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Pilgern als spirituelle Suche: „Wandlung, Heilung und Gottesbegegnung kann jedem geschenkt werden“

Alexandra Dick, 05.04.2017 12:00

ZELL/PRAM. Vor 18 Jahren hat Lydia Neunhäuserer das Pilgern für sich entdeckt. Dabei geht es ihr nicht um die Anzahl der zurückgelegten Kilometer, vielmehr ist es das Abschalten vom Alltag und das Gottvertrauen, das das Pilgern für sie so besonders macht. Warum man nicht religiös sein muss, um zu pilgern und was sie vom Hype um den Jakobsweg hält, verrät die Zellerin im Interview.

Lydia Neunhäuserer, die auch bekannt ist für ihre Mundart­gedichte, hat das Pilgern für sich entdeckt. Foto: Martin Steininger

Tips: Pilgern liegt im Trend – Vor allem jetzt zu Ostern machen sich wieder mehr und mehr Pilger auf den Weg.

Lydia Neunhäuserer: Meiner Meinung nach pilgern Menschen gern, weil das Gehen ein gutes menschliches Tempo ist, im Gegensatz zu dem rasanten Tempo, das der Zeitgeist gerade mit sich bringt. Einen weiteren Aspekt sehe ich in der spirituellen Suche der Menschen.

Tips: Warum ist es vor allem zu Ostern so beliebt?

Neunhäuserer: Ostern ist das wichtigste christliche Fest und pilgernd unterwegs zu sein ist eine gute Möglichkeit sich bewusst mit dem Tod und der Auferstehung auseinanderzusetzen. Ostern fällt in die Frühlingszeit, in der die Natur wieder erwacht und aufblüht. In der Natur wird die Auferstehung sichtbar.

Tips: Ein Pilger ist laut Definition ein Fußreisender, der aus andächtigen und religiösen Beweggründen entfernte Orte besucht, die für heilig geachtet werden. Muss man religiös sein, um zu pilgern?

Neunhäuserer: Wandlung, Heilung und Gottesbegegnung kann jedem Menschen geschenkt werden, der pilgernd unterwegs ist. Eine offene und achtsame Haltung würde ich wichtiger einschätzen, als religiös zu sein.

Tips: Was bedeutet Pilgern für Sie, was fasziniert Sie daran?

Neunhäuserer: Pilgern bedeutet für mich, mich zu öffnen für die Begegnung mit mir, mit Gott und den Menschen am Weg. Mich fasziniert die Geschwindigkeit des Pilgerns, wie viel Weg man zu Fuß an einem Tag bewältigen kann, wie schnell man dadurch abschalten kann und wie man in ein ganz besonderes Gottvertrauen hineinwächst, das dann auch zuhause noch spürbar bleibt.

Tips: Wohin hat Sie Ihre erste Pilgerwanderung geführt?

Neunhäuserer: Meine erste Pilgerwanderung war mit meinem Mann am Jakobsweg in Spanien und seither pilgere ich jedes Jahr.

Tips: Was halten Sie vom Hype um den Jakobsweg?

Neunhäuserer: Ich bin den Jakobsweg­ vor zirka 18 Jahren gegangen und ich finde ihn sehr schön und von der Infrastruktur gut auf Pilger abgestimmt – günstige Herbergen, gute Beschriftung –, eine gute Möglichkeit andere Pilger und Menschen aus der ganzen Welt auf „engstem“ Raum zu treffen. Ich persönlich bevorzuge aber weniger überlaufene Wege.

Tips: An welche Orte hat Sie Ihre Wanderlust schon geführt?

Neunhäuserer: Im letzten Jahr bin ich mit einer Freundin den Antoniusweg von Bologna nach Dovadola gegangen und es war faszinierend, wie sich in den sechs Tagen die Landschaft verändert hat – ein wunderschöner Weg mit besonderen Plätzen in der Natur und netten kleinen italienischen Städten und gutem Essen. Sehr empfehlen kann ich auch den Weg vom Stift Göttweig zum Stift Melk auf dem Jakobsweg oder die Via Nova von Bayern nach Sankt Wolfgang.

Tips: Wem würden Sie eine Pilgerwanderung empfehlen?

Neunhäuserer: Jemandem, der sich nach einem Tag Auszeit sehnt oder auch eine spirituelle „Tankstelle“ benötigt.

Tips: Und was empfehlen Sie Menschen, die sich nicht zutrauen, eine Pilgerwanderung allein zu organisieren?

Neunhäuserer: Zum Hineinschnuppern eignen sich die nächsten Tagespilgerwanderungen von Geiersberg nach Dorf an der Pram am Karsamstag und eine Frühlingswanderung vom Heuboden Kronedt (Mayrhof) nach Kallham zur wunderschönen Fatimakapelle mitten im Wald am 25. April.

Tips: Sie begleiten diese Menschen auf ihrer Reise. Wie kann man sich eine Wanderung mit Ihnen vorstellen?

Neunhäuserer: Wir starten in einer Kirche oder am Dorfplatz meist mit einer kurzen Vorstellrunde, einem Lied und dem Pilgersegen. Unterwegs rasten wir an schönen Plätzen in der Natur oder in Kirchen und Gasthöfen. Texte, Geschichten oder Bibelworte dienen als Wegbegleiter und Impulse. Bei meinen Pilgerwanderungen gehe ich auch immer wieder mit den Teilnehmern im Schweigen und in der Stille. Mittags machen wir gern ein Picknick, wenn es das Wetter erlaubt und am Abend im Quartier lassen wir den Pilgertag mit einem guten Essen und gemütlichen Beisammensein ausklingen.

Info

Infos zu Pilgerwanderungen unter www.spirituelle-wegbegleiter.at und www.lydianeunhaeuserer.­jimdo.com


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