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200. Ausgabe der Linzer Straßenzeitung Kupfermuckn

Leserartikel Heinz Zauner, 06.03.2019 10:20

Ein Zeitungsberg so hoch wie der Kilimandjaro
oder fünf Millionen Euro Einkommen für Menschen, die in Armut leben.
 
Bereits seit 1996 treffen sich die Redakteure der Linzer Straßenzeitung jeden Mittwoch um 13 Uhr zur Redaktionssitzung. Begonnen hat es 1994 bei einer Schreibwerkstatt der Arge für Obdachlose mit dem Linzer Schriftsteller Kurt Mitterndorfer. Als dann in Wien die erste österreichische Straßenzeitung, der „Augustin“, für Aufsehen sorgte, erschien im Oktober 1996 die erste Ausgabe der Kupfermuckn mit einer Auflage von 2000 Zeitungen. Fünf Millionen Zeitungen wurden seither gedruckt. Übereinander gelegt ergibt dies einen Zeitungsberg so hoch wie der Kilimandjaro.  Die 200. Ausgabe erschien nun im März in einer Auflage von 32.000 Stück.

Kupermucknverkäufer Bertl mit der ersten Ausgabe der Kupfermuckn, Fotoquelle: Walter Hartl
photo_library Kupermucknverkäufer Bertl mit der ersten Ausgabe der Kupfermuckn, Fotoquelle: Walter Hartl

Mittelpunkt der Kupfermuckn ist die Betroffenenredaktion und die einzigartige Berichterstattung aus Sicht von Menschen, die in Armut und sozialer Ausgrenzung leben müssen. Circa 25 Redakteure arbeiten übers Jahr an den Inhalten mit.

Fünf Millionen Euro Einkommen für Menschen, die in Armut leben

250 Verkäufer verkaufen die Kupfermuckn im Durchschnitt auf der Straße, wobei circa ein Drittel jährlich neu dazu kommen. Mit Hilfe der Ausgabestellen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck wurde aus einer Linzer Straßenzeitung über die Jahre eine für ganz Oberösterreich. 50 zu 50: Bei allen Straßenzeitungen gilt das Prinzip, dass die Hälfte des Verkaufspreises den Verkäufern verbleibt. Bei der Kupfermuckn sind die ersten zehn Zeitungen im Monat gratis. Jede weitere muss um einen Euro in der Ausgabestelle gekauft werden. Der Verkaufspreis beträgt zwei Euro und wurde seit Einführung des Euro nicht erhöht. Vorher waren es 20 Schilling. Maximal 340 Zeitungen darf ein Verkäufer pro Monat verkaufen.

 Es begann in New York - heute sind es 111 Straßenzeitungen in 35 Ländern

Die erste Straßenzeitung wurde 1989 in New York gegründet und hieß »Streetnews«. In Österreich gibt es in Wien den »Augustin«, in Graz das »Megaphon«, in Salzburg »Apropos«, in Innsbruck den »Zwanz´ger«, in Wiener Neustadt das »Eibischzuckerl« und in Vorarlberg die »Marie«. Der Verkauf erfolgt nach den Regeln des „International Network of Street Newspapers“ (INSP). 111 Straßenzeitungen aus 35 Ländern und in 24 Sprachen erreichen weltweit fünf Millionen Leser. Über 11.000 Straßenzeitungverkäufer finden dadurch ein Einkommen.

Am Cover Verkäufer Bertl Weißengruber, ein Urgestein

Bertl ist ein Gründungsmitglied der Straßenzeitung Kupfermuckn. Einer der »üblichen Verdächtigen« der bei allen Aktivitäten dabei ist und schon seit 22 Jahren die Kupfermuckn verkauft. Dabei ist er ein geborener Wiener, dessen Weg um die ganze Welt und schließlich nach Linz führte. Heute noch erzählt er gerne von seiner Zeit als Seemann auf der »Europa«, dem Traumschiff, das man aus der Fernsehserie kennt.

„Vor 22 Jahren stand ich nach einer Trennung plötzlich auf der Straße und ging zum Verein Arge für Obdachlose. Dort konnte ich in eine Übergangswohnung einziehen. Zur gleichen Zeit wurde die Straßenzeitung Kupfermuckn gegründet und weil ich nur ein kleines Einkommen als Austräger einer Tageszeitung hatte, begann ich mit dem Verkauf. Am Anfang war es noch zäh und ich verkaufte am ersten Tag nur eine Zeitung. Schön langsam kannten mich dann immer mehr Leute auf der Straße und seit dem wurde es immer besser“, erzählt Bertl. „Dann wurde ich von den Pfadfindern im Nachbarort Puchenau einmal zu einer Diskussion über Obdachlosigkeit eingeladen und der Bürgermeister war auch da. Weil ihn meine Geschichte so interessierte, sagt er, dass ich in Puchenau die Kupfermuckn verkaufen soll. Seitdem habe ich meinen Stammplatz beim Supermarkt. Wenn es regnet, darf ich sogar drinnen verkaufen. Bald darauf begann ich auch in Ottensheim beim traditionellen Markttag zu verkaufen und jetzt gehöre ich schon zum Inventar des Marktes. Mit vielen Standbetreibern und Besuchern bin ich schon befreundet, tausche oft die Kupfermuckn gegen Lebensmittel und werde auch von den Leuten eingeladen.“

Bertls Geschichte begann in Wien, er lebte wie viele ausgebombte Familien nach dem Weltkrieg in einer Barackensiedlung. Schließlich landete er nach einem Fahrraddiebstahl im Kinderheim. „Ich machte eine Lehre als Konditor. Dann zog ich als Vagabund in ganz Österreich herum. Bis 1972 war „Vagabundage“ noch strafbar und ich saß mehrere Male deswegen im Gefängnis. Schließlich ging ich nach Hamburg und fuhr fünf Jahre zur See. Ich war in Leningrad, am Nordkap, in Shanghai und in der Karibik. Dann ging die Reederei pleite und ich landete in Linz, wo ich eine Familie gründete. Ich habe gemeinsam mit meiner früheren Frau vier Kinder, zu denen ich allen noch einen guten Kontakt habe“, erzählt Bertl. Eines Tages brach er zusammen und hatte einen Gehirninfarkt. Ab da ging es bergab und seine Frau setzte ihn schließlich auf die Straße. So begann er 1996 gleich nach Gründung der Straßenzeitung Kupfermuckn als Verkäufer. Heute wohnt Bertl wieder in einer eigenen Wohnung und ist bei allen Aktivitäten der Straßenzeitung dabei. Er spielt Theater und begleitet seit vielen Jahren die Soziale Stadtführung „Gratwanderung durch das obdachlose Linz“. Er ist ein echtes Kupfermuckn-Urgestein.


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