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"Wegsperren alleine ist zu wenig": Wie das Projekt "Häfnausblicke" jungen Männern in Haft Perspektiven aufzeigt

Anna Fessler, 28.02.2024 10:08

LINZ. Sechs Monate lang setzten sich junge Insassen der Justizanstalt Linz beim Schreiben von Texten mit ihren Geschichten, Träumen und Perspektiven auseinander. Ziel des Projekts „HÄFNausBLICKE“ vom Verein PolitCom war es, die jungen Männer zu stärken und ihnen Perspektiven für das Leben nach der Haft mitzugeben.

Der Verein PolitCom hat ein Schreibprojekt für junge Männer in Haft in der Justizanstalt Linz initiiert. V.l.n.r.:Iris Hofer (Leitung Justizanstalt), Markus Gruber ( Rohrdorfer), Maynat Kurbanova (PolitCom), Martin Mahringer (Arbeiterkammer OÖ), Sabine Kerschbaum (PolitCom), Timna Reisenberger (Arbeiterkammer OÖ) Petra Moser (Radio Fro), Künstler Joel Teodoro, Künstlerin Sara Koniarek und Katharina Dürr (Justizministerium). (Foto: Justizanstalt Linz)
  1 / 3   Der Verein PolitCom hat ein Schreibprojekt für junge Männer in Haft in der Justizanstalt Linz initiiert. V.l.n.r.:Iris Hofer (Leitung Justizanstalt), Markus Gruber ( Rohrdorfer), Maynat Kurbanova (PolitCom), Martin Mahringer (Arbeiterkammer OÖ), Sabine Kerschbaum (PolitCom), Timna Reisenberger (Arbeiterkammer OÖ) Petra Moser (Radio Fro), Künstler Joel Teodoro, Künstlerin Sara Koniarek und Katharina Dürr (Justizministerium). (Foto: Justizanstalt Linz)

Im Zuge von „Häfnausblicke“ verfassten inhaftierte junge Männer unter Anleitung der Journalistin Maynat Kurbanova und dem Künstler Joel Teodoro sehr persönliche Texte und trugen diese im Rahmen einer Lesung und Ausstellung innerhalb der Justizanstalt Linz vor.

„Ich hoffe, ich werde es schaffen, ein besserer Sohn zu sein“

„Als meine Mutter mich das erste Mal im Gefängnis besucht hat, hat mein Herz zu brennen begonnen. Es war sehr schmerzhaft, ich wusste nicht, was ich mit diesem Schmerz machen kann, wie ich ihn loswerden kann und wie ich alles ungeschehen machen könnte. Ich wollte nie ein böser Junge sein. Meine Dummheit und meine Naivität haben mich dazu gebracht, Dinge zu tun, die andere Menschen verletzt haben. Ich hoffe, ich werde es schaffen, ein besserer Sohn für dich zu sein, Mama“, schreibt ein 17-Jähriger Projektteilnehmer.

„Häfnausblicke“: So entstand die Idee

Initiiert hat das Projekt der noch junge Verein PolitCom. Deren Gründerin Sabine Kerschbaum meint zu Tips, dass sie bei ihrer früheren Tätigkeit als Jugendcoach in Justizanstalten erlebt habe, dass junge Männer in Texten viel offener sein konnten als im Gespräch. Die Texte hätten erstaunliche Sehnsüchte und vor allem der Wunsch nach einer beruflichen Perspektive zu Tage gefördert, so die Schreibwerkstattleiterin des Projekts Maynat Kurbanova.“Im Schreiben erlangen sie Selbstwirksamkeit, indem sie möglicherweise zum ersten Mal im Leben mit sich selbst ins Gericht gehen“, so die Journalistin.

„Dass ich arbeiten kann, ist eine große Entlastung für meine Psyche“

Auch der 18-jährige Marko (Name geändert) hat Pläne für das Leben nach der Haft. Er ist seit mehreren Monaten inhaftiert und muss noch ein halbes Jahr absitzen, danach will er einen Führerschein machen und eine Lehre als KfZ-Mechaniker beginnen. Das Projekt habe ihm in mehrerlei Hinsicht geholfen: „Dass ich arbeiten kann, ist eine große Entlastung für meine Psyche, weil so habe ich nicht zu viel Zeit, traurig zu sein und die Minuten und Stunden im Knast zu zählen und beim Projekt kann ich über mich selbst nachdenken und lerne, wie man die Gedanken aufschreiben kann. Und es hilft auch, die Zeit besser zu verbringen.“

PolitCom und Justizanstalt hoffen auf Weiterfinanzierung

Das vom Ausbildungsfonds der Arbeiterkammer Oberösterreich geförderte Projekt verfolgt das vorrangige Ziel, den Teilnehmern aufzuzeigen, wie sie ihre Chancen nach der Haft bestmöglich für sich nutzen können. So wurden auch Bewerbungstrainings angeboten, etwa ein Praxis-Workshop mit Markus Gruber, dem Regionalgeschäftsleiter der Firma „Rohrdorfer“. Er gab den jungen Häftlingen Tipps für künftige Bewerbungen und wies auf die Offenheit des Betriebs gegenüber jungen Menschen, die aus der Haft entlassen wurden, hin. „Wegsperren alleine ist zu wenig“, ist Kerschbaum überzeugt. Deshalb und aufgrund des erfolgreichen Pilots hoffen PolitCom und auch die Justizanstalt auf eine Weiterfinanzierung des Projekts, sagt sie. Der Wunsch wäre auch eine öffentliche Ausstellung mit den Texten und Postern von Künstlerin Sara Koniarek, die einige Textpassagen interpretierte.

„Nie wieder vor dem Richter stehn; und sich entschuldigen“

Die Texte machen eine Sehnsucht nach Familie und Zuhause sichtbar, sie erzählen von Plänen für eine Zukunft ohne Strafen und ohne Drogen und vom Ankommen im Leben „draußen“. Künstler Joel Teodoro zeigte den Insassen in einem Workshop, wie sie die Kunstform „Poetry Slam“ für Selbstreflexion nutzen können. Der folgende Auszug aus dem Text eines jungen Strafgefangenen ist eines der Ergebnisse:

„Keine andere Wahl, wenn du zu Hause nichts zu essen hast. Ich stell mir vor, dieses Leben könnte anders sein. Nie wieder Geldprobleme, nie wieder muss Mama weinen. Doch Mama sagt, Geld liebt die Geduldigen. Nie wieder vor dem Richter stehn; Und sich entschuldigen. Das ist das erste.“


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