Mühlviertler Jäger Mario Mitterlehner (49) setzt sich für die Rettung von Rehkitzen ein
ST. GOTTHARD/ST. MARTIN. Ein grausamer Mäh-Tod mehrerer kleine Rehkitze auf einer Wiese in Eidenberg erschütterte kürzlich die Tips-Leserschaft. Wie dies zu verhindern wäre und warum ihm die Rettung der jungen Wildtiere so am Herzen liegt, verrät der Jugend- und Sozialpädagoge Mario Mitterlehner aus St. Martin im Tips-Talk. Der 49-Jähhrige selbst ist Jagdpächter und Jagdschutzorgan in St. Gotthard sowie Naturwacheorgan in Urfahr-Umgebung und Rohrbach.
Tips: Wie würde die Kitzrettung im Idealfall funktionieren?
Mario Mitterlehner:Im Idealfall meldet sich der Landwirt zwei, drei Tage vor dem Schnitt. Jäger und Landwirte sind bemüht und verpflichtet, Tierleid zu vermeiden und Präventivmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen beispielsweise das Aufstellen von Stangen mit flatternden Plastiksäcken oder auch akustischen Geräten mit Blinkleuchten. Oft suchen wir noch zusätzlich am Vorabend die Felder mit den Jagdhunden ab. Die Problematik dieser Verscheuchungsmaßnahmen ist aber der „Drückreflex“ der Kitze. In den ersten Lebenswochen haben die Kitze noch keinen Fluchtinstinkt, sondern drücken sich bei Gefahr ins Gras. Genau dieser angeborene Instinkt wird ihnen bei den Mähwerken zum Verhängnis. Seit vier Jahren nutze ich zur Kitzsuche eine Wärmebilddrohne. So schaffe ich bei guten Bedingungen rund 40 Hektar Wiesenfläche pro Stunde – vom Hasen, Fasangelege bis zum Kitz wird alles zuverlässig gefunden. Das kostet dem Landwirten nichts.
Tips: Was ist dann das Problem?
Mitterlehner: Die Problematik mit der Kitzsuche ist oft sehr mannigfaltig. Oft spielt dabei die Schnittzeit der Silagen eine große Rolle, manchmal scheitert es aber nur an Kommunikation und Organisation. Meiner Meinung nach aber trägt die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Landwirt und Jägerschaft die entscheidende Rolle zwischen Leben und Tod der Kitze.
Ein weiterer Grund sind sicherlich die hohen Anschaffungskosten einer Wärmebilddrohne. Diese beginnen ab ca. 5.000 Euro aufwärts, welche aus der Privatkasse finanziert werden. Anders als in Deutschland gibt es für den Ankauf solcher Drohen keine Zuschüsse. Ich schätze, dass im Bezirk Urfahr-Umgebung nicht mehr als 20 Drohnen im Einsatz sind.
Tips: Wie läuft das mit der Meldepflicht?
Mitterlehner: Soviel ich weiß werden beispielsweise Wildtiere auch in anderen EU-Ländern durch das Tierschutzgesetz geschützt. Nach Rechtsprechung hat dort der Landwirt alle möglichen und zumutbaren Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um das Ausmähen von Rehkitzen zu vermeiden. Dazu gehört beispielsweise die Verständigung des Jagdausübungsberechtigten spätestens 24 Stunden vor der Mahd. In Deutschland gibt es auch bereits Urteile zum Thema Mähtod. Diese bewegen sich vom Freispuch über 1.000 bis 4.200 Euro Strafe bis hin zur Freiheitsstrafe.
Meiner Meinung nach wurde es im geltenden Tierschutzgesetz verabsäumt, einen eigenen Paragrafen betreffend Verhalten bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten im Bezug auf Wildtiere zu machen. Jedoch können einige Paragrafen aus dem Tierschutzgesetz auch auf Mäharbeiten wirksam gemacht werden. Somit ergibt sich für Bewirtschafter die Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, wenn mit dem Tod oder Verletzung von Tieren zu rechnen ist. Bei Nichteinhaltung drohen Strafen von bis 7.500 Euro.
Ich hätte mir eine verpflichtende Meldepflicht bis spätestens 24 Stunden vor der Mahd gewünscht. In diesem Zeitrahmen ist es uns Jäger noch möglich, geeignete Maßnahmen zur Rettung zu ergreifen, ohne den Bauern von seiner Arbeit abzuhalten. Ein kurzes WhatsApp mit: „Ich mähe morgen“ würde ja schon reichen.
Tips: Wieviele Rehkitze konnten Sie schon vor dem Mähtod retten?
Mitterlehner: Ich bin seit mehr als 20 Jahren in der Kitzrettung tätig und kann die genaue Anzahl nicht benennen. Es gibt glücklicherweise viele engagierte Jäger, wie beispielsweise meinen Jagdkollegen Robert Schürz aus dem Nachbarrevier Feldkirchen. Er ist Landwirt und setzt sich unermüdlich mit seiner Drohne zur Kitzrettung ein.
Alleine in Oberösterreich wurden letztes Jahr an die 7.000 Kitze gemäht. Ein rabenschwarzes Jahr erlitten wir 2023. Alleine in meinem Revierteil wurden 23 Kitze gemäht, 34 Stück in St. Gotthard gesamt. Die Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem sind fatal.
Tips: Wie könnte man das Niedermähen von Rehkitzen verhindern?
Mitterlehner:Eigentlich müsste man nur miteinander reden. Das Projekt „Kitzrettung“ kann nur mit den Grundstücksbesitzern funktionieren. Aufklärung ist dabei besonders wichtig. Schließlich profitieren nicht nur die Rehkitze davon, sondern auch der Landwirt selbst. Kein Bauer möchte die verwesenden Leichenteile im Futter haben und dadurch seinen Viehbestand gefährden. Aber auch die Jägerschaft sollte bei Verbiss-Schäden den Landwirt zur Seite stehen und wenn notwendig in den Bestand eingreifen.
Der Großteil der Landwirte ist sehr hilfsbereit und arbeitet sogar aktiv an der Kitzsuche mit, andere vergessen einfach sich zu melden. Es gibt aber auch einen kleinen Prozentsatz an „schwarzen Schafen“, denen Tierleid schlicht und einfach egal ist. In deren Augen wird Rehwild auch oft als Schädling angesehen, da unter einer zu hohen Rehwilddichte die Verbiss-Schäden im Wald ansteigen.
Ich kenne auch einen Fall, wo ein Konflikt zwischen Jäger und Grundbesitzer dazu führte, dass dieser die Kitze absichtlich mähte.
Tips: Was sollen Spaziergeher tun, wenn sie so einen Vorfall bemerken?
Mitterlehner: Leider wird auch in Zukunft der Mähtod nicht gänzlich zu verhindern sein. Aber auch der Landwirt hat eine Hilfeleistungspflicht und muss umgehend Hilfe leisten oder Hilfe veranlassen. Kein Tier darf unnötige Schmerzen und Leiden verspüren. Sollte dies nicht passieren, bitte umgehend die Polizeidienstelle, Amtstierarzt, den Jagdausübungsberechtigten oder das zuständige Jagdschutzorgan informieren.
Tips: Warum setzen Sie sich persönlich so für die Rehkitz-Rettung ein?
Mitterlehner: Leider habe ich schon viele gemähte Kitze in meinem Leben gesehen. Es sind Bilder und Klagelaute, die man nicht vergisst. Vielleicht ist es auch einfach meine Berufung, schwachen Tieren zu helfen. Dabei sind Tierschutz und Jagd keine Gegensätze. Im Gegenteil: Richtig vernünftige Jagd ist Tierschutz.
So traurig und erschreckend der kürzliche Mähtod-Vorfall in Eidenberg auch ist, ich sehe jetzt die große Chance einen gemeinsamen Weg zu finden um dieses schreckliche Tierleid zu beenden.
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