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Dietmar Kerschbaum: An einem Tisch mit Picassos Muse

Victoria Preining, 08.07.2021 10:58

Brucknerhaus-Intendant Dietmar Kerschbaum erinnert sich im Rahmen seines Gastbeitrages für die 35 Jahre Tips-Jubliäumausgabe an einen ganz besonderen Tag im Jahr 2007.

Kerschbaum aus den Anfängen seiner Künstlerkarriere als international erfolgreicher Tenor. (Foto: Charly Forster)

Der 29. Oktober 2007 wird mir unvergesslich bleiben. Weniger deshalb, weil ich an diesem Tag in Mozarts Zauberflöte an der Met, der Metropolitan Opera in New York, debütierte, was wohl der Traum einer jeden Sängerin und eines jeden Sängers ist. Unvergesslich bleibt mir dieser Abend aus einem anderen Grund. von DIETMAR KERSCHBAUM Der gute Geist der Met war damals die gebürtige Wienerin Sissy Strauss, die als Mitarbeiterin des Betriebsbüros die Künstler*innen betreute. Sie tat das mit so viel Anteilnahme und Liebenswürdigkeit, dass man sich sofort wie zuhause fühlte. Vor allem Debütant*innen nahm sie unter ihre Fittiche und wachte mit mütterlicher Fürsorge über sie. Legendär waren ihre Pasta-Partys in ihrer Wohnung vis a vis der Met, wo Sissy Strauss jene bürgerliche Salonkultur zu einer späten Blüte brachte, als diese in Europa längst Geschichte war. Auch nach der Zauberflöte, in der ich den Monostatos sang, gab sie eine dieser Partys. Nicht nur Stars aus der Welt der Oper traf ich dort an.

Auch Persönlichkeiten aus anderen Metiers waren zugegen, unter anderem der ehemalige Botschafter der USA in Österreich Ronald Lauder. Er betreibt in New York eine Galerie, in die er mich zur Preview einer Ausstellung einlud, in der auch Klimts Goldene Adele zu sehen war – ein mir unvergessliches Ereignis. Beim Dinner wurde mir ein Platz an einem Tisch zugewiesen, an dem auch Kirill Petrenko saß, der Dirigent unserer Zauberflöten-Produktion. Ich kenne ihn schon von seinen Anfängen an der Volksoper her. Heute bekleidet er als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker einen der prestigeträchtigsten Posten in der Welt der Klassik. Ein Gast zog meine und Kirill Petrenkos Aufmerksamkeit besonders auf sich. Es handelte sich um eine ältere, französisch sprechende Dame von enormer Ausstrahlung. Mein Erstaunen war groß, als ich erfuhr, dass es sich dabei um die Malerin Françoise Gilot handelte. Sie, die Pablo Picassos Muse war, ihm zwei Kinder geboren, ihn nach zehn Jahren jedoch verlassen und über ihre Zeit mit ihm sogar ein Buch veröffentlicht hatte, saß plötzlich mir gegenüber. Picasso zählt zu meinen Lieblingsmalern. Mit jemanden sprechen zu können, der ihm so nahegestanden ist, war unglaublich aufregend. Françoise Gilot lud mich und Kirill Petrenko ein, sie in ihrem Atelier zu besuchen. Leider blieb uns damals dafür keine Zeit. Doch wann immer ich seither in einem Museum Bilder von Picasso sehe, muss ich an Françoise Gilot denken, die ihn zu einigen seiner schönsten Meisterwerke inspiriert hat. Sie feiert heuer übrigens ihren 100. Geburtstag.<


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