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Wirtschaftsgeschichte: Auf den Spuren der zahlreichen Ziegelöfen rund um Amstetten

Norbert St. Mottas, 26.03.2020 07:00

AMSTETTEN. Der Stadtarchivar a.D. Josef Plaimer begab sich auf die Spuren der mittlerweile abgekommenen Ziegelöfen rund um Amstetten.

Schimek-Ziegelei (1920) Links von der Anlage das Wohnhaus für die Ziegelarbeiter Foto: Stadtarchiv
photo_library Schimek-Ziegelei (1920) Links von der Anlage das Wohnhaus für die Ziegelarbeiter Foto: Stadtarchiv

AMSTETTEN.  Etwa rund 100 Jahre lang gab es in Amstetten eine blühende Ziegelindustrie. Der Stadtarchivar a.D. Josef Plaimer begab sich auf die Spuren der mittlerweile abgekommenen Ziegelöfen.

Im Jahre 1980 wurde der letzte, damals noch in Amstetten an der Viehdorfer Straße betriebenene, Ziegelofen endgültig geschlossen. Dieser war der letzte Zeuge einer einst blühenden Ziegelindustrie im Raum Amstetten. Ziegelerzeugung seit dem 16. JahrhundertReichliche Lehmvorkommen nördlich von Amstetten waren nachweislich ab dem 16. Jahrhundert Grundlage der Ziegelerzeugung in Amstetten. 1557 wird im Marktbuch I ein „Ziegelstadl am Berg“ am Fuße des Krautberges erwähnt.

Die Abbaustufen südöstlich der Auffahrt zum Neuen Friedhof sind heute noch erkennbar.

Im Marktbuch III ist zum 9.3.1662 von einem Wahlvorgang über „Markträte“ die Rede. Gewählt wurde hier auch ein Ziegelverwalter, der zuständig für den „Ziegelofen der Gemain“ auf dem Krautberg war. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lag der Gemeindeziegelofen längere Zeit brach. Erst ab 1869 arbeitete der Ziegelofen wieder in vollem Umfang, nachdem der desolate holzgezimmerte Kanal in der Kirchengasse durch einen gemauerten Kanal ersetzt wurde.

Der Gemeindeziegelofen erreichte nun seinen ersten Höhenflug. Er versorgte nicht nur den Markt Amstetten, sondern auch die Umgebung bis nach Waidhofen/Ybbs. Ja, sogar bis in die Gegend von St. Pölten wurden Mauer- und Dachziegel sowie Drainagerohre geliefert.

Der vormals gute Geschäftsgang erlitt in den folgenden Jahrzehnten mit dem überalterten Ziegelofen einen erheblichen Einbruch, worauf die Gemeinde dessen Verkauf erwog. Die Ziegelei ließ sich jedoch nicht so rasch verkaufen, sodass die Gebäude in den folgenden Jahren an verschiedene Gewerbetreibende vermietet wurden. Abgebrochen wurde der Ziegelofen aber erst in den Jahren 1935/36 im Zuge des Umbaus der Krautbergstraße.

Bauboom ließ viele Ziegeleien entstehen

1891 errichtete der rührige Maurermeister und Betonwarenerzeuger Johann Schreihofer auf den Gründen des vormaligen „Pöchhacker-Hofes“ – heute Ardaggerstraße Nr. 55 – einen hochmodernen Ringofenbetrieb. Die Ziegelei beschäftigte in der Folge rund 60 italienische Fachkräfte, worauf die Gemeinde den Betrieb ihres veralteten Ziegelofens auf dem Krautberg am Beginn des 20. Jahrhunderts einstellen musste.Fünf Jahre später (1896) baute der Besitzer des Reitbauernhofes Alois Lachinger den an den Viehdofer Straße gelegenen Feldziegelofen zu einer modernen Ringziegelei um. Dazu errichtete Lachinger im Jahre 1900 ein zweigeschossiges Arbeiterwohnhaus für 40 Ziegelarbeiter. Während des 1. Weltkrieges musste dieser Ringziegelofen – wie auch die anderen – vorübergehend seinen Betrieb einstellen.

Am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden im Osten der Stadt weitere zwei Ziegelöfen. Der Ziegelofen in Eisenreichdornach – heute Langwiesenstraße – wurde 1899 von Baumeister Leopold Spreitzer sen. errichtet.

Der Ringziegelofen an der Dornacher Straße wurde wiederum 1897/98 (östlich des Krankenhauses Amstetten) vom Amstettner Bauunternehmer Johann Schreihofer errichtet. Nach Abnahme des Baubooms veräußerte Schreihofer zuerst den Ziegelofen auf den Pöchhackergründen und danach jenen an der Dornacher Straße (1904), letzterer wurde daraufhin von Moritz Weiss erworben. Pöchhacker-ZiegelofenNoch im Jahre 1903 hatte die Stadtgemeinde Amstetten den Pöchhacker-Ziegelofen erworben, richtete ihn mit neuer Wasserleitung sowie neuen Gleisen ein und betrieb ihn in eigener Regie. Nach anfänglich guten Ergebnissen musste auch dieser Betrieb in der Zeit des 1. Weltkrieges eingestellt werden. Das Betriebsgebäude wurde in späteren Jahrzehnten zu einem Wohngebäude adaptiert und diente bis am Anfang der 1970er-Jahre als Unterkunft für viele Amstettner Familien.

Soziale Missstände

Stadtarchivar a.D. Josef Plaimer berichtet, dass die sozialen Missstände enorm waren. Bald hatten alle vier bestehenden Ziegelöfen mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Arbeiter – vorwiegend Italiener – beschwerten sich über die schlechte Entlohnung und die unzumutbaren Wohnverhältnisse. Am 2. Mai 1907 traten alle Arbeiter der vier Ziegeleien – etwa 100 an der Zahl – in den Streik. Sie verlangten eine Arbeitszeitverkürzung und höhere Löhne, mussten sich jedoch nur mit geringen Zugeständnissen abfinden. Doch auch die Arbeits- und Wohnverhältnisse in den Ziegeleien an der Dorner Straße und in Eisenreichdornach müssen unzumutbar gewesen sein; denn sogar die Baubehörde stellte 1935 fest, dass die Wohngebäude für Wohnzwecke ungeeignet seien. Neuerliche Beschwerden veranlassten die Gewerkschaft der Arbeiter, die Verhältnisse zu untersuchen. Der Befund war erschreckend. Nicht nur, dass die Wohnstätten der Arbeiter als „Löcher“ bezeichnet werden konnten, auch die Entlohnung war überaus schlecht. Die Arbeiter erhielten zeitweise überhaupt keinen Lohn, sondern wurden stattdessen durch die Ausgabe von Lebensmitteln im wahrsten Sinne des Wortes geringfügig „abgespeist“.

Überteuerte Lebensmittel

Dazu kam noch, dass die Lebensmittel den Arbeitern teurer verrechnet wurden, als sie im freien Handel erhältlich waren. Manche Arbeiter konnten sich nur über Wasser halten, indem sie in der Umgebung betteln gingen. Eine riesige Belastung für die Arbeiter war es auch, dass die Wohnungsmieten ins Uferlose stiegen.

Das Ende der Ziegeleien

Große Hindernisse für eine Wiederinbetriebnahme des städtischen Ziegelofens auf den Pöchhackergründen waren fehlende Wohnungen für die Arbeiter und Lebensmittelmangel. Die Schwierigkeiten stiegen von Jahr zu Jahr und die Konkurrenz der anderen drei Ziegelöfen war auch beträchtlich.1930 kam das endgültige Aus, die Erzeugung wurde endgültig eingestellt. Heute befinden sich auf dem Areal der ehemaligen Gemeindeziegelei eine Siedlung von Einfamilienwohnhäusern sowie ein zehnstöckiges Wohnhaus.

Schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 war das Unternehmen des Moritz Weiss in der Dornacher Straße –das vormals von Johann Schreihofer errichtet wurde – am Ende. In den vorangegangenen Jahren hatte die Firma mehrmals den Ausgleich anmelden müssen. Von der Kreisstadt Amstetten übernommen, schließlich 1951 von der Stadtgemeinde von Georg Weiss wieder rückerworben, musste auch der städtische Ziegelofen Ende 1967 den Betrieb einstellen. Auch auf diesen Gründen entstand danach eine Wohnsiedlung.

Der Ziegelofen des Lachinger, danach die Schimek OHG, später die Poschacher GesmbH, wurde letztendlich in die Wienerberger Ziegelwerke eingegliedert, die dann 1980 die Gebäude abtrugen und die Gründe zur Bebauung von Wohnhäusern veräußerten.

Konkurrenz von Großbetrieben

Die allgemeine Konkurrenz von Großbetrieben mit vollautomatischen Ziegelerzeugungen war nicht mehr aufzuhalten. Egal ob es bei der Erzeugung der Vollziegel, oder bei den immer besser dämmenden Hohlblockziegeln war, großteils überwachte nur mehr ein Mann am Schaltpult die Vorgänge, billigere Schalsteine drangen in den Bausektor ein, Vollschalungen für jedes Stockwerk und sich gegenseitig unterbietende Betonerzeugungsfirmen erzeugten einen so intensiven Kostendruck, dem nahezu alle kleinen und mittleren Ziegelerzeugungsbetriebe zum Opfer fielen.

Straßenname „Ziegelofengasse“

In Amstetten erinnert heute nur mehr der Straßenname „Ziegelofengasse“ an ein Kapitel kommunaler Wirtschaftsgeschichte, das innerhalb von nur einem Jahrhundert seinen Höhenflug und seinen Untergang erlebt hat.


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