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Christoph Jungwirth zu Pflegefachkräften: "Kein Engpass, sondern akuter Mangel"

Karin Seyringer, 27.07.2018 11:39

OÖ.  „Es gibt Anzeichen für Engpässe und es gibt Engpässe. Im Bereich der Pflege sind wir über diese beiden Stufen längst hinaus“, so Christoph Jungwirth, Geschäftsführer des BFI Oberösterreich. „Hier herrscht akuter Mangel an Fachkräften.“ Aktuelle Zahlen des Landes Oberösterreich würden belegen, wie dramatisch die Situation tatsächlich sei: So würden bis zum Jahr 2025 in Oberösterreich rund 1.600 Personaleinheiten in Vollzeit benötigt werden. Schon jetzt könnten Heimplätze zum Teil nicht belegt werden, weil die Altenheime zu wenige qualifizierte Mitarbeiter hätten.

Christoph Jungwirth, Geschäftsführer des BFI Oberösterreich. Foto: BFI
Christoph Jungwirth, Geschäftsführer des BFI Oberösterreich. Foto: BFI

In den Jahren 2011 bis 2016 wurden jährlich rund 500 Fachsozialbetreuer mit Schwerpunkt Altenarbeit ausgebildet. Aufgrund der sinkenden Anmeldezahlen sind es aktuell weniger als 400 pro Jahr. Die Gründe für den Rückgang seien vielschichtig, so Jungwirth. „Zwar interessieren sich nach wie vor viele Menschen für die Ausbildung, aber sie können sie dann aus finanziellen Gründen nicht antreten, weil sie nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen“, nennt Jungwirth ein großes Hindernis.

Zwei Jahre Ausbildung

Die Ausbildung zum Fachsozialbetreuer mit Schwerpunkt Altenarbeit, die am BFI Oberösterreich seit dem Jahr 2007 angeboten wird, umfasst 2.400 Unterrichtseinheiten und dauert zwei Jahre. „Zwei Jahre ohne geregeltes Einkommen – das ist für die meisten einfach nicht machbar.“ Die Ausbildungen werden vom Land Oberösterreich finanziert und sind somit kostenlos. Dabei übersteigt die Anzahl der Ausbildungsplätze die der Teilnehmer. Für einen Teil der Interessenten gibt es Finanzierungsmöglichkeiten über Arbeitsstiftungen aber nicht alle erfüllen die dafür notwendigen Voraussetzungen.

Stipendium gefordert

Deswegen fordern der Geschäftsführer des BFI und Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer, dass die Ausbildung dringend wieder in die Liste der vom Fachkräftestipendium geförderten Ausbildungen aufgenommen wird, oder eine andere Form von Stipendium der öffentlichen Hand geschaffen wird.

Keine Crash-Kurse wie in Deutschland

„Wir müssen so schnell wie möglich handeln“, betont Jungwirth. „Denn je länger wir warten, desto schwieriger wird es sein, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten.“ Schließlich gehe es ja im Besonderen um die Qualität in der Altenpflege und -betreuung. „Wir reden hier von Menschen, die Zuwendung und Hilfe benötigen.“ Der Beruf erfordert enorm viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Jungwirth warnt vor Entwicklungen wie in Deutschland, wo der Pflege ebenfalls die Kräfte ausgegangen sind. „Viele Alten- und Pflegeheime behelfen sich dort angesichts der akuten Personalnot mit angelerntem Personal.“ Dieses würden meistens im Schnellverfahren ausgebildet. „Dass darunter die Qualität leidet, leuchtet wohl jedem ein“, so Jungwirth.

Pflegende werden mehr, pflegende Angehörige weniger

Die Brisanz der Thematik rührt nicht nur von der demografischen Entwicklung her. Denn parallel zur Zunahme von Pflegebedürftigen ist eine Abnahme der pflegenden Angehörigen zu beobachten. Oft leben die Kinder oder die Verwandten weit entfernt und sind beruflich stark eingebunden, sodass es ohne professionelle Hilfe nicht geht. „Selbst wenn die Zahl der Pflegebedürftigen gleich bliebe, würde mit der sinkenden Zahl pflegender Angehöriger automatisch der Bedarf an ambulanter und stationärer Pflege wachsen – und damit der Bedarf an Fachkräften“, so Jungwirth.


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