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Pflanzenfresser auf Zeit: Auf den Spuren der selbst ernannten Weltverbesserer

Sabrina Lang, 19.08.2015 06:29

SCHÄRDING. Keine Eier, keine Milch und natürlich kein Fleisch – eine Woche lang. Die Tips-Redakteure Alexandra Dick und Sabrina Lang wagten den ultimativen Selbstversuch, sieben Tage lange auf tierische Produkte zu verzichten. Sie ernährten sich vegan. Welche Erfahrungen sie machen konnten aber auch an welche Grenzen sie dabei gestoßen sind, haben sie in einem veganen Tagebuch zusammengefasst.  

Die Tips-Redakteure Alexandra Dick und Sabrina Lang wagten den Selbstversuch.
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Der Trend, auf tierische Produkte aller Art zu verzichten, ist aktueller denn je. Für die einen ist es eine Lebenseinstellung, die anderen tun es zum Wohl der Tiere oder um die Welt zu verbessern, wieder andere glauben, damit etwas für ihre Gesundheit tun zu können. Kritiker und Befürworter halten sich dabei die Waage. Ist es gesund? Ist der Mensch nicht der geborene Fleischfresser? Können Veganer die Welt retten? Alles Fragen, die im Vorfeld des Selbstversuches eine Rolle spielten. Dann war es so weit: Die Woche der veganen Tips-Redakteure konnte starten.

Der erste Tag vegan: die bittere Wahrheit des Verzichts

Wenn man verzweifelt im Supermarkt zwischen Wurstsemmel und Schokolade die Suche nach der veganen Alternative antritt: Optimistisch suchen die Veganer auf Zeit in der Mittagspause die „Veggie-Abteilung“, oder zumindest irgendetwas, das ansatzweise vegan aussieht, auf. „Ich kralle mir ein Kilo Bananen. Normalerweise hätte ich mir jetzt noch ein Käsesemmerl gegönnt oder als Nachspeise einen Schokoriegel“, erklärt Sabrina. Der Magen macht sich vor Hunger lauthals bemerkbar. Und da haben sie ihr Mittagessen gefunden: ein „Orientalischer Belugalinsen-Salat“. Penibel studieren sie die Inhaltsstoffliste – kein Tier in Sicht. Später im Büro: Der erste Bissen hat den Weg in den Mund gefunden. Sie haben schon einmal Besseres gegessen. Den restlichen Nachmittag empfinden sie nur noch Hungergefühl. Gott sei dank haben sie Bananen, Nüsse und Rosinen zum Snacken gekauft. Zum Abendessen vergönnen sie sich Sojalaibchen mit Chili und Gemüse. Als Nachtisch gibt“s einen Soja-Schokopudding. „An den Geschmack des Sojas muss ich mich noch gewöhnen“, meint Sabrina.

Noch können sich die beiden nicht vorstellen, ein Leben lang vegan zu essen. Erstens weil sie auf zu viel verzichten müssten und zweitens weil sie sich wohl nur schwer an den Geschmack der veganen Kost gewöhnen könnten. Morgen werden vegane Depreziner probiert.

Tag 2: Vegane Muffins

Heißhunger? Zuckerentzug? – keine Spur davon. Den ganzen Vormittag stellt sich kein Hungergefühl ein. Normalerweise hätte Sabrina mindestens schon einen Kaffee intus und um elf Uhr eine Kleinigkeit gegessen. Erst um 14 Uhr nehmen sie das erste Essen zu sich: einen veganen Muffin, selbst gebacken. Dieser schmeckt überraschend gut – das beste vegane Essen bisher, sind sich die beiden einig. Später gehen sie noch einkaufen und entdecken einen veganen Chiliaufstrich. Aber woher bekommen sie nun Brot ohne Ei? In der Glutenfrei-Abteilung entdecken sie schließlich eines. Zudem wird eine Packung Sojamilch, veganes Geschnetzeltes, ein veganes Bruscetta, vegane Depreziner, vegane Margarine und eine Packung Aufbackbrötchen gekauft – laut Inhaltsliste dürften eigentlich keine tierischen Produkte drinnen sein. „Zum Abendessen probierte ich nun die „überaus schmackhaft“ aussehende Würstchen. Bis auf die Form haben die veganen Depreziner nichts mit echten zu tun, angefangen von der Konsistenz (sie sind sehr schwabbelig) bis zur Farbe und natürlich dem Geschmack.“ Danach gönnten sie sich doch lieber ein Brötchen mit der veganen Bruschetta – dieses schmeckte ihnen allerdings richtig gut. Als Nachspeise gab“s noch eine Banane. „Danach merkte ich erst, wie müde ich bin. Ganz ungewöhnlich war, dass ich schon kurz nach halb zehn vor dem Fernseher einschlief. Fit und vital durch vegan? Zurzeit noch keine Spur davon“, schildert Sabrina.

Tag 3: Blöder Wecker

Das Aufstehen fällt am dritten Tag besonders schwer. Die Snooze-Funktion beim Wecker wird bis aufs Letzte ausgereizt. Die Redakteurinnen fühlen sich trotz der vielen Stunden Schlaf schlapp und sehr träge. „So können wir wohl kaum die Welt retten“, stellen Sabrina und Alexandra fest. Im Büro soll der erste Kaffee – mit Sojamilch – Abhilfe schaffen. Sabrina vermisst die, zwar nicht sehr gesunde, aber doch mit ihrem Kaffee sehr kompatible Kondensmilch. Auch den zweiten Kaffee, den Alexandra mit einem Kokos-Reis-Milchgetränk ergänzt, will ihr so gar nicht schmecken. „Diese Milch scheint mit meinen Geschmacksnerven nicht im Einklang zu sein“, so Sabrina. Alexandra, die ihren Kaffee zwar am liebsten schwarz trinkt, könnte mit der Alternative gut leben. Zum Glück hat Sabrina am Vortag noch einen veganen Kuchen gebacken. Dieser entspricht schon eher dem Geschmack der Testerinnen. „Wenn man nicht weiß, dass kein Ei und keine Milch drin sind, merkt man keinen Unterschied“, stellt Alexandra fest. Gespannt sind sie schon aufs Mittagessen. Heute wollen sie sich ein veganes Gericht aus dem Restaurant bestellen. Auf der Speisekarte werden sie fündig – ein veganes Kokos-Gemüse-Risotto mit roter Beete, die einzige „vegan“ gekennzeichnete Speise auf der Karte. „Ein tolles und leckeres Gericht. So lässt es sich vegan auf jeden Fall leben“, sind sich die beiden einig.

Tag 4: „Vegan fasten“ fürs Wohlbefinden

Am Tag vier wollen sich die Veganerinnen auf Probe einmal von „Profis“ über die vegane Ernährungsweise aufklären lassen. So besuchen sie das Schärdinger Kurhaus, das seit geraumer Zeit „veganes Fasten“ anbietet.

Wir probieren ein veganes Menü „Auberginentürmchen mit Süßkartoffeln und Broccoli“– von Profis gekocht, schmeckt veganes Essen wirklich toll. Vegane Würstchen oder „nachgemachtes“ Fleisch aus dem Supermarkt können die Testerinnen eher nicht empfehlen. Die Expertin Andrea Part erklärt, wie es funktionieren kann vegan zu leben. „Wenn man manches beachtet, kann diese Ernährungsweise durchaus gesund sein. Durch vegetarische oder vegane Ernährung können Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme verringert werden. Dennoch muss man nicht unbedingt vegan sein, um sich gesund zu ernähren“, erklärt Part.

Auf Ausgewogenheit achten, sei das Um und Auf der gesunden Ernährung. Menschen, die sich für ein veganes Leben entscheiden, rät die Expertin: „Wenn häufige Müdigkeit auftritt, die Infektionsanfälligkeit steigt, man ständig friert oder Verdauungstörungen hat, sollte man umdenken. Oft isst man dann zu viel Rohkost oder zu wenig warme Speisen.“

Generell empfehlen würde Part die vegane Ernährung nicht, da mit ausgewogener Mischkost die gesunde Ernährung genauso gegeben ist. Für Menschen, die sich jedoch bewusst dazu entscheiden, ist es eine Lebenseinstellung. Oft läge es laut der Expertin nicht daran, dass die Menschen Fleisch essen, sondern dass sie zu viel davon zu sich nehmen. Vegane Menschen leisten aber dennoch sehr wohl einen kleinen Beitrag für den Umweltschutz, sie stellen sich gegen die Konsumgesellschaft und die Massentierhaltung. Aber auch der Kauf von regionalen und saisonalen Produkten hilft beim Schützen der Umwelt. „Es gibt keine pauschale Ernährungsform. Es macht keinen Sinn jeden Menschen dazu zu zwingen sich vegan zu ernähren. Wenn man beispielsweise nicht mehr essen gehen kann, da ein Freund neben mir Fleisch isst, ist die Frage, ob man sich mit dieser Einstellung etwas Gutes tut“, so die Expertin. Das vegane Fasten im Kurhaus wird laut Part aber sehr gut angenommen. „Wir möchten damit einfach einen anderen Weg der Ernährung aufzeigen und es die Leute ausprobieren lassen.“

Tag 5: der Einbruch

Tag fünf war dann für Sabrina endgültig genug. Gehalten hat die „vegane“ Phase an diesem Tag bei ihr bis 14 Uhr. „Als mir meine Nachbarin ein Stück Kuchen und Kaffee „mit“ Milch anbot, war es vorbei mit dem Vegan-Sein. Die Versuchungen waren einfach zu groß, um noch länger unter dem Verzicht zu „leiden“. Obwohl man vielleicht glauben könnte, dass sich nun das schlechte Gewissen breit machte – keine Spur. Alexandra hielt das Vegan-Sein noch eine Woche länger durch. „Ich habe gemerkt, wie es meinem Körper gut tut eine Weile auf tierische Produkte zu verzichten und mehr Obst und Gemüse auf meinen Speiseplan zu setzen“, sagt Alexandra. Danach ist aber auch sie wieder unter die Fleisch- und Milchprodukteesser gegangen.

Resümee der Testerinnen

„Wenn sich Menschen bewusst für die vegane Ernährung entscheiden und diesen Weg verfolgen wollen, ist es durchaus eine Möglichkeit, sich bewusst und gesund zu ernähren. Womöglich können dadurch auch Krankheiten abgewehrt werden. Dennoch sollte sich jeder selbst davon überzeugen, ob er „vegan“ sein will. Jemand anderen zwanghaft von der Lebensweise überzeugen zu wollen, hat unserer Meinung nach wenig Sinn. Wir haben für uns entschieden, dass wir auf Dauer nicht so leben können und wollen. Uns ist die Zeit zu kostbar, die wir – vor allem am Anfang – damit verschwenden, im Supermarkt nach versteckten tierischen Inhaltsstoffen zu suchen. Dennoch können wir uns vorstellen, dass es für manche Menschen Sinn macht und man sich dadurch auch besser fühlen kann. Abraten würden wir klar von Fertiggerichten aus dem Supermarkt. Diese schmecken meist nach wenig oder sind mit zu viel Zucker oder Salz versetzt. Frisch gekocht schmeckt es einfach am besten. Fazit: Vegan sein auf Zeit ist einen Versuch wert, dennoch glauben wir, dass wir uns durch eine abwechslungsreiche Ernährung genauso gesund ernähren können. Wer es natürlich für das Wohl der Tiere macht, für den ist Veganismus sicher eine Alternative.“

 


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