Von der Wüste zur WM-Quali – Physiotherapeut Florian Gabriel zwischen Rallye Dakar und Liechtensteins Fußballträumen
JULBACH. Florian Gabriel stammt aus Julbach und ist seit einigen Jahren immer wieder mit Sportteams auf Achse, derzeit mit Liechtensteins Fußball-Nationalmannschaft. Was ihn an der Arbeit reizt und wie ihn der „Fußballzwerg“ überrascht hat, davon berichtet er im Tips-Interview.
Tips: Vor fast genau einem Jahr warst du Teil des Siegerteams bei der Rallye Dakar. Was hat sich seit dem bei dir getan?
Florian Gabriel: Ich bin weiterhin in Zürich ansässig, in der gleichen Praxis und in der gleichen Stadt – und trotzdem hat sich einiges getan. Am Jahresanfang war ich wieder bei der Rallye Dakar dabei, was ein echtes Highlight war: die raue Wüstenlandschaft, das internationale Teilnehmerfeld und die Logistik als Teil des medizinischen Teams haben mich total fasziniert. Danach war das Jahr insgesamt etwas ruhiger, weil ich mich voll auf meine Masterarbeit konzentriert habe und Zürich in Ruhe kennenlernen wollte.
Tips: Neben der Masterarbeit gabs aber auch beruflich spannende Stationen?
Gabriel: Absolut. Zwischenzeitlich durfte ich den Deutschen Leichtathletik-Verband (Sprint) im Vorfeld der World-Relay-Days in Orlando auf den Bahamas unterstützen. Dort qualifizierte sich die Staffel für Olympia – und holte am Ende Bronze. Herzlichen Glückwunsch noch mal an die Mädels, das war großartig!
Tips: Wie kam es dann dazu, dass du beim Liechtensteiner Fußballverband (LFV) gelandet bist?
Gabriel: Das war Zufall pur. Durch Hörensagen bin ich auf eine Anzeige des LFV gestoßen, hab mir die Gunst der Stunde nicht entgehen lassen und mich beworben. Drei Monate lang hörte ich nichts – dann kam die E-Mail: „Ist Ihr Interesse noch aktuell?“ So bin ich ins Team reingerutscht.
Tips: Sie arbeiten inzwischen während der offiziellen FIFA-Fenster an der WM-Qualifikation mit – wie sieht Ihr Tagesgeschäft aus?
Gabriel: Mein Hauptaugenmerk liegt auf der Versorgung der Spieler, also Massagen, kleinere Verletzungen versorgen, Tapen, Getränke am Platz bereithalten. Manchmal spiele ich im Training als Dummy bei taktischen Übungen mit oder protokolliere Verletzungen auf dem FIFA-Medical-Tablet am Spieltag. Diese Fenster dauern insgesamt etwa fünf Wochen im Jahr.
Tips: Was machst du außerhalb dieser Zeit?
Gabriel: Zwischen den Lehrgängen arbeite ich in der Praxis „Functiomed“ in Zürich weiter und habe nebenbei fleißig die Liechtensteiner Hymne geübt.
Tips: Liechtenstein gilt ja als Fußball-Zwerg – wie professionell ist das Umfeld dort?
Gabriel: Da war ich wirklich positiv überrascht. Chefcoach Konrad Fünfstück bringt enorme Qualität und Professionalität mit. Wir haben einen Athletiktrainer (früher bei Hertha BSC), zwei Physios, einen Mannschaftsarzt, drei Trainer (Assistenz, Torwarttrainer, Chef), dazu ein bis zwei Analysten aus Profi-Clubs, zwei Zeugwarte und eine Medien- und Organisationsabteilung. Wir arbeiten mit der neuesten Technik und zeichnen damit die Trainingsbelastungen der Spieler auf, um die Einheiten punktgenau planen zu können. Außerdem zieht sich die Jugendarbeit konsequent durch bis in die Nachwuchs-Nationalteams – und ein neuer „Campus“ ist im Bau, der europaweit seinesgleichen suchen wird.
Tips: Wie würdest du die Leistungsfähigkeit der Mannschaft einordnen?
Gabriel: Klar sind wir der Underdog: Der Punkteschnitt unter Konrad Fünfstück liegt derzeit bei 0,63. Im Vergleich mit seinen Vorgängern ist das top. Dennoch haben wir in den letzten beiden Spielen zur WM-Quali gegen Nordmazedonien und Kasachstan trotz Rückständen phasenweise gut mithalten können, obwohl unsere Gegner fast ausnahmslos Vollprofis sind. Viele unserer Spieler sind Teilzeit-Fußballer, vergleichbar mit den Kickern in unserer Regionalliga. Dazu ein paar Aushängeschilder mit Erfahrung in Serie A, MLS oder Bundesliga – sie bilden unser starkes Grundgerüst.
Tips: Was reizt dich persönlich besonders an dieser Arbeit?
Gabriel: Am meisten fasziniert mich der Fußball selbst. Ich kann mich fachlich und persönlich weiterentwickeln, professionelle Strukturen in meiner Lieblingssportart kennenlernen, neue Leute treffen und abgelegene Orte bereisen. Und nicht zuletzt darf der Spaß nie zu kurz kommen. Wer weiß, vielleicht lerne ich ja irgendwann noch eine vierte Hymne ...
Tips: Welches Ziel hat die Mannschaft?
Gabriel: Die WM-Teilnahme bleibt das große Ziel – eine echte Herausforderung, vor allem weil es gegen Teams wie Wales und vor allem Belgien geht. Aber wir wollen junge Spieler fördern und der Fußballwelt zeigen, dass Spiele gegen Liechtenstein kein Selbstläufer sind. Unsere Kicker wissen natürlich um ihr Standing, trotzdem spielen sie in der WM-Quali gegen die Stars des Sports. Das ist Motivation und gleichzeitig Belohnung. Denn diese Erfahrungen kann ihnen keiner mehr nehmen
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