Wenn Steine sprechen lernen: Der Mariendom Linz erzählt digital seine Geschichte
LINZ. Wer sagt, dass alte Steine nichts zu berichten haben? Im Linzer Mariendom tun sie nämlich genau das – dank neuer digitaler Erlebnisstationen. Mit interaktiven Angeboten, digitalen Extras und viel Gespür für Geschichte(n) wird aus dem ehrwürdigen Gotteshaus ein Ort, der nicht nur beeindruckt – sondern auch überrascht.

Die neue Art der Vermittlung zeigt, wie facettenreich der Mariendom heute erlebt werden kann. Dombaumeister Michael Hager beschreibt diese Vielschichtigkeit so: „Der Mariendom ist so vielfältig. Er ist natürlich in erster Linie ein Ort der Liturgie, aber eben nicht nur. Der Dom ist ein Ort der inneren Einkehr, ein Geistes- und Gedankenraum, ein Kunst- und Kulturraum, ein Vermittlungsraum und ein Ort des intensiven Austausches. Diese spannende Schnittstelle macht die Aufgabe so besonders.“ In die alten Mauern des Doms ist neue Technik eingezogen und Geschichte gibt es hier zum Angreifen, Mitmachen und Staunen. Hager betont: „Wir wollen mit unseren Angeboten alle Menschen abholen, die sehr an Details Interessierten wie auch jene, die vielleicht eher zufällig in den Dom gekommen sind. Dazu bieten wir bei allen Stationen verschiedene Ebenen an, die von basalen Infos bis zu sehr detaillierten Inhalten reichen.“
Selbst Teil des Domfensters sein? Geht!
Ein echter Hingucker – und eine Brücke zwischen damals und heute ist das Gemäldefenster zur Grundsteinlegung. Dort versammelt sich, was beim Bau des Mariendoms Hand in Hand gearbeitet hat – vom Bischof bis zum Bauarbeiter, vom Handwerker bis zum einfachen Bürger. Und jetzt wird’s richtig spannend: An einer neuen digitalen Station können sich Besucher selbst fotografieren und virtuell ins historische Fenster einfügen lassen. Heißt im Klartext: Wer bisher nur zuschauen konnte, wird heute selbst Teil der Geschichte – ganz ohne Zeitreise.
Schon einmal einen Stein gefragt?
An einer anderen Station wird’s handfest. Die „sprechenden Steine“ liegen zum Greifen bereit und beantworten „selbst“ Fragen wie: Woher kommt das Material? Wie alt ist es? Was macht es besonders? Vom feinen Sandstein bis zum robusten Granit: Wer’s wissen will, muss einfach nur hingreifen.
Für Sammler: Postkarten mit Köpfchen
Das „Digitale Domlexikon“. Auf den ersten Blick handelt es sich um hübsch gestaltete Postkarten mit Fensterausschnitten, historischen Bildern oder kleinen Details aus dem Inneren des Doms. Wer allerdings den QR-Code auf der Rückseite scannt, erfährt mehr: Wann wurde dieses Fenster gemacht? Welche Szene ist zu sehen? Und wer war daran beteiligt? Wissen im Taschenformat – ideal für Sammler, zum Mitnehmen oder Weiterschicken.
Originale zum Augen machen
Natürlich darf auch der Domschatz nicht fehlen und der ist absolut bewundernswert. In der Turmkapelle glänzen ausgewählte Kostbarkeiten wie die Statz-Monstranz, der Rudigier-Kelch und die Blümelhuber-Schlüssel. Und auch die Werkzeuge der Grundsteinlegung sind zu sehen. In Kombination mit der neuen digitalen Vermittlung ergibt sich ein spannender Rundgang zwischen Staunen und Verstehen.
Die Ausstellungsinhalte werden laufend erweitert und ergänzt, denn die Verantwortlichen begreifen die Ausstellung als ein wachsendes Konzept, wie der Künstler und Gestalter Clemens Bauder erläutert: „Die Ausstellung selbst forscht und schafft neue Blickwinkel. Wir wissen oft selbst nicht, welche Ergebnisse und Erkenntnisse uns erwarten. Darum können die Besucher auch immer wieder kommen, es gibt immer etwas Neues zu hören, du sehen und zu erfahren.“ Konkret neu geplant ist eine Station für Herbst, bei der es möglich sein wird, virtuell in die ca. 3500 Pläne des Domes einzutauchen.
Modernisierung mit Fingerspitzengefühl
Ermöglicht wurden die Projekte durch das Programm „Kulturerbe Digital“, gemeinsam mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Riesige Datenmengen wurden im Zuge dessen gesichtet und digitalisiert. Für Dombaumeister Michael Hager steckt hinter dieser digitalen Öffnung auch ein gesellschaftlicher Auftrag: Dabei geht es mir vor allem darum, die Vielfältigkeit und das gesellschaftliche und soziale Potenzial von historischen Beständen zu zeigen und vor den Vorhang zu holen. Der Begriff der Kontinuität ist dabei ganz wesentlich, der Blick auf die Vergangenheit, verbunden mit der Perspektive in die Zukunft. Zentral ist für Hager auch die Übersetzungsleistung der digitalen Technik und er hebt in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Center hervor: „Digitalisiert wird vielerorts, aber in Zusammenarbeit mit den Experten des AECs können wir diesen gehobenen Schatz dann auch quasi übersetzen und zu den Menschen bringen.“
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