Gewalt an Frauen: „Wir können und wir wollen auch nicht stillhalten!“
AMSTETTEN. Am 25. November wird der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen begangen. Aus diesem Anlass wird auch in Am-stetten die Fahne „frei leben ohne gewalt“ wehen.
Jedes Jahr zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen sprechen sich Politikerinnen, Vertreterinnen der Kirchen, Künstlerinnen und regionale Opferhilfeeinrichtungen in Amstetten öffentlich gegen Gewalt an Frauen aus. Auch heuer war alles organisiert – aber dann musste die Kundgebung aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden.
20 Morde in Österreich
„Wir können und wollen aber nicht stillhalten. Auch heuer kam es in Österreich zu 20 Morden und 22 schweren Mordversuchen an Frauen aufgrund von Gewalt in der Beziehung. Die Gewalt wird von allen verurteilt. Trotzdem geschieht sie – und das auch in unserer unmittelbaren Umgebung“, macht Maria Reichartzeder vom Frauenhaus Amstetten aufmerksam.
Gewalt entwickelt sich langsam
Gewalt ist ein subjektives Gefühl, sie entwickelt sich laut Reichartzeder langsam, oft über Jahre, und sie wird gefährlicher und grenzenloser. „Der Zeitpunkt, eine Trennung anzukündigen, ist der gefährlichste in einer Beziehung. Wichtig ist es, sich diesen Zeitpunkt genau zu planen und einen Rahmen zu suchen, in dem man sich sicher fühlen kann. Es gibt Hilfsangebote für Frauen und auch für Männer!“, betont Reichartzeder.
Heuer 5300 Nächtigungen im Frauenhaus Amstetten
Das Frauenhaus ist eine Wohneinrichtung für misshandelte Frauen und ihre Kinder. „Mehrmals wöchentlich wenden sich Frauen an uns, die sich vor ihrem Partner fürchten müssen“, erzählt Reichartzeder. 2020 haben bereits 41 Frauen mit ihren Kindern im Haus gelebt. Es wurden 5.300 Nächtigungen gezählt. Derzeit sei in der Einrichtung relativ viel los. Es seien jedoch in allen NÖ Frauenhäusern Plätze frei.
„Wir alle müssen zusammenwirken“
„Die Frauenhäuser werden gebraucht und wir alle müssen zusammenwirken, dass die Gewalt weniger wird und niemand in unserem Land in Angst leben muss“, betont Reichartzeder.
Folgen der Corona-Krise
Durch die Corona-Krise und die damit verbundene Arbeitslosigkeit würden laut Reichartzeder auch die Zukunftsängste steigen. „Es gehört immer sehr viel Mut dazu, aus der Gewaltspirale in einer Beziehung auszusteigen. Wenn man aber nicht weiß, wie es finanziell weitergehen soll und keine Zukunftsvorstellungen vorhanden sind, ist das umso schwieriger“, so Reichartzeder.
Mehr Kampagnen zur Sensibilisierung
Für die finanzielle Unterstützung der Frauenhäuser seitens der Politik ist Reichartzeder dankbar. Es fehle jedoch mehr Geld für Kampagnen, die die Gesellschaft sensibilisieren. „Es ist wichtig, die Menschen darüber zu informieren, wo Gewalt beginnt, wann es wichtig ist, einzuschreiten, und wo man Verantwortung übernehmen kann“, so Reichartzeder.
„Ein Anruf genügt“
Positiv sei, dass immer mehr Leute bereit seien, eine Gewaltsituation zu durchbrechen. „Hier genügt ein Anruf oder ein Anklopfen an die Tür. Eine ehemalige Bewohnerin des Frauenhauses hat mir erzählt, dass sie ihren Ex-Mann auf der Straße getroffen und er sie körperlich angegriffen hat. Ein Passant hat die Situation mit dem Handy gefilmt und der Frau angeboten, das Video als Beweis zur Verfügung zu stellen. Der Passant hat damit die Lage entschärft, ohne direkt einzuschreiten“, erklärt Reichartzeder. Wichtig sei jedenfalls, Gewalt früh genug zu erkennen und zu beenden, „denn wir wissen: Gewalt in Beziehungen kann sich ins Unermessliche steigern“.
Filmdreh in Amstetten
Anlässlich des Tages gegen Gewalt an Frauen zeigt der ORF die Dokumentation „Und bist du nicht willig“. Darin setzt sich Regisseurin Andrea Eder mit Schicksalen Betroffener auseinander, die anderen Mut machen sollen. Gedreht wurde auch im Frauenhaus Amstetten. „Ein Film-Team hat uns besucht und Interviews mit den Mitarbeiterinnen sowie auch mit einer ehemaligen Bewohnerin gemacht“, so Maria Reichartzeder. Die Doku ist noch einige Tage in der ORF-TVthek (https://tvthek.orf.at/) zu sehen.
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