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Pürstinger: „Wir müssen uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen“

Leserartikel Gerlinde Riegler-Aspelmayr, 25.01.2023 09:07

GUSEN/MAUTHAUSEN. Fragen zum Konzentrationslager stellen? Das war Friedrich Pürstinger als Kind verboten worden. Mit seinem Ensemble Zelinzki will er Zuschauer zum Gegenteil animieren: zum Hinschauen und Aufarbeiten. „Es wurde lange genug alles unter den Teppich gekehrt“, sagt der 69-Jährige.

Friedrich Pürstinger spricht heute offen über sein Aufwachsen. (Foto: Riegler-Aspelmayr)
Friedrich Pürstinger spricht heute offen über sein Aufwachsen. (Foto: Riegler-Aspelmayr)

Pürstingers Kindheit ist eine schmerzliche und belastete. Seine Eltern, einfache Leute aus dem Waldviertel, erwerben in Gusen ein sehr günstiges Grundstück. „Für die Eltern war es ein sozialer Aufstieg, vom Waldviertel wegzukommen und hier im Zentralraum ein Häuschen zu besitzen“, so der heutige Salzburger. Friedrich Pürstinger, ein sensibles Kind, spürt jedoch, dass etwas nicht stimmt.

Beim Spielen Knochenin der Erde gefunden

Immer wieder findet er beim Spielen mit Freunden Skelettreste. „Wenn man wissen wollte, was das für Knochen sind, hat es geheißen: 'Sei still! Das fragt man nicht!' Nicht selten hat es sogar für solche Fragen von manchen ewig gestrigen Lehrern eine Watschn gegeben“, erinnert er sich. DARÜBER SPRICHT MAN NICHT. Dieser Satz setzt sich wie Beton in seinem Kopf fest.

Er spürt eines: Ich muss weg. In Linz macht er eine Schriftsetzer-Ausbildung – mit ihr erwacht seine Liebe zur Sprache, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten wird.

Als er eines Tages eine Luftaufnahme vom ehemaligen Nebenlager Gusen sieht, zieht es ihm den Boden unter den Füßen weg: Sein Elternhaus befindet sich genau auf dem Areal des ehemaligen KZ. Alles war einfach planiert und als Baugrund aufbereitet worden. „Es war, als ob sich die Nebelschwaden meiner Kindheit auf eine für mich schaurige Weise lichteten die Sprachlosigkeit der Menschen und diese Kultur des Vertuschens.“

Pürstinger zieht es weiter fort. In Salzburg wird er sesshaft und er macht sich in den darauffolgenden Jahrzehnten einen Namen als Grafikdesigner und Gestalter großer nationaler und internationaler Ausstellungen und Museen. Wir spulen vorwärts ins Jahr 2015: Pürstinger gibt neben seinem Job seiner künstlerischen Ader immer mehr Raum. Er gründet mit Stefan Schubert die Theater- und Musikgruppe Zelinzki, die sich der Aufarbeitung sozialkritischer Themen verschreibt. Am 2. Februar 2023, dem 78. Jahrestag des Beginns der grausamen „Mühlviertler Hasenjagd“, steht er nun auf Einladung der perspektive mauthausen mit seinen Künstlerkollegen auf der Bühne und interpretiert Kästner-Texte auf eine Art, die unter die Haut geht und niemanden kalt lässt.

Öffentliche Auftritte als Teil der Aufarbeitung

Ob sich damit der Kreis, der mit dem bedrückenden „Sprechverbot“ der Kindheit begann, schließt? „Möglicherweise. Jedenfalls ist die Bühne ein Teil meiner persönlichen Aufarbeitung“, sagt Pürstinger. „Doch es ist noch viel zu tun. Wir müssen uns als Gesellschaft die Frage stellen: Welche Aufgabe haben wir als Nachgeborene?“

Die Gruppe Zelinzki tritt am Donnerstag, 2. Februar, um 20 Uhr mit dem Stück „ZUG. Eine Reise mit Erich Kästner“ im Donausaal Mauthausen auf.

Kartenvorverkauf: Sparkasse, Raiffeisenbank, Gemeindeamt und Pfarre Mauthausen sowie direkt beim Veranstalter unter der E-Mail-Adresse:kartenreservierung@perspektive-mauthausen.at


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