatur kann auch anders
So schlägt das Herz des Schauspielers längst nicht nur für Hofmannsthal. Der 50-Jährige hat ein Faible für große Literaten wie Stifter, Kafka, Goethe und Schiller, denen er bereits Soloprojekte widmete. „In der Schule musste man die Stücke lesen, ohne dass sie einem wirklich nahe gebracht wurden. Auch war ich oft im Theater und habe nichts verstanden. Ich habe selbst eine Leseschwäche und möchte auf diesem Weg den Menschen die Angst vor der Literatur nehmen und ihnen den Zugang erleichtern, daran Freude zu finden.“
So ist er am Freitag, 2. August, mit seinem „Schiller Balladen Rave“ im Toscana Park in Gmunden zu Gast. Begleitet wird er von seiner Band Die Elektrohand Gottes. Statt Rockmusik erwartet die Besucher bei Schiller jedoch Techno und Electronic. Zeit, den Traunsee zu genießen, bleibt Hochmair aber leider nicht. „Aber ich kenne Gmunden sehr gut, weil ich oft da bin. Gmunden ist einer meiner Lieblingsorte auf der Welt.“
Trotz prall gefüllten Terminkalenders sehnt sich der 50-Jährige nicht nach einer Pause. „Ich bin gerne unterwegs und im Austausch, deshalb drehe ich diesen Kanal auch ungern zu.“ Auch Allüren sucht man bei ihm vergebens. Warum? „Weil sie einfach nicht mehr erwünscht sind. Die Zeit, in der sich Schauspieler daneben benehmen durften, sind vorbei und das ist auch gut so.“
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