Denk-mal-Rundgang: Amstettner auf historischer Spurensuche
AMSTETTEN. Zu einem Denk-mal-Rundgang gegen das Vergessen lud Historiker Gerhard Ziskovsky ein. Im Zentrum standen Aufschwung und Niedergang der nationalsozialistischen „Modellstadt“ Amstetten sowie die Suche nach Relikten der NS-Zeit.
Die Vergangenheit auszuleuchten und dem historischen Gedächtnis der Stadt auf den Grund zu gehen – dies war unter anderem Ziel der Spurensuche, an der viele Menschen teilnahmen. Gemeinsam „ergingen“ sie die NS-“Modellstadt“ Amstetten vom Hauptplatz aus.
NS-“Modellstadt“
Amstetten wäre im Nationalsozialismus als Stadt vollkommen neu geplant worden. „Wolfgang Mitterdorfer, von 1938 bis 1945 Bürgermeister, wollte den Einwohnern zeigen, dass der Wille für den Endsieg da ist. Bis 1943 erarbeitete er einzelne Planungsstufen zur Stadtentwicklung. Skizzen und Modelle sind noch erhalten“, so Ziskovsky.
Monumentales Zentrum
So sollte etwa im Bereich der Preinsbacher Straße/Alten Zeile ein monumentales Zentrum mit einigen Großbauten wie einer Stadthalle, einem Kreishaus oder einem Aufmarschplatz entstehen. „Zudem war der Ausbau der Preinsbacher Straße zu einer Prachtstraße geplant.
Herz Jesu-Kirche sollte entfernt werden
Die Herz Jesu-Kirche sollte entfernt werden und unter anderem einer neuen Volksschule Platz machen“, so der Historiker. In einem Teil des Areals – in der Villenstraße – sei bereits die Gestapo (Geheime Staatspolizei) untergebracht gewesen. Auch nach Osten und Süden hin seien neue Stadtteile – genannt Neustadt, Ybbsstadt, Südstadt und Garnisonsstadt – geplant worden.
Ideologischer Schwerpunkt am Krautberg
„Zum ideologischen Schwerpunkt in der Stadtplanung Amstettens hat Bürgermeister Mitterdorfer den Krautberg auserkoren“, informierte Ziskovsky. Hier sollte sich all das konzentrieren, was für eine Volksgemeinschaft notwendig sei.
Der Krautberg als Burgberg
So plante Mitterdorfer dort eine Parteihochburg – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. „Gedacht war ein schlossartiges Bürgermeister-Amt, eine große Feierhalle oder etwa eine riesige „Thingstätte“. Dabei handelt es sich um ein NS-Freilichttheater“, so Ziskovsky. Wichtig sei gewesen, dass die Ortsburg auch noch die höchste Kirche überrage.
500 Wohnungen „nach modernsten Prinzipien“
Weiters sei am Krautberg die Errichtung von über 500 Wohnungen „nach modernsten Prinzipien“ geplant gewesen. Realisiert wurde aufgrund des Kriegsbeginnes nur etwa ein Drittel.
„Schönererplatz“
„Was jedoch verwirklicht wurde, war der Schönererplatz mit einem Denkmal von Georg von Schönerer, einem Rassentheoretiker und radikalen Antisemiten, den Bürgermeister Mitterdorfer sehr verehrte“, berichtete Ziskovsky. Der Krautberg war auch als Friedhofsberg gedacht. Vor allem jene, die der „arischen Volksgemeinschaft“ nicht angehörten, seien hier bestattet worden.
Luftschutzstollen
„Wenn man über den Krautberg spricht, muss man natürlich die ehemaligen Luftschutzstollen – auch jene im Reitbauernberg – erwähnen. Dort konnten 8000 Menschen Zuflucht finden. Bei Luftangriffen kamen übrigens 192 Menschen in Amstetten ums Leben, davon 62 Amstettner. Die übrigen Opfer waren Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge“, so Ziskovsky.
Stadtteil Edla – Kultzentrum
Im Stadtteil Elda plante Bürgermeister Mitterdorfer einen Stadtpark mit Kultur- beziehungsweise Kultzentrum. „Hier befindet sich auch noch ein Relikt aus der NS-Zeit. Es handelt sich dabei um ein „Anschlussdenkmal“ zur Eröffnung des Parks. Nach 1945 wurde es „entschärft“. Leider fehlt jedoch nach wie vor eine Hinweistafel zur historischen Einordnung“, so Ziskovsky. Laut Stadtgemeinde sei diese jedoch in Arbeit.
Thingstätte, Puppenbühne, Heimatmuseum & Co
Konzipiert war für den Stadtteil Edla ebenfalls eine „Thingstätte“, eine „Puppenbühne“ für ideologische Stücke, eine „Oberschule“ (heutige Volksschule Elsa Brändström) oder etwa ein Heimatmuseum im Schloss Edla, dessen Besitzer 1938 vertrieben wurden.
Innehalten und Bewusstwerden
„Allgemein ist zu sagen, dass es in Amstetten historische Orte gibt, die vielfach unerkannt als Teil des städtischen Ensembles in den Alltag übernommen wurden. Der Denk-mal-Rundgang sollte ein Innehalten und ein Bewusstwerden ermöglichen“, so Ziskovsky abschließend.
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