Tips-Sommergespräch: Auf einen Kaffee mit LinzPlus-Fraktionsobmann Lorenz Potocnik
LINZ. Tips hat LinzPlus-Fraktionsobmann Lorenz Potocnik im Eissalon Surace getroffen, um mit ihm über seinen Weg in die Politik, die Ziele der Fraktion und natürlich das Thema Stadtentwicklung zu sprechen.
Tips: Warum sind Sie Politiker geworden?
Lorenz Potocnik: Ich habe Architektur studiert, geglaubt ich werde mich auf Industriebau spezialisieren und dann hatte ich ein Erweckungserlebnis. Es war ein Satz meines damaligen Professors an der TU Wien, Kunibert Wachten. Das war Mitte der 90er Jahre, als in Wien diese ganzen UCI-Kinos, also Megaplex-Kinos entstanden sind, gefühlt zehn auf einmal und jeder hat sich gefragt, wie das gut gehen soll. Jedenfalls hat er gesagt: ‚Die Stadt müsste bei den Kinobetreibern eine Kaution einfordern, sie sollen auf einem Treuhandkonto einige Millionen Abwrackprämie deponieren.‘ So nach dem Motto: Wenn ihr in einem Jahr bankrott seid, haben wir als Stadt, als öffentliche Hand, das Geld, um die Gebäude wieder abzubrechen. Weil das sind Betonmonster, die man zu nichts anderem nutzen kann, Sperrmüll. Und diese Geschichte hat in mir unglaublich viel ausgelöst. Nach dem Studium habe ich ein Architekturbüro mitgegründet und dann in Linz auf der Kunstuni unterrichtet, und da habe ich mich in die Stadt Linz verliebt. Was auch entscheidend ist: meine Mama ist Linzerin und irgendwie ist dieses Linz – ich bin ja im Ausland groß geworden und in Wien geboren – ein Stück Heimat. Aber wäre die NEOS nicht entstanden, wäre ich nicht in der Politik gelandet. Als früher LIF-Wähler habe ich mir gedacht, da spring ich jetzt auf und probiere das.
Tips: In was haben Sie sich an Linz verliebt?
Lorenz Potocnik: In das Potential, in dieses ein bisschen hässliche Entlein. Mich haben immer diese Zweitstädte interessiert.
Tips: Also Linz, wie es sein könnte?
Lorenz Potocnik: Ja. Der Hafen, die Voest, die Donau… ich habe ein Jahr in Rotterdam gelebt – da hat mir auch der Hafen, dass bissl dreckige gefallen. Amsterdam ist das schöne alte, Rotterdam ist das neue, dynamische. In Linz hat mich – das, was mich heute ehrlicherweise manchmal stört –auch gereizt.
Tips: Die Schwerpunkte von LinzPlus liegen bei der Stadtentwicklung und der Pflege. Warum gibt es keine initiativen und Anträge zum Thema Integration?
Lorenz Potocnik: Grundsätzlich ist das ein wichtiges Thema, wir streifen es immer wieder, etwa mit dem politischen Islam, da sind wir sehr pointiert. Aber ich glaube, als kleine Fraktion musst du einen spitzen Nagel haben und den tief hineintreiben. Du bist auch um vieles glaubwürdiger, wenn du Themen behandelst, bei denen du dich wirklich auskennst. Renate muss beim Thema Pflege nicht recherchieren, die hat das in den Muskeln und Fasern drinnen und bei mir ist es mit der Stadtplanung so.
Tips: Was würden Sie als Erfolg für LinzPlus verbuchen in diesen Bereichen?
Lorenz Potocnik: Alle zwei, drei Tage denke ich mir, das geht auf uns zurück. Als kleine Opposition ist es schwer zu sagen, kann sogar hinderlich sein. Wenn man so eine scharfe Opposition macht, wie wir, dann gibt’s Kontra. Im Idealfall bringen wir etwas in die Debatte ein, dann übernimmt es jemand, und am Ende freuen wir uns, dass wir die Idee eingebracht haben.
Tips: Wo muss LinzPlus noch besser werden?
Lorenz Potocnik: Dafür, dass wir zu zweit sind, sind wir sehr aktiv und machen viel. Im Stil könnte ich es noch verbessern, teilweise habe ich schon so eine Wut – weil ich auch sehe und verstehe was in der Stadtentwicklung passiert oder nicht passiert. Ich weiß nicht, ob ich da draufdreschen soll, soll ich es witzig machen, Ideen liefern – ich habe das Gefühl, ich könnte das im Stil noch appetitlicher machen und das Ziel für die nächste Wahl muss sein, mehr Gewicht aufzubauen.
Tips: Wenn Sie die Wahl schon ansprechen – was ist das konkrete Ziel für LinzPlus und werden Sie als Bürgermeisterkandidat antreten?
Lorenz Potocnik: Ich weiß nicht, ob ich nochmal als Bürgermeister antrete, realistisch war das sowieso nie. Es ist auch nicht sicher, ob ich als Spitzenkandidat wieder antrete, vielleicht machen wir auch einen Rollentausch. Aber die SPÖ gehört weg von den Hebeln und der einzig realistische Gegenkandidat ist in meinen Augen Martin Hajart. Da könnte ich mir vorstellen, dass sich die kleinen zusammentun und sagen: statt sieben oder acht Kandidaten versuchen wir gemeinsam einen Bürgermeister-Kandidaten zu unterstützen.
Tips: Sie haben schon in vielen Städten gelebt, sind viel herumgekommen – was machen andere Städte besser als Linz?
Lorenz Potocnik: In Bratislava ist ein Architekt Bürgermeister, der macht genau das was hier nicht gemacht wird, er kümmert sich. Es sind viele kleine Sachen – Sauberkeit, Bäume pflanzen, Radwege. Amsterdam und Rotterdam arbeiten seit Jahrzehnten professionell an ihrer Entwicklung – Standortpolitik, Wirtschaftspolitik, Mobilität. Das Fahrrad ist Teil des Pakets und so interessant, weil es das leistungsfähigste Verkehrsmittel bis 10 km ist, neben Bus und Bim. Das betreiben die Niederländer hochprofessionell. Anderes Beispiel: der ruhende Verkehr verbraucht 40 Prozent des öffentlichen Raums – Kopenhagen reduziert den jährlich um 2 Prozent – jeder weiß das, das gibt Planungssicherheit.
Tips: Eine Kritik, die von Ihnen immer wieder kommt, ist, dass die Linzer Stadtplanung zu investorengetrieben ist. Sie haben in der Vergangenheit z.B. die Vorgehensweise beim Schillerpark kritisiert. Was soll eine Stadt aus Ihrer Sicht vorgeben?
Lorenz Potocnik: Eine starke selbstbewusste Stadt oder Stadtplanung entwickelt eine eigene Vorstellung im öffentlichen Interesse. Wäre ich hier Bürgermeister oder was auch immer, dann würde ich, egal wie, in einem offenen Prozess Ideen erarbeiten – da nähert man sich mit Inhalten, mit Volumenstudien, Nutzungskonzepten… und der Investor ist natürlich mittendrin. Aus dem Prozess ergibt sich etwas und dann kann der Investor machen oder nicht. Jetzt ist es umgekehrt: der Investor kauft, träumt sich im konkreten Fall beim Schillerpark zu Beginn ein 130-Meter-Hochhaus und eine Tiefgarage unter dem Park, dann macht er einen geheimen Wettbewerb, aber es passiert nichts.
Tips: Was könnte denn ein Bürgermeister machen – schlussendlich kann man einen Investor einladen und wenn er 'Nein' sagt, was dann?
Lorenz Potocnik: Man kann nur kooperativ auf ihn zugehen, das scheint zwar weich, aber das ist die Macht des Bürgermeisters – er kann auch anbieten. Als Stadt kann ich zum Beispiel den Park noch schöner machen, sauber halten, ich kann Wissen aus der Stadtplanung zur Verfügung stellen… das ist schon viel. Aber wenn er nicht mitmacht, macht er nicht mit…
Tips: Abgesehen davon – was soll die Stadt vorgeben?
Lorenz Potocnik: Ganz einfach – da gibt es einen Bebauungsplan, der ist gültig und daran gibt es nichts zu rütteln. Das ist der mächtige Hebel, den die Stadt hat. Die Kommunen haben mehrere Instrumente, das Örtliche Entwicklungskonzept – das hält planlich und schriftlich die Ziele für die Zukunft fest. Dann ist da der Flächenwidmungsplan – der hält die Nutzung fest, ob für Industrie, Wohnen, Gewerbe etc. gewidmet ist und es gibt den Bebauungsplan. Der ist schon ziemlich scharf und sagt ‚so hoch darfst du da bauen‘, das ist sehr grob gesprochen das Bauvolumen. Und alle drei sind verbindlich.
Tips: Aber Bebauungspläne und Flächenwidmungspläne werden im Gemeinderat doch laufend geändert?
Lorenz Potocnik: Das ist das Problem. Es ist grundsätzlich alles verbindlich, aber es kann über Beschlüsse verändert werden. Das ist ja mein Vorwurf, dass sie da so fahrlässig damit umgehen. Der Gemeinderat widmet viel zu leichtfertig um. Was auffällig ist: dass es ganz kleine Bebauungsplan-Änderungen sind, fast schon parzellenhaft. Für das Geviert Langgasse-Seilerstätte-Rudigierstraße-Landstraße gibt es gar keinen Bebauungsplan, ich habe gefordert, dass da einer kommt. Das ist eine gute Größe, weil mitschwingt, dass da ein städtebaulicher Gedanke dahinter ist. Es geht um mehrere Blöcke, ich muss mir als Stadt also den Kontext überlegen.
Tips: Aber der Bebauungsplan ist grundsätzlich ein gutes Instrument?
Lorenz Potocnik: Ja.
Tips: Und wie sieht es mit dem Gestaltungsbeirat aus?
Lorenz Potocnik: Seit 2015 war ich mit einer Ausnahme bei jeder Sitzung, grundsätzlich ist es ein gutes Instrument, das solide arbeitet. Wir müssen froh sein, dass es da ist, es hebt die Qualität. Aber es gibt zwei Schwächen: es hängt sehr stark von der personellen Zusammensetzung ab und es gibt nicht ausreichend Methodik. Es bräuchte eine Checkliste, die für jedes Projekt angewandt wird. Und: der Beirat wird missbraucht, um Projekte durchzumanövrieren, die dort gar nicht reingehören, weil die städtebauliche Auseinandersetzung nicht stattgefunden hat; Es wurde schon mehrmals versucht, Hochhäuser in den Beirat zu tun, aber dafür ist das Gremium nicht gemacht. Der Gestaltungsbeirat ist gemacht für normale Häuser, aber nicht für Stadtplanungsprozesse.
Tips: Sie sagen, die Entscheidung ‚wie hoch soll das Hochhaus sein‘ gehört nicht in den Gestaltungsbeirat?
Lorenz Potocnik: Richtig, das ist nicht die Aufgabe des Gestaltungsbeirats. Im Prinzip ist es einfach: sobald es eine Bebauungsplanänderung braucht, muss es raus aus dem Gestaltungsbeirat.
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