Zahlreiche archäologische Grabungen auf St. Pöltner Stadtgebiet
ST. PÖLTEN. Aufgrund der vielen Bauvorhaben in der Landeshauptstadt wurden auch heuer archäologische Maßnahmen von Künettenbeobachtungen bis hin zu richtigen archäologischen Grabungen durchgeführt. Notwendig machen dies gesetzliche Auflagen wie der Denkmalschutz.
Auch 2016 lag der Schwerpunkt der Arbeiten der Archäologen am Domplatz. 2016 wurden circa 730 Tonnen Erdmaterial händisch mit Krampen und Schaufel beziehungsweise mit Pinsel und Kelle abgegraben. Das Fundmaterial 2016 aus mehr als 3600 Einzelbefunden füllt rund 81 Bananenkartons, die schätzungsweise mehr als 23.000 Einzelstücke enthalten. Die Zahl der bisher geborgenen menschlichen Überreste liegt derzeit bei 12.679 Individuen – 2837 allein im Jahre 2016 –, die fast alle anthropologisch untersucht sind.
Völlig überraschend kamen im Ostteil der Grabungsfläche zahlreiche römische Baubefunde oberflächlich zu Tage. Mindestens fünf nebeneinander liegende, mit Fußbodenheizung ausgestattete Räume sprechen für einen gehobenen Standard in der Ausstattung. Ein Schwerpunkt der heurigen Kampagne lag in der Freilegung der sogenannten Doppelkapelle. Die wenigen Schriftquellen sprechen von zwei übereinander gelegenen Kapellen, von denen die untere dem heiligen Leonhard und die obere, erreichbar über ein im Norden angelegtes Stiegenhaus, dem heiligen Andreas geweiht war. 1786 wurde die Kapelle abgetragen.
Abgesehen davon gab es noch eine ganze Reihe weiterer, teilweise spektakulärer Erkundungen des Untergrundes in einzelnen Stadtteilen und in der Innenstadt.
- Pottenbrunn: Im Vorfeld eines geplanten Grundstückverkaufs wurde bei Grabungen durch den Verein ASINOE im Bereich eines Altarmes eine bisher unbekannte frühmittelalterliche Siedlung aus dem 7. und beginnenden 8. Jahrhundert n. Chr. entdeckt.
- Ehemaliges Jäger-Areal, Ecke Maximilianstraße/Kerensstraße: Völlig überraschend wurden hier ein kleines spätbronzezeitliches Gräberfeld sowie Spuren römischer Tätigkeit entdeckt.
- Schöpferstraße: Anlass für die Grabungen hier und in den angrenzenden Grundstücken war die Erweiterung der Schöpferstraße nach Norden bis zur Maximilianstraße und die Erschließung mit Kanal und Wasser. Freigelegt wurde die Nutzungszone eines römischen landwirtschaftlichen Betriebes und spätmittelalterliche Hamsterfallen.
- Diverse Künettenbeobachtungen anlässlich der Neuverlegung verschiedener Leitungen: Für alle überraschend kamen in zahlreichen Künetten in der Innenstadt noch erhaltene Strukturen zum Vorschein, über die zum Teil schon in eigenen Aussendungen berichtet wurde. „An dieser Stelle ist allen Verantwortlichen der Einbautenträger für die konstruktive Zusammenarbeit zu danken, mit deren Hilfe die Zerstörung historischer Bausubstanz auf ein Minimum reduziert werden konnte“, sagt Stadtarchäologe Ronald Risy.
Diözese-Infopoint
Die bereits im Vorjahr begonnenen Grabungen wurden heuer fortgesetzt. Anlass ist der geplante neue attraktive Eingang in das Diözesanmuseum und in die Diözese, wobei man sich entschloss, das geplante Stiegenhaus und den Lift nun auch in den Keller zu führen. Die Grabung steht knapp vor dem Abschluss und hat hervorragende Befunde zum Vorschein gebracht. Hier wurden inzwischen aus 500 Einzelbefunden neben 218 so genannten Kleinfunden und 32 Münzen mehr als 45 Bananenkartons an Funden geborgen.
Aus der Römerzeit konnten der Nord-Süd-laufende innerstädtische Straßenzug mit dem östlich verlaufenden Straßengraben sowie die im Osten angrenzende, möglicherweise als Portikus gestaltete Begrenzungsmauer freigelegt werden.
Nach Aufgabe des Straßengrabens konnte eine sehr späte römische Holzbauphase dokumentiert werden, die aufgrund mangelnden Fundmaterials schwer genau zu datieren ist, aber zumindest in das 5. Jahrhundert gesetzt werden muss. Zahlreiche Gräber, völlig überraschend auch westlich der ehemaligen mittelalterlichen Klostermauer, belegen, dass das frühmittelalterliche Kloster noch nicht so weit nach Westen reichte.
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