„Auch Jehovas Zeugen sind nicht frei von Schuld und Versuchung“
WIESELBURG. In der neuen Serie „Glaube im Bezirk Scheibbs“ stellt Tips-Redakteur Michael Hairer Menschen und ihre Religionen vor. Dieses Mal: das Ehepaar Tabitha und Michael Simayr aus Wieselburg, gläubige Jehovas Zeugen.
Gut riechender Kaffee und ein selbstgemachter Dinkel-Vollkorn-Pflaumenkuchen warten bereits bei meiner Ankunft in der Küche von Familie Simayr. Es ist ein lauer Montagnachmittag und die bunte Herbstlandschaft lässt sich gut von der Wieselburger Stadtwohnung im zweiten Stock aus beobachten. Seit nunmehr 15 Jahren sind Tabitha und Michael verheiratet. Sie haben sich über ihren gemeinsamen Glauben kennengelernt.
Tabitha, die einen biblischen Namen trägt, ist bereits im Glauben der Jehovas Zeugen aufgewachsen. Ihre Eltern haben sich seinerzeit der damals noch nicht staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft angeschlossen. Die 44-jährige Personalverrechnerin stellt aber schnell klar, dass sie sich bewusst für ihre Religion entschieden hat und nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, hineingeboren wurde. Wie mir erklärt wird, gibt es bei Jehovas Zeugen erst im Jugendalter die Möglichkeit, sich taufen zu lassen. Hintergedanke ist der, dass die Entscheidung für den Glauben bei der Person selbst liegen und nicht von jemand anderem getragen werden soll, wie es zum Beispiel bei der Kindestaufe der Fall ist.
Bei Michael verlief der Weg zum Glauben anders. Ein Lebemann sei er gewesen, habe geraucht, gefeiert und sich gehen lassen. Eine innere Befriedigung hat ihm seine damalige Lebenseinstellung allerdings nicht gegeben, was den 52-jährigen gelernten Tischler zur Jahrtausendwende schließlich zum Umdenken bewogen hat. Für sich selbst hat er die richtigen Fragen und Antworten in der Bibel der Neuen Weltübersetzung gefunden, nach deren Prinzipien er heute lebt.
Geschenke Ja, aber nicht zu Weihnachten oder an Geburtstagen
Doch wie lebt es sich eigentlich als Jehovas Zeuge in einer überwiegend römisch-katholisch geprägten Region? Familie Simayr versichert mir, dass ihr Glaube keinerlei Problem in ihrem Alltag darstelle. Beide arbeiten seit Jahrzehnten in den gleichen Unternehmen und die dort wirkenden Kollegen wissen um die kleinen, aber feinen Unterschiede Bescheid. So wird etwa an Geburtstagen oder zu Weihnachten nicht gratuliert oder beschenkt. Es handle sich dabei um Feste heidnischen Ursprungs, was die Jehovas Zeugen ablehnen. Gänzlich auf Geschenke und materielle Aufmerksamkeiten verzichten Tabitha und Michael aber nicht – nur fallen diese meist spontan und ohne feierlichen Anlass aus.
Ein großer Teil des religiösen Alltags entfällt bei dem Wieselburger Ehepaar auf die Missionierung sowie das Bibelstudium. Letzteres wird bequem vom Tablet aus gemacht. Eine eigene Jehova-Zeugen-App bietet ihren Gläubigen umfassende Informationen, Hintergrunderklärungen und natürlich die Bibel als Lese- und Nachschlagewerk online an. Das Missionieren hingegen findet aktiv in der Region statt und spielt eine große Rolle. Entweder mittels „Bibel-Trolley“ auf belebten Plätzen oder durch direktes Anläuten an der Türe versuchen Tabitha und Michael mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie bei aktuellen Problemen auf Lösungen in der Bibel aufmerksam zu machen. Dass das Missionieren nicht von jedem andersgläubigen Menschen gut angenommen wird, ist Teil davon und die Reaktionen fallen entsprechend aus. „Es gibt nichts, was es noch nicht gegeben hat“, sagt Michael.
„Unser Glaube hilft und stärkt uns“
Aber was hat Michael und Tabitha eigentlich dazu bewogen, sich dem Glauben der Jehovas Zeugen anzuschließen und nicht einer anderer Religion anzugehören? Für die Simayrs liegt die Antwort in ihrem Inneren. Sie fühlen sich durch ihren Glauben angekommen und Gott nahe. Es obliegt ihnen nicht zu urteilen, ob andere Religionen richtig oder falsch sind. Am Ende sind sie überzeugt von ihrem eigenen Glauben und wissen, dass dies ihr persönlich rechter Weg ist. Im Grunde seien sie ganz normale Menschen mit guten wie auch schlechten Eigenschaften. „Auch Jehovas Zeugen sind nicht frei von Schuld und Versuchung“, sagt mir Michael zum Abschluss des Gesprächs. „Aber unser Glaube hilft und stärkt uns in unserem Alltag. Er ist ein Geschenk Gottes und gibt uns Kraft für die Zukunft.“
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02.11.2019 02:38
Und hoffen wir dass die Sexualstraftäter der Zeugen Jehovas auch in den Niederlanden wo es hunderte Missbrauchsfälle gibt zur Rechenschaft gezogen werden. https://kurier.at/chronik/weltchronik/hunderte-missbrauchsfaelle-bei-zeugen-jehovas-in-den-niederlanden/400029703
01.11.2019 23:08
Im Gegenteil
Danke für die Info Malena! Wo steht das bitte dass die Verantwortlichen der tausend verdächtigen Sexualstraftäter der Zeugen Jehovas in Australien zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sind? Gibt es eine schriftliche Erklärung oder Anweisung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas alle Unterlagen über sexuellen Missbrauch den Behörden zu übergeben? Wo kann man das nachlesen? Hoffen wir das in Neuseeland die Dokumente doch noch an die Staatsanwaltschaft geliefert werden können , nachdem die Zeugen Jehovas dort ihre Leute gebeten haben die Missbrauchs Unterlagen zu vernichten. https://www.rnz.co.nz/news/national/401230/royal-commission-jehovah-s-witness-elders-told-to-destroy-documents Hoffen wir auch dass die Verantwortlichen der neunzig Missbrauchsopfer in Belgien bestraft werden. https://www.grenzecho.net/18963/artikel/2019-08-09/schon-90-sexualopfer-bei-den-zeugen-jehovas-bekannt
01.11.2019 21:33
Im Gegenteil, die Dokumente gingen an die Staatsanwälte der
Im Gegenteil, die Dokumente gingen an die Staatsanwälte der entsprechenden Länder wie Australien, und die Verantwortlichen wurden streng bestraft und zu Gefängnis verurteilt. Was kann man über die meisten anderen Religionen sagen, die ihre Missetaten "verbergen"? In unserer Gemeinschaft bleibt kein Sünder ohne seine verdiente Strafe.
01.11.2019 20:42
Auch Jehovas Zeugen sind nicht frei von Schuld
Auch die Zeugen Jehovas sind nicht frei von Schuld. Sonst hätten sie nicht die Unterlagen über tausendfachen Kindesmissbrauch in ihrer Gemeinschaft vernichtet. https://www.sueddeutsche.de/panorama/australien-zeugen-jehovas-vertuschten-ueber-jahrzehnte-sexuellen-missbrauch-1.2587889