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„Murer - Anatomie eines Prozesses“ - Regisseur Christian Frosch im Interview

Thomas Lettner, 16.03.2018 09:27

ST. PÖLTEN. Im Cinema Paradiso feierte gestern das Gerichtsdrama „Murer - Anatomie eines Prozesses“ Niederösterreich-Premiere. Der Film handelt von dem steirischen NS-Massenmörder Franz Murer, der trotz drückender Beweislast freigesprochen wurde und damit einen der größten Justiz-Skandale der 2. Republik auslöste. Tips sprach mit Regisseur Christian Frosch, der auch das Drehbuch verfasste.

  1 / 3   Regisseur und Drehbuchautor Christian Frosch hörte bei einer Reise in die litauische Hauptstadt Vilnius erstmals von Franz Murer und seinen Verbrechen. Fotos: Thomas Lettner

Tips: Wie haben Sie für den Film recherchiert?

Frosch: Ich habe zuerst ein paar Artikel und eine Magisterarbeit über Nachkriegsprozesse gelesen. Dann ging ich in die Archive. Da gibt es zum Beispiel das Simon Wiesenthal-Archiv. Das Hauptmaterial, aus dem ich das Drehbuch gemacht habe, waren aber die Gerichtsakten.

Tips: Was haben Sie beim Schreiben des Drehbuchs empfunden?

Frosch: Wenn man jahrelang mit dieser Materie zu tun hat, gibt es verschiedene Stufen der Emotion. Der erste Impuls waren Wut und Ungläubigkeit, dass so etwas möglich ist. Wenn man sich länger damit beschäftigt, will man verstehen, wie die einzelnen Dinge funktionieren. Dazwischen stürzt man immer wieder ab, weil man die ganzen Gräuelgeschichten mitkriegt. Zwischendurch stößt man auch auf das tragisch-Komische und das absurd-Komische in der Geschichte, zum Beispiel auf die Geliebte von Murer, die in dem Prozess wahnsinnig viel Raum einnimmt. Er hat zwar tausende Leute umgebracht, ob er aber eine Affäre hatte, war ihr mindestens genauso wichtig. Solche Szenen sind unfreiwillig oder grauenhaft komisch.

Tips: Können Sie sich jetzt in die Täter hineinversetzen? Verstehen Sie ihr Handeln?

Frosch: Ich kann mich nicht in einen Massenmörder und auch nicht in einen Serienkiller hineinversetzen. Es gibt Erfahrungswelten, die man nicht wirklich nachvollziehen kann. Was man schon erfährt, ist, wie die Menschen funktioniert und das Ganze ausgehalten haben. Es gibt ja diese berühmte Rede von Himmler, wo er sagt „Ihr, die ihr Tausende getötet habt und trotzdem anständig geblieben seid“; eine Moral aufzubauen, dass man zwar Menschen töten kann aber trotzdem das Gefühl hat, man sei hochanständig, diese Spaltung müssen diese Leute alle gehabt haben. Ich kann jetzt aber nicht sagen, dass ich weiß, wie sich der Murer gefühlt hat. Wenn man eine Figur schreibt, muss man trotzdem eine Logik im Kopf haben.

Tips: Der Film wird sicher polarisieren. Gibt es schon Anfeindungen von der rechten Szene?

Frosch: Es gibt ein paar Hasspostings, das ist e klar, ich habe aber mit mehr gerechnet. Es gibt keine große Offensive, was glaube ich daran liegt, dass sie nicht auch noch Werbung für den Film machen wollen. Sie sind ja auch nicht dumm.

Tips: Sie haben erwähnt, dass der Fall jetzt neu aufgerollt wird?

Frosch: Es gibt eine vorsichtige Formulierung, dass man die Urteile in der Steiermark noch einmal von offizieller Seite thematisieren möchte. Es ist ein großer Erfolg, wenn ein Film über ein normales Kinoereignis hinaus sich auf das reale Leben auswirkt. Insofern bin ich darüber sehr glücklich.

Tips: Was sind Ihre nächsten Film-Projekte?

Frosch: Über ungelegte Eier rede ich ungern. Es wird aber sicher nicht wieder ein Gerichtsfilm, sondern etwas komplett anderes. Nach fünf Jahren mit diesem Thema hat man wieder Lust auf etwas anderes.

Tips: Es wird also auch kein NS-Thema behandelt?

Frosch: Es gibt schon ein NS-Thema, aber aus einem komplett anderen Winkel.


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