Portugal führt die Vier-Tage-Woche ein

Johanna  Pauls Gastautor Johanna Pauls, 08.06.2023 17:59 Uhr

Immer mehr Länder experimentieren mit der Einführung der Vier-Tage-Woche. Nun zieht Portugal nach.

Die Vier-Tage-Woche ist in aller Munde: Voller Lohnausgleich bei verkürzter Arbeitszeit und gleichbleibendem Workload - kann das funktionieren? In Europa hatten innerhalb der letzten drei Jahre unter anderem Belgien, Island, Großbritannien und Spanien das Modell zumindest probeweise eingeführt. Auch in Portugal wird das verkürzte Arbeitszeitmodell nun getestet. 

Freiwillige Teilnahme für Unternehmen

Die Teilnahme an dem Pilotprojekt ist freiwillig. Bewerben konnten sich Unternehmen aus dem portugiesischen Privatsektor. Der Übergang wurde durch die weltweit agierende Non-Profit-Organisation „4 Day Week Global“ in Zusammenarbeit mit der portugiesischen Regierung unterstützt, eine finanzielle Anreize von staatlicher Seite gibt es vorerst nicht. 

Insgesamt nehmen 39 private Unternehmen an dem sechsmonatigen Projekt teil, darunter ein Pflegeheim, eine Stammzellenbank, Handwerks- und Handelsbetriebe. Einige davon hatten bereits vor dem offiziellen Projektstart Anfang Juni ein ähnliches Modell gestartet und führen dies im Rahmen der frisch gestarteten Initiative nun weiter. Die Unternehmen verpflichten sich im Zuge dessen zu einer Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, können das Projekt jedoch jederzeit ohne Vorwarnung abbrechen. 

Gleichbleibende Produktivität bei weniger Arbeit

„4 Day Week Global“ möchte mit dem Projekt vor allem Arbeitnehmer entlasten. Durch ein niedriges Stresslevel soll Burnouts vorgebeugt und die mentale sowie körperliche Gesundheit der Arbeitenden berücksichtigt werden. Weiters soll Arbeitenden so eine gesündere Work-Life-Balance ermöglicht werden. 

Und tatsächlich kommt eine Studie, die den bisher größten Vier-Tages-Testlauf in Großbritannien untersuchte, kommt zu einem positiven überwiegend positiven Ergebnis. Im Vereinigten Königreich wurde, wie in Portugal, zunächst mit einem sechsmonatigen Pilotprojekt gestartet. 

Von Sommer bis Winter 2022  nahmen rund 3000 Personen und 61 Unternehmen an dem Projekt teil. Nach Abschluss der Pilotphase erklärten 90 Prozent der teilnehmenden Arbeitnehmer, die verkürzte Arbeitswoche fortführen zu wollen. Weitere 40 Prozent gaben an, dass sich die zeitliche Entlastung zu positiv auf ihre mentale  Gesundheit ausgewirkt habe. Die teilnehmenden Unternehmen erklärten, dass die Produktivität trotz verkürzter Arbeitszeit gleich geblieben sei und berichteten zudem von erhöhten Gewinnen. Ganz so uneigennützig wie auf den ersten ist die Arbeitszeitverkürzung für die Unternehmen also nicht. 

Ein Projekt in den Kinderschuhen

In Belgien war ein entsprechendes Gesetz erst im November letzen Jahres in Kraft getreten. Dort dürfen Angestellte seit dem selbst entscheiden, ob sie vier oder fünf Tage in der Woche arbeiten wollen. Der große Vier-Tages-Hype bleibt bis dato dennoch aus: weniger als 1 Prozent der Angestellten im Privatsektor entscheiden sich derzeit für das alternative Modell.

Grund dafür sei laut Unternehmensberatung Securex einerseits die noch anhaltende Zurückhaltung von Arbeitgebern, die sich noch nicht vollends von den Vorteilen der Vier-Tage-Woche überzeugt zeigen. Zudem befürchten die Unternehmen einen erhöhten administrativen Aufwand, der sich negativ auf die Struktur und Organisation innerhalb des Betriebs, besonders in jenen mit wenigen Mitarbeitenden, auswirkt. Trotz steigenden Interesses wird sich in Europa also noch langsam an das progressive Arbeitszeitmodell herangetastet. Weiterführende Studien zu den Auswirkungen der Vier-Tage-Woche in Europa dürften in naher Zukunft zu erwarten sein und könnten, je nach Ergebnis, dazu führen, dass sich das Modell weiter verbreitet.

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