Linzer Uniklinikum: Chirurgie bei Epilepsie sehr erfolgsversprechend
LINZ. Ein Drittel der Epilepsiekranken spricht nicht auf Medikamente an. Eine neue Studie bestätigt jedoch Epilepsiechirurgie als sicheres und erfolgversprechendes Verfahren.
„Patienten, die an einer Epilepsie leiden und denen Medikamente nicht helfen, sollten möglichst frühzeitig in ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden“, empfiehlt Primarius Tim J. von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum. Am Standort Neuromed Campus des Linzer Uniklinikums wird mittels modernster Elektroenzephalografie und hochauflösender Kernspintomografie gezielt nach dem Ursprung der epileptischen Anfälle im Gehirn gesucht.
Frühe Untersuchung wichtig
Liegt der Anfallsursprung in einem umschriebenen Bereich der Großhirnrinde und ist klar abgrenzbar, kann eine Operation helfen. „Abhängig von der jeweiligen Diagnose sind danach bis zu 80 Prozent der Kinder anfallsfrei. Bei Erwachsenen liegen diese Werte bei gleichen Diagnosen etwas niedriger“, erklärt von Oertzen. Der Neurologe ist überzeugt: „Je früher Patienten untersucht werden, desto besser.“
Neue Studie veröffentlicht
Unter Leitung des Erlanger Wissenschaftlers Ingmar Blümcke, Direktor des Neuropathologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen und Forscher an der FAU Erlangen-Nürnberg, wurden die Daten von 9.523 Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie ausgewertet. Die Studienergebnisse wurden jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Zehn typische Hirnschädigungen als Auslöser
36 Epilepsiezentren aus zwölf europäischen Ländern haben ihre Behandlungsdaten seit 2006 in die von der EU geförderte European Epilepsy Brain Bank (EEBB) eingegeben. „Die Auswertung der Daten hat gezeigt, dass in 86 Prozent der Fälle zehn typische Hirnschädigungen der Epilepsieauslöser waren“, stellt Blümcke, der die EEBB gründete, fest. „Das macht die Diagnostik einfacher, weil gezielt nach diesen Läsionen gesucht werden kann“, ergänzt Primarius von Oertzen.
Epilepsiechirurgie ist sehr sicheres Verfahren
Bei 76 Prozent aller Patienten begann die Epilepsie bereits im Kindesalter. Operiert wurde im Mittel erst 16 Jahre nach Anfallsbeginn. „Unsere Studienergebnisse zeigen, dass die Erfolgsquote einer epilepsiechirurgischen Therapie bei jungen Patienten am höchsten ist“, unterstreicht OA Dr. Willibald Wies von der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Kepler Uniklinikum. Leider werde die Epilepsiechirurgie oft als letzte Behandlungsmöglichkeit nach dem Scheitern jeglicher Arzneimitteltherapie angesehen. „Moderne Operationstechniken machen die Epilepsiechirurgie in unserem spezialisierten Zentrum aber zu einem sehr sicheren Verfahren“, fügt OA Wies hinzu.
7.000 Oberösterreicher leiden an Epilepsie
Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) schätzt die Zahl der Menschen mit Epilepsie weltweit auf über 50 Millionen, ca. 7.000 davon in Oberösterreich. Zusätzlich erkrankt alle sieben Stunden in Oberösterreich ein Mensch neu an Epilepsie. Etwa ein Drittel von ihnen spricht nicht auf Medikamente an. Kann bei diesen Patienten eine umgrenzte Gehirnläsion nachgewiesen werden – beispielsweise gutartige Tumore, Fehlbildungen der Hirnrinde, Narben oder ein Nervenzellverlust im Hippocampus – und steht diese mit dem Anfallsursprung in direktem Zusammenhang, ist ein epilepsiechirurgischer Eingriff möglich.
Vollständige Anfallsfreiheit ein Jahr nach der Operation
In über 70 Prozent der Fälle wurden die Studienpatienten im Bereich des Schläfenlappens operiert. Die rechte und die linke Gehirnhälfte waren gleich häufig betroffen. Männer und Frauen wurden gleich häufig operiert. Eine vollständige Anfallsfreiheit bestand ein Jahr nach der Operation bei 65 Prozent aller operierten Kinder (79,9 Prozent mit gutartigen Tumoren) und bei 58 Prozent der Erwachsenen (63,5 Prozent mit Tumoren). 7,7 Prozent der Patienten zeigten keine mikroskopisch nachweisbare Veränderung im Gehirn. „Dieser Gruppe von Patienten sollte man besondere Aufmerksamkeit schenken, da hier neue Mechanismen der Entstehung der Epilepsie wie z. B. molekulargenetische Fingerabdrücke, erforscht werden können“, berichtet Serge Weis, Neuropathologe am Kepler Uniklinikum.
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