OBERRABENTHAN. Wenn man Sissi Tree auch nicht persönlich kennt, so zumindest manche ihrer Erfindungen. Diese reichen von Meternudeln, (Opernball-)Kleidern über eine Nascherei mit bunter Füllung bis hin zum essbarem Ostergras oder der Namensgebung für das zweistreifige Ketchup samt Mayonaise aus einer Tube. Eine Bäuerin, die mit ihrer Werbeagentur gerne auffällt, überrascht und verblüfft. Am 13. November will sie genau das mit einem Vortrag in Schönbach erreichen.
2002 stahl eine Frau am Wiener Opernball mit ihrem Outfit vielen Politikern und Prominenten die Show. Es war Elisabeth „Sissi“ Tree, die mit ihrem „Euro-Kleid“ die Blicke auf sich zog. Kein Wunder, zierten doch unzählige echte Euro-Scheine ihren Körper. „Ich habe das Geld einfach in luftdichte Folie eingeschweißt und so ein Recycling-Kleid kreiert“, schmunzelt die Inhaberin einer Werbeagentur.
Zugegeben, heute würde sie das nicht mehr machen, „es wäre ihr irgendwie peinlich“. Aber es war zumindest eine Ballrobe, die keinen Cent kostete, denn am nächsten Tag wanderte das Geld wieder auf das Bankkonto. Das gleiche Prinzip wurde noch ein paar Mal angewendet, am Weinhauerball schmückte sie sich mit Weinetiketten, für eine Casino-Eröffnung stattete sie sich flächendeckend mit Schnapskarten aus.
Schüchterne Schülerin
„Auffallen ist das Motto, das habe ich in der Werbebranche gelernt.“ Dass sie früher mal als schüchtern galt - ein Referat ihr große Überwindung kostete - ist heute nur schwer vorstellbar. Wie ein Wasserfall sprudeln die Wörter in einem beindruckenden Tempo über ihre Lippen. Aus dem Bauch heraus, frei und ungezwungen, und das ist wahrscheinlich auch ihr Erfolgsrezept.
Sissi Tree kommt aus einer Wiener Unternehmerfamilie, wo das Anpacken schon seit jeher großgeschrieben wurde. Das prägte die quirlige 56-Jährige, Leistung imponiert ihr bis heute. Ein Wirtschaftsstudium samt Doktorat folgte, nebenher absolvierte sie eine Vielzahl an Kursen und Weiterbildungen, war dann für einige Werbeagenturen tätig und wagte später den Schritt in die Selbstständigkeit, vorerst als Freelancer. „Ich dachte mir, ich verkaufe meine Ideen lieber selber, außerdem wollte ich mir von keinem etwas anschaffen lassen“, lacht Sissi Tree.
Sie kreierte neue Werbeflächen für große Firmen. So wurden Ski mit Airbrush versehen, die Seitenteile von Autoreifen bekamen einen neuen Look verpasst. Liebend gerne macht sie bis heute mit unkonventionellen Postwurfsendungen auf sich aufmerksam. „Ich habe zu Sommerbeginn kleine aufblasbare Luftmatratzen versendet mit einem lieben Gruß. Wenn ich für Kunden an Ärzte geschrieben habe, dann wurde der Brief in lateinischer Sprache verfasst.“
Beim Direktor von McDonalds
Selbst die Führungsebenen vieler Konzerne wurden auf Sissi Tree aufmerksam. Man nehme einen Telefonhörer, versehe ihn mit der Briefmarke auf der einen und der Adresse auf der anderen Seite und schicke ihn unverpackt mit der Nachricht „Call me, i have good ideas für your company“ zum Beispiel an den Direktor von McDonalds. Gesagt, getan. Kurze Zeit später, wurde sie vorgeladen, die Leitung des Fastfood-Riesen wartete in Chicago auf die gebürtige Wienerin. So gelang es der kreativen Querdenkerin, sich viele Male nachhaltig in Erinnerung zu rufen - die Aufträge folgten auf dem Fuße.
Der Gag mit dem Telefonhörer hat sich, geringfügig abgeändert, noch viele weitere Male bewährt. So wurden etwa für Kunden Duschbrausen verschickt, die die Aufschrift trugen „Die Konkurrenz kann sich brausen gehen“.
Die 20.000 Dollar Fliege
Für ein internationales Kreditkartenunternehmen erfand sie die Dollar-Fliege. Ein Dollarschein in dicke Folie gepackt und zusammengefaltet, ergab eine adrette Fliege. Das Mailing wurde an 20.000 Adressaten versendet und symbolisierte so die stetige Bargeld-Bereitschaft - ein durchschlagender Erfolg.
Schulanfänger in Wien wurden mit ihren essbaren Zebrastreifen versorgt - es waren dies Sicherheitstipps auf eine Oblate aufgedruckt. Ein Elektronikhandelsunternehmen verteilte Tree's essbare Schummelzettelchen mit mathematischen Deklinationen und Lateinformeln. Andere Firmen wiederum griffen gerne auf die duftende und leckere Schwarzwälderkirschtorte in Oblatenform für Kunden-Geburtstage zurück.
Das beliebte essbare grüne Ostergras ist heute vielen ein Begriff und auch eine Schokokreation mit bunter Füllung stammt aus ihrer Feder. Übrigens die einzige Gebrauchsmusteranmeldung beim Österreichischen Patentamt, die sie bisland anmeldete. „Das ist ein sehr komplexes, teures Verfahren. Wenn man etwas schützt, sollte man es innerhalb von einem Jahr verkaufen“, weiß die Erfinderin. Andere Möglichkeiten wie der Einsatz eines Stillhalters seien oft sinnvoller.
Verhilft zum Durchbruch
Der Weg von der Idee bis zur Umsetzung ist oft steinig, liebend gerne unterstützt sie Erfinder bei dieser Realisierung und das zumeist völlig kostenlos. „Sie macht sich keinerlei Gedanken, ob da etwas zurückkommt und erwartet nichts, es ist rein die Freude, die sie jemanden bereiten kann“, meint ihr Lebensgefährte Peter. „Ja ich helfe irrsinnig gerne, es ist nicht immer das Millionengeschäft, aber ich habe stets irgendwelche Tipps auf Lager, auf vielen verschiedenen Ebenen“, meint die 56-Jährige.
Das „stehende Chips-Sackerl“
Ein Pärchen unterstützte sie beispielsweise bei der Realisierung des „stehenden Chips-Sackerls“. Die querformatige Packung wird einfach von oben, in Längsrichtung geöffnet und kann sofort „stehen“. Ein herausragendes Mail, ein kurzer Anruf von Sissi Tree und schon wurden die Erfinder von der großen Snack-Firma empfangen. Heute gibt es die „Chips-Party“, wie sie der Knabber-Gigant“ nennt, in nahezu allen Supermärkten. Einem Mädchen wiederum half sie vor kurzem bei der Jobsuche - mit einer originellen Bewerbung.
„Aus dem Bauch heraus“
Oftmals kommt ihr dabei ihr großes Netzwerk zugute, das von den Großen in Wirtschaft und Politik bis hin zu den Adabeis reicht. Berührungsängste kennt sie dabei keine - alle Menschen sind in ihrem Augen gleich, ob Obdachloser oder Multimillionär. Geld ist zweitrangig. „Ich selbst gebe mich nicht gerne dem Konsumzwang hin, komme mit einem Minimum aus, brauche kaum etwas. Ich schenke sehr viel. Ein guter Freund, ein gutes Netzwerk ist viel mehr wert als alles Geld“, ist sie überzeugt.
„Sissi ist der herzensbeste Mensch, den ich kenne, eine Frau der Tat, die nicht lange nachdenkt, sondern macht. Sie nimmt alles mit Leichtigkeit, denkt nicht an all das, was womöglich passieren könnte“, beschreibt sie Peter.
Angst, dass ihr einmal die Ideen ausgehen könnten, die hat sie nicht. Die Ideen kommen blitzartig, nicht zwanghaft. Beim stundenlangen Spazieren mit ihren Hunden in der Waldviertler Natur rund um Oberrabenthan (Gemeinde Rappottenstein) oder beim meditativen „In-die-Luft-gucken“ wird der Kopf frei.
Mit Leib und Seele bezeichnet sie sich als Bäuerin, die sich liebevoll um ihre Ziegen, Hühner, Hasen oder das Hängebauchschwein „Piggy“ auf ihrem Hof sorgt. Dann und wann taucht sie wieder ein in die Wiener Großstadt, wo sie ihre Werbeagentur führt. Dann vor allem um Talente zu fördern und Erfinder zu beraten. Aber die beste Idee ihres Lebens war - neben dem Sitz in der Großstadt - auf das Land zu ziehen, ist sie sich sicher.
13. November: Tipps für jeden
Ihre Strategien und Ideen gibt sie gerne in Form von Vorträgen und Seminaren weiter. Am 13. November lädt sie gemeinsam mit „Frau in der Wirtschaft“ um 19 Uhr in das Biergwölb nach Schönbach. Unter dem Motto „Blitzlösungen für Probleme aller Art“ gibt sie Geschäftsideen preis, die zum einen anregen sollen und zum anderen auch jeder kostenlos nachmachen darf. Gute Tipps inklusive.
„Kommen und überraschen lassen“, lautet die Devise. Zugunsten der Initiative Schönbach verlost Sissi zudem originelle Preise, die man so bestimmt noch nicht gesehen hat. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist erwünscht: 0676/ 6851093, sissi.tree@a1.net
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