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Eine Vereinsobfrau, die für den Erhalt des Linzer Stadions kämpfte

Yannik Bogensperger, 10.01.2022 14:04

LINZ. Michaela Anzinger stand 2019 an der vordersten Front einer Petition gegen den Abriss des Linzer Stadions auf der Gugl. Im vergangenen Jahr war es jedoch soweit – das Gugl-Oval wurde abgerissen. Was sie heute darüber denkt, warum sie ihre Meinung trotz der angeblichen Leichtathletik-Infrastruktur-Offensive des Landes sowie der Stadt nicht änderte und warum sie im Dezember als Obfrau des Leichtathletik-Klubs ATSV Linz zurücktrat, erzählt die 41-Jährige im Tips-Interview.

Als Trainerin ihrer Breitensportgruppe bleibt Michaela Anzinger (vorne) dem Verein trotz ihres Rücktritts weiterhin erhalten. (Foto: Michaela Anzinger)
Als Trainerin ihrer Breitensportgruppe bleibt Michaela Anzinger (vorne) dem Verein trotz ihres Rücktritts weiterhin erhalten. (Foto: Michaela Anzinger)

Tips: Sie waren seit 2015 Obfrau des ATSV Linz. Was war der ausschlaggebende Grund für den Rücktritt im Dezember des vorigen Jahres?

Michalea Anzinger: Ich fühlte mich so unverstanden. Wir als Vereine bemühen uns und kämpfen ums Überleben. Es gibt einen undurchsichtigen Förderdschungel. Wir haben zu wenige Trainer, zu wenige Funktionäre, bei uns hat ein Trainer drei zusätzliche Funktionärstätigkeiten. Das ist alles sehr zusammengepresst, weil es sich sonst nicht ausgeht. Der ATSV Linz wird mit vier Leuten geführt, die alle sehr viele Funktionen ausüben. Du kannst als Verein nicht raus aus dem, du hast die Politik und den Dachverband über dir. Die Ressourcen und Förderungen gehen in der Pyramide so verloren, dass du dann als kleiner Verein ums Überleben kämpfst. Mit meinem Rücktritt wollte ich jemanden für den Verein finden, der das politisch besser machen kann als ich. Ich habe durch meine Erlebnisse schon zu viele Vorurteile gegenüber der Politik.

Tips: Was genau meinen Sie mit dem Förderdschungel?

Anzinger: Das Fördersystem ist ja nicht schlecht, wir müssen gewisse Leistungen erbringen, dann bekommen wir gewisse Förderungen. Das ist beim Dachverband aber sehr kompliziert, die leben in der Vergangenheit. Das muss einmal aufgezeigt werden. Du musst da 15 Formulare ausfüllen mit blauem Stempel und blauer Unterschrift. Es soll für Vereine möglichst einfach sein. Ich verlange von einem Dachverband, der die Arbeit hauptberuflich macht, es den Vereinen zu erleichtern. Wir arbeiten alle Vollzeit. Da soll das so unkompliziert mit so wenig Zeitaufwand wie möglich sein. Das ist es aber noch nicht.

Tips: Das heißt, Sie meinen damit bürokratische Hürden?

Anzinger: Ja, genau. Du musst einen irrsinnigen bürokratischen Aufwand betreiben, damit du beispielsweise 50 Euro Fahrtkostenzuschuss bekommst, weil du zu einer Meisterschaft nach Vorarlberg fährst. Ich denke da zu wirtschaftlich. Da sind fünf Leute damit beschäftigt, inklusive Trainer, die das ganze Wochenende dort sind und wir bekommen dann, nachdem wir 15 E-Mails geschrieben haben und mit der Post alle Ergebnislisten herumschicken, 50 Euro.

Tips: Was waren die Reaktionen auf Ihren Rücktritt?

Anzinger: Leute, die selber im Verein oder auch bei anderen Vereinen tätig sind, haben mir zu diesem Schritt gratuliert. Das spricht halt auch dafür, dass sich in der Vereinsarbeit etwas ändern muss, weil es sonst schlecht aussieht für diese. Ich hätte mir nicht gedacht, dass da so viele positive Reaktionen kommen. Das sind eben auch Leute, die im Verein kämpfen und sich genau über die gleichen Sachen ärgern wie ich. Aber die sind halt noch nicht soweit, auf den Tisch zu hauen.

Tips: Inwiefern hat Ihnen die Unterstützung der Politik gefehlt?

Anzinger: Ich finde, unsere Politik denkt zu wenig wirtschaftlich. Ich bin selber in der Wirtschaft tätig. Die bestehende Sport-Infrastruktur, zum Beispiel das Stadion auf der Gugl, wurde teuer gebaut und umgebaut. Diese bestehende Infrastruktur wurde überhaupt nicht nachhaltig genutzt. Es hieß dann, das brauchen wir nicht mehr. Dann reißt man das alles einfach weg und baut etwas Neues. Das kostet alles eine Menge Geld. Das ist für mich Ressourcenverschwendung. Das ist überhaupt nicht nachhaltig. Ich habe durch meinen Beruf in der Wirtschaft einfach einen anderen Blickwinkel als zum Beispiel Personen, die hauptberuflich im Sport tätig sind.

Tips: Der LASK wollte eben ein reines Fußballstadion. Haben Sie dafür Verständnis?

Anzinger: Ja, dass der LASK ein eigenes Stadion bekommt, da bin ich eh dafür. Aber es wurde nicht wirklich nachgedacht, der Standort ist verkehrstechnisch eine Katastrophe. Es ist nicht zusammenhängend gedacht worden für den gesamten Sport. Für den Fußball ist das vielleicht gut, aber an den nachkommenden Ratenschwanz denkt niemand.

Tips: Es gab dann die Lösung in Form einer neuen Leichtathletik-Arena Traun, die nun zerplatzt ist?

Anzinger: Ja, wir haben sofort vom Land OÖ ein Paket geschnürt bekommen. Wir hatten damals viele Sitzungen und Diskussionen innerhalb des Verbandes. Ich war immer sehr skeptisch und sagte: Die versprechen uns etwas, das nicht eingehalten wird oder wieder anders kommt. Was ist, wenn Bewilligungen nicht durchgehen, es hieß, es wird alles so passieren, wie es uns die Politik verspricht. So war es aber nicht.

Tips: Welche Versprechungen sind nicht gehalten bzw. bis dato nicht umgesetzt worden?

Anzinger: Zum Beispiel das Trauner Stadion oder bei der Diözese, wo die Zehnkampf-Union einen Platz bekommt. Da ist noch nicht einmal mit dem Bau begonnen worden. Wir (ATSV Linz, Anm. der Redaktion) können uns eh glücklich schätzen, dass der Polizeisportplatz in der Derfflingerstraße hoffentlich heuer fertig wird. Da fehlen auch ein paar Baubewilligungen. Es hat sich alles verzögert und ist anders geworden. Wir trainieren jetzt alle auf einem Sportplatz (in der Wieningerstraße, Anm.). Das ist nicht zufriedenstellend.

Tips: Bei der Pädagogischen Hochschule der Diözese liegt die Bauverzögerung deshalb vor, weil die Baugenehmigung der Stadt Linz noch fehlt.

Anzinger: Als das Sportpaket geschnürt wurde, gab es noch keine einzige Baubewilligung und das wurde aber nicht kommuniziert. Ich habe immer nachgefragt, ob es Baubewilligungen gibt.

Tips: Hatten Sie vereinsintern Unterstützung für Ihre Anliegen und Sorgen?

Anzinger: Ja, ich habe diese Petition gegen den Gugl-Abriss gestartet. Da habe ich mich an die vorderste Front gestellt und irrsinnig viel Unterstützung bekommen, auch von Leuten, die nichts mit der Leichtathletik zu tun haben. Auch von Fußballern. Wir wussten, es wird nichts an der Situation ändern, aber wir wollten einfach nicht unseren „Mund halten“.

Tips: Hatten Sie Befürchtungen, dass dieser Protest nachteilige Folgen für Sie als Person oder für den Verein haben könnte?

Anzinger: Ja, hatte ich. Aber ich habe mir dann gedacht, sie können persönlich oder rechtlich nicht gegen mich vorgehen. Und als Verein hatten wir den Dachverband hinter uns. Ich wurde aber vom Fach- und Dachverband sehr oft angerufen und gebeten „meinen Mund zu halten“.

Tips: Aber nicht wenige Sportler loben Oberösterreich oder sehen gar eine Vorreiterrolle. Die Leichtathletik-Halle in der Wieningerstraße gilt schließlich als die modernste und größte Leichathletik-Indoor-Trainingsstätte Österreichs. Was sagen Sie dazu?

Anzinger: Ja, das stimmt, aber es sehen halt viele die Hintergründe nicht. Diese Halle wurde gebaut, weil wir die damalige Intersport-Arena nicht mehr nutzen konnten, weil zu viele Veranstaltungen drinnen waren. Ich verstehe, dass für Veranstaltungen mehr Geld an die Stadt Linz geht, als wenn wir da unsere Runden laufen. Aber die wurde ja ursprünglich als Leichtathletik-Halle gebaut. Die war super modern, dann hat man die „Kornspitz-Arena“ in der Wieningerstraße gebaut. Im Nachhinein kam man jetzt drauf, dass sich der Landesverband (Oberösterreichische Leichtathletik Verband, Anm.) die Betriebskosten nicht leisten kann. Der war jetzt zwei Jahre im Minus, weil die Betriebskosten so hoch waren. Das hat eben keiner gezahlt. Das wissen die Leute halt nicht. Es wird aber immer hervorgehoben, wie toll alles ist. Es ist eine tolle Halle, aber sie ist eben aus der Not entstanden, weil uns die Intersport-Arena weggenommen wurde.

Tips: Aber ihr könnt in der Kornspitz-Arena in der Wieningerstraße trainieren, oder? Hat das Betriebskosten-Thema auf euch als Vereine Auswirkungen?

Anzinger: Wir zahlen Jahres- oder Saisonkarten. Das ist alles kein Problem, aber das wurde vorher nicht kommuniziert, es hieß, wir können da alle gratis hinein. Es ist kein Problem, wenn man etwas zahlt, aber es geht sich trotzdem nicht aus. Wenn das von Anfang an klar kommuniziert wird, habe ich kein Problem.

Tips: Die generelle Kritik empfinden jedoch viele als überschießend, weil Oberösterreich ja infrastrukturell im Sport ja nicht schlecht dasteht, oder?

Anzinger: Ja, aber das ist für mich Geldverschwendung. Hätten wir im Stadion bleiben können, hätten wir die anderen Ausgaben nicht gebraucht.

Tips: Was würden Sie anders machen, wenn Sie sportpolitische Entscheidungen treffen könnten?

Anzinger: Erstens eine fairere Geldverteilung, auch wenn ich weiß, dass es diese nie geben wird. Leichtathletik ist leider eine Randsportart, obwohl wir meiner Meinung nach die Basis für alle Sportarten sind. Fußball oder Eishockey bekommt mehr Geld, weil da mehr Interesse von der Allgemeinheit vorhanden ist. Ich würde versuchen, die Stellenwerte der Randsportarten zu erhöhen und diese mehr in den Blickpunkt rücken. Leichtathletik, Judo, Schwimmen und andere Sportarten sind wichtig. Aber nicht nur der Leistungssport. Ich würde generell Leute dazu bewegen, sich zu bewegen. Zudem würde ich die Leute dazu animieren, Vereinen beizutreten und mitzuhelfen. Aber ich sage nicht, dass ich es besser machen würde, wenn ich in der Politik wäre. Ich würde versuchen, das Ganze wirtschaftlicher und nachhaltiger anzugehen.

Tips: Die Zuschauerzahlen in der Leichtathletik haben sich leider nach unten bewegt - was sagen Sie zu dieser Entwicklung? 

Anzinger: Es gehört attraktiver gemacht. Ich erinnere mich an Gugl-Meetings im Stadion in den 80er und 90er Jahren, da war es knallvoll. Jetzt hast du keinen einzigen Zuschauer. Die einzigen, die kommen, sind Eltern und Betreuer.

Tips: Haben Sie eine Erklärung dafür?

Anzinger: Wir wissen es nicht. Vielleicht, weil es schon so viele Angebote gibt. Obwohl die Sportart - wenn man sich ein bisschen auskennt - irrsinnig spannend zum Ansehen ist. Es fehlen halt auch ein wenig die Zugpferde, wir haben zwar jetzt mit einer Ivona Dadic, einer Verena Preiner (nun Verena Mayr, Anm.) oder einem Lukas Weißhaidinger wirklich sehr, sehr gute Leute, die man als Zugpferde nutzen kann. Aber irgendwie funktioniert es doch noch nicht ganz so.

Tips: Sprechen wir zum Abschluss des Interviews noch über ein paar sportliche Themen. Wie sind Sie eigentlich zum ATSV Linz und in die Leichtathletik gekommen?

Anzinger: Durch meine Eltern, meine Mama ist jetzt auch noch Masters-Athletin, macht noch bei Europa- und Weltmeisterschaften in ihrer Altersklasse mit. Durch sie bin ich eigentlich zum Verein gekommen. Ich wollte bereits mit drei Jahren laufen. Sechs bis sieben Jahren habe ich Wettkämpfe gemacht und bis 2007 habe ich Leistungssport betrieben. Ich war beim Europacup und internationalen Nachwuchsmeisterschaften dabei. Da bestehen heute noch Freundschaften.

Tips: Geben Sie Ihre Erfahrungen heute noch weiter?

Anzinger: Ja, ich erkenne das, wenn jemand Talent und Kopf hat. Die Kopfstärke ist in der Leichtathletik sehr wichtig.

Tips: Sind Sie jetzt noch als Trainerin tätig?

Anzinger: Ja, ich habe eine Breitensportgruppe, weil mir auch der Breitensport wichtig ist im Verein. Ich finde, die Vereine haben viel mehr gesellschaftliche Verantwortung als wir glauben. Mit denen mache ich einmal in der Woche ein Kraftausdauer-Training.

 


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