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Hinschauen und handeln bei Sucht am Arbeitsplatz

Tips Logo Anna Fessler, 06.10.2022 16:32

OÖ. Suchtkranke Menschen kommen in vielen Fällen erst nach einer langen Leidensgeschichte in Behandlung. Wenn ein Mitarbeiter in der Arbeit Auffälligkeiten zeigt, sollte möglichst früh interveniert werden. Das liegt auch im Interesse des Arbeitgebers und der Kollegen.

Hinschauen statt Wegschauen ist in der Suchtprävention zentral. (Foto: Prostock-studio/stock.adobe.com)

Suchterkrankungen sind häufig, so Primar Kurosch Yazdi-Zorn, Vorstand der Klinik für Psychatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Kepler Universitätsklinikum, vermutet, dass in Oberösterreich fast jeder Betrieb Mitarbeiter mit zumindest problematischem Konsumverhalten beschäftigt. Entscheidend sei dabei „Hinschauen statt Wegschauen“. Von einem frühem Eingreifen und einer Unterstützung des betroffenen Mitarbeiters profitieren letztlich auch die Arbeitgeber.

Immer noch Tabuthema

Durch die Tabuisierung des Themas gäbe es aber immer noch ein Interventionsproblem, so so Herbert Baumgartner, Stellvertretender Leiter am Institut für Suchtprävention der pro mente Oberösterreich. Führungskräfte würden oft in die „Diagnosefalle“ geraten, weil sie glauben würden, die Suchtprobleme nach medizinischen Kriterien diagnostizieren zu müssen, bevor sie eingreifen. „So vergehen oft Jahre“, sagt Baumgartner.

Suchtprävention im Betrieb

Er spricht sich für eine systematische Suchtprävention unter Einbeziehung aller Mitarbeitenden aus, denn diese habe sich als sehr erfolgreich erwiesen. „Wir begleiten Unternehmen in der Erarbeitung maßgeschneiderter Suchtpräventionsprogramme. Damit wird das Thema enttabuisiert und besser ansprechbar. Führungskräfte erhalten einen Handlungsleitfaden für den konkreten Anlassfall.

63.000 Personen in OÖ alkoholkrank

In Österreich gelten rund fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung als alkoholabhängig, weitere 10 Prozent konsumieren Alkohol in einem problematischen Ausmaß. Als problematisch werden mindestens 40 Gramm Reinalkohol bei Frauen und 60 Gramm bei Männern angesehen: das entspricht bei Männern einer Tagesmenge von 1,5 Litern Bier oder einer Flasche Wein, bei Frauen einer Menge von 1 Liter Bier oder einem halben Liter Wein. In Oberösterreich sind etwa 63.000 Personen alkoholkrank, etwa 125.000 Personen pflegen einen problematischen Umgang mit Alkohol.

Mehr als 20 Stunden pro Woche: Trend zu problematischem Umgang mit Computerspielen

Fast ein Viertel der Österreicher ab 15 Jahren gibt an, zu rauchen. Etwas weniger, 15 Prozent der jungen Erwachsenen, haben in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert. Ein steigender Trend bei jungen Menschen zeichnet sich beim problematischem Umgang mit Computerspielen ab: mehr als 20 Stunden pro Woche verbringen immerhin 5 Prozent der über 15-jährigen damit. Entscheidend sei auch, was daneben an realen Kontakten stattfinde, es müsse einen Ausgleich zum digitalen Leben geben, so Baumgartner. Aber auch eine Zunahme von problematischem Medienkonsum via Smartphone sei bei jüngeren Arbeitnehmenden festzustellen.

„Im Sinne aller Beteiligten ein Anliegen“

Die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Doris Hummer, nennt die betriebliche Raucherentwöhnung als Beispiel für eine gelungene, am Arbeitsplatz integrierte Maßnahme im Hinblick auf Suchtverhalten. „Das birgt nicht nur für jede Person ein hohes gesundheitliches, gesellschaftliches und finanzielles Risiko, sondern verursacht auch für die heimischen Arbeitgeber betriebswirtschaftliche Schäden, Zusatzkosten und eine Reduktion der Wettbewerbsfähigkeit.“ Sie möchte jedoch darauf hinweisen, das suchtpräventive Maßnahmen nicht nur betriebswirtschaftliches Kalkül, sondern im Sinne aller Beteiligten ein unverzichtbares gemeinsames Anliegen sein sollten.

Neues Netzwerk der Sozialpartner zur Prävention

Im OÖ Netzwerk betrieblicher Suchtprävention bündeln die Sozialpartner ihre Kräfte für eine gemeinsame Lösung. Die Fachleute der WKOÖ, der AKOÖ, des Instituts für Suchtprävention der pro mento OÖ, der ÖGK und der AUVA bieten ein umfassendes Angebot für Betriebe. Auftakt für das Netzwerk ist das Symposium „Fachkräftesicherung - Suchtprävention in der Arbeitswelt“, Teil der Kooperation ist auch das Handbuch „handeln statt wegschauen“ mit Informationen für Führungskräfte und Personalverantwortliche. Zudem wurden acht Themenvideos erstellt, etwa zu Lehrlingswesen oder den rechtlichen Aspekten.

Arbeitsbedingungen als Faktor

Aus Sicht der Arbeiterkammer Oberösterreich sind die Arbeitsbedingungen ein wichtiger Faktor für das Suchtverhalten. Der Missbrauch von leistungssteigernden Substanzen, sowohl legalen als auch illegalen nehme zu. Überlange Arbeitszeiten, Stress, steigender Leistungsdruck oder Angst vor dem Jobverlust können die Entwicklung eines Suchtverhaltens begünstigen. Wertschätzender Umgang, angemessene Arbeitsbelastung und Arbeitsplatzsicherheit können hingegen stabilisierend wirken. Der Arbeitgeber hat auch eine gesetzliche Fürsorgepflicht, für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. AKOÖ-Präsident Andreas Stangl spricht sich für eine Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz aus und betont die zentrale Rolle der Betriebsräte.

Rechtzeitig eingreifen

Primar Yazdi-Zorn bestätigt, dass Burn-Out auch bei der Behandlungen von Suchterkrankungen Thema sei. Dabei gäbe es zwei Varianten: Einerseits gäbe es Patienten, die versuchen würden, dem Stress mit Beruhigungsmitteln beizukommen oder dem Leistungsdruck mit Aufputschmitteln – diese reagieren also auf ihr drohendes Burn-Out mit Suchtverhalten. Die zweite Gruppe würde durch ihr Suchtverhalten ein Burn-Out entwickeln, da aufgrund der Suchtproblematik eine zunehmende Überforderung am Arbeitsplatz entstehe. Unabhängig davon, was zuerst komme, entscheidend sei es, rechtzeitig zu intervenieren.

Das Handbuch „handeln statt wegschauen“ ist als Druckversion und Gratis-Download auf der Seite des Instituts Suchtprävention verfügbar. Die Themenvideos sind über dessen YouTube-Kanal abrufbar.

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