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Urlaub in der Sperrzone: Eine Zwettlerin wagte eine Reise in die Gespensterstadt Pripyat

Leserartikel Eva Leutgeb, 30.10.2019 07:00

OBERSTRAHLBACH/PRIPYAT. Während andere ihren Urlaub im Süden lieber am Meer verbringen, wagte die aus Oberstrahlbach stammende Anita Weixelbraun eine Reise in die Gespensterstadt Pripyat - über 30 Jahre nach dem Totalversagen in Tschernobyl, wo viele durch die hohe Strahlung ihr Leben lassen mussten. Über 50.000 Menschen mussten in einer Nacht und Nebelaktion die Stadt verlassen, erst 36 Stunden nach dem Unfall informiert.

Zugewachsene Autodroms - vier Tage nach dem atomaren Unfall hätte der Vergnügungspark eröffnet werden sollen. Fotos: Weixelbraun
photo_library Zugewachsene Autodroms - vier Tage nach dem atomaren Unfall hätte der Vergnügungspark eröffnet werden sollen. Fotos: Weixelbraun

Seit 20 Jahren beschäftigt sich Anita Weixebraun mit diesem Thema in der Sperrzone. Eine Reise hatte sie bislang nie unternommen, weil mit den Eintrittsbewilligungen und Zulassungen als Einzelperson alles viel schwieriger sei. Erst durch ein Reiseunternehmen, das alle behördlichen Weg erledigte, konnte sie sich ihren Traum in einer 19-köpfigen Reisegruppe erfüllen. Auf die Frage, ob sie denn vor Strahlung, vor der immer gewarnt wird, keine Angst gehabt habe, erklärt Anita: „Ich habe das mit meinem Hausarzt abgeklärt. Eine Strahlung in Pripyat ist geringer als bei einem Langstreckenflug. Somit hab ich beim Flug dort hin mehr Strahlung abgekommen, als in der Sperrzone. Und außerdem geben die Städte Rom und Denver mittlerweile auch mehr Strahlung ab, als in Tschernobyl angenommen wird.“ Eine eventuelle Korruption mit dem Geigerzähler der Reiseführer hat man überprüft. „Zwei Burschen aus der Reisegruppe haben zwei Geigerzähler mitgehabt, die haben ungefähr das gleiche angezeigt“, sagt Anita.

Eine Nacht in der Sperrzone

Die Stadt Pripyat ist mittlerweile wieder besiedelt, die älteren Leute haben es sich nicht nehmen lassen, wieder in ihren Heimatort zurückzukehren. Vor der Einreise in die Geisterstadt muss noch eine Unterschrift im Bus abgegeben werden, dass man auf eigene Verantwortung dort hin reist. 900 Leute haben sich an dem Tag angemeldet, das bedeutet eine Stunde Wartezeit. „Die müssen sich aber irgendwo versteckt haben, denn mir sind immer nur die zwei gleichen Reisegruppen begegnet“, schmunzelt Anita. Eine Nacht verbringt sie in der Sperrzone. Das Hotel ist spartanisch eingerichtet und die Tapeten an den Wänden machen zwar „blind“, aber sonst ist alles vorhanden. Wasser, Strom, Fernseher sind da und ganz verwundert ist Anita über die verfügbare WLAN-Verbindung. Das Essen wird von außerhalb eingeführt. „Es hat vorzüglich geschmeckt, wie bei der Oma“, schwärmt Anita. Man darf von dort aufgrund der angeblichen Strahlung nichts essen, nicht alles angreifen, nichts aufheben. Alkoholausschank gibt es nur zwischen 19 und 21 Uhr und ab 22 Uhr darf an das Hotel nicht mehr verlassen. Touren sind ohnehin nur mit dem Reiseführer erlaubt. Ohne Führer kommt man nirgendwo hin und nur auf Strecken, die vom Staat freigegeben sind. Aufpasser gehen hinter und vor der Gruppe. – Der Kommunismus lässt grüßen.

Verstörende Eindrücke

Die Nacht in Pripyat verläuft ruhig und es ist absolut nichts zu hören. Aber am nächsten Tag wird es Anita Weixelbraun klar, da fehlt etwas: Es ist kein Vogelgezwitscher zu hören, man sieht keine streunenden Katzen und keine sich tummelnden Insekten. Da stellt sich die Frage auf, warum sich einige Tiere dort nicht niederlassen. Lediglich ein paar Wölfe Luchse und Elche gibt es dort. Hie und da lässt sich ein Hund blicken. Die Schiwalski-Pferde (Urpferde) wurden wieder angesiedelt. Wisente haben von selbst den Weg in Sperrzonen gefunden, weil sie dort keinen störenden Menschen vorfinden.

Verstörend sind auch die Eindrücke in den Gebäuden. Da gibt es einen Kulturpalast, ein Schwimmbad, Kindergarten, Schule und überhaupt sind viele hohe Gebäude rundum. Emotional verläuft die Besichtigung im Krankenhaus ab. Verstaubte Operationssäle, Klassenzimmer und eine verlassene Babystation mit kleinen Bettchen lassen erahnen, welches Leben hier einmal vorzufinden war. Der Keller im Krankenhaus ist Tabu. Hier liegt die Feuerwehrkleidung, die damals nach dem Unfall dort hinterlassen wurde. Ein Reiseführer berichtet der Gruppe, dass er mit seinem Geigerzähler dort war: „Die Strahlung von 800 µ (Mü) sei so hoch gewesen, dass er noch nie in seinem Leben so schnell gelaufen sei“, gibt Anita wieder. Normalwerte liegen zwischen 0,03 µ und 0,08 µ.

Ein Park, der nie eröffnet wurde

Manches scheint gestellt, sind hier aufgeschlagene Bücher in der Schule zu finden, die weder verstaubt noch vergilbt sind. Anscheinend sind hier Urbexer unterwegs, die Dinge in „Lost places“ stellen. Aber auch Räume, in denen Plünderer alles rausgerissen haben, findet man vor. Geisterstadt-Feeling bekommt man im Vergnügungspark, wenn sich das verrostete Riesenrad plötzlich durch den Wind alleine zu drehen beginnt. Den Rummelplatz mit seinen nunmehr zugewachsenen Autodroms und all den anderen vergnüglichen Einrichtungen hat keiner der Bewohner mehr in Anspruch nehmen können – der Park hätte vier Tage nach dem atomaren Unfall erst eröffnet werden sollen.

Ein Geigerzähler zum Muttertag

„Ich habe mich keine einzige Minute unsicher gefühlt. Man verliert dermaßen die Scheu“, erzählt Anita. Nur einmal Mal, gab es ein mulmiges Gefühl, als man die Restbestände vom „Roten Wald“ besuchte und der Geigerzähler 22 µ (Mü) anzeigte. „Das war eine Situation, wo es muxmäuschenstill im Bus war“. Der Wald ist durch die Strahlung nadellos geworden und hat durch sein leuchtend rotes Aussehen diesen Namen erhalten. Aber am meisten beeindruckt war Anita Weixelbraun aber, wie die Leute, die sich dort wieder angesiedelt haben, damit umgehen: „Die Menschen haben sich arrangiert, es gibt keinen Hass und sie haben sich angepasst und sind sehr aufgeschlossen“. Wohin Anita ihre nächste Reise führt, weiß sie noch nicht, aber ihre Kinder hatten sich schon überlegt, ihr zum Muttertag einen Geigerzähler zu schenken. Wer einen Besuch in die Sperrzone wagen möchte, sollte nicht mehr allzu lange überlegen, denn man plant, Pripyat für den Massentourismus freizugegeben.

Zur Bildergalerie: www.tips.at/b/486551


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