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Interview mit Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig über Herausforderungen im Pflegebereich

Norbert Mottas, 26.05.2020 18:42

NIEDERÖSTERREICH. In der Corona-Krise zeigte sich deutlich, welche Herausforderungen im Pflegebereich bestehen. Tips-Redakteur Norbert Mottas bat die Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) zum Interview.

Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig  Foto: weinfranz.at
Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig Foto: weinfranz.at

Tips: Die Grenzsperren zeigten, wie sehr Österreich auf die 24-Stunden-Betreuerinnen – vor allem aus Osteuropa – angewiesen ist. Sie mahnen ein, bei der Pflege und Betreuung das Thema „Unabhängigkeit“ mehr in den Fokus zu stellen. Wie kann man Österreicherinnen bei der derzeitigen Entlohnung für eine 24-Stunden-Betreuung gewinnen?

Königsberger-Ludwig: Wenn wir mehr Menschen für Sozialberufe gewinnen und bestehende Mitarbeiter binden wollen, braucht es etwas Besonderes. Wir müssen den Beruf attraktiver machen, um junge Menschen dafür zu begeistern, sowie ein vernünftiges Ausbildungs- und Umschulungsangebot für Arbeitssuchende bei dieser hohen Arbeitslosigkeit schaffen. Was wir speziell brauchen, ist neben guten Arbeitsbedingungen auch faire Bezahlung und eine Aufwertung der pflegenden Berufe im gesamten Gesundheits- und Sozialsystem. Auch die 35-Stunden-Woche wäre ein wichtiger Impuls. Nur so wird es uns gelingen, den zukünftigen Bedarf abzudecken.

Tips: Die Familienbeihilfe ist ein finanzieller Anreiz für Betreuerinnen aus dem Ausland, in Österreich zu arbeiten. Wie steht die Sozialdemokratie zur Indexierung der Familienbeihilfe, die zu finanziellen Einbußen der Betreuerinnen führt?

Königsberger-Ludwig: Die Indexierung der Familienbeihilfe ist europarechtswidrig. Aktuell drohen Österreich dadurch EU-Strafzahlungen in Millionenhöhe. Es wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die Indexierung der Familienbeihilfe für ausländische Arbeitnehmer abzuschaffen. Für sie bedeutet es eine empfindliche Kürzung und das, obwohl sie hier Abgaben leisten und in unser System einzahlen. Zudem brauchen viele ältere Menschen in unserem Land die Pflegekräfte aus Osteuropa gerade jetzt sehr dringend. Ihre gerechte Behandlung wäre ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber ihrem wichtigen Beitrag.

Tips: Die Sozialdemokratie hält an einem Pflegegarantiefonds fest. Aus welchen Mitteln soll der gespeist werden?

Königsberger-Ludwig: Der Pflegegarantiefonds soll steuerfinanziert alle Kosten für Pflege und Betreuung übernehmen, gleich ob diese mobil, zu Hause oder in Heimen erbracht wird. In den Fonds sollen sowohl Bundes- als auch die Ländermittel fließen. Begleitet werden soll die Zusammenführung der Gelder durch ein neues Steuerstrukturmodell, das ohne Frage auch Erbschafts- und Vermögenssteuern ab einer Million Euro beinhalten muss. Österreichs Millionäre sollen die Pflege mitfinanzieren.

Tips: Sie treten für den Ausbau leistbarer, mobiler, teilstationärer Pflege- und Betreuungsangebote ein. Wie können diese auch im ländlichen Raum gewährleistet werden?

Königsberger-Ludwig: Die Pflege muss bedarfs- und bedürfnisorientiert angeboten werden. Deshalb braucht es auch diese neuen Formen, die entweder an Pflegeheime angebunden werden können oder man schafft eine echte betreute Wohnform, indem zum Beispiel eine Betreuerin mehrere Menschen betreut. Zudem muss man sich auch neue Modelle für pflegende Angehörige überlegen. Das Burgenland-Modell könnte dabei als Vorbild dienen.

Tips: Wie wichtig gut ausgebildete Pflegekräfte sind, zeigt sich gerade in Ausnahme-Zeiten wie diesen sehr deutlich. Warum verdienen Pflegekräfte viel weniger als Hedgefonds-Manager?

Königsberger-Ludwig: Das ist eine gute und berechtigte Frage. Die SPÖ tritt seit längerer Zeit für eine Obergrenze bei Manager-Gagen ein. Niemand kann die Höhen mehr nachvollziehen. Deshalb müssen wir die Wertigkeiten neu ordnen, zumal die Tätigkeit im Bereich der Sozialberufe mehr Fairness und eine bessere Bezahlung verdient.

Tips: Große Kritik kommt zu den Besuchseinschränkungen in Pflegeheimen. Insbesondere an Demenz leidende Bewohner können nicht verstehen und leiden darunter, dass sie von ihren Angehörigen so lange nicht besucht werden durften. Derzeit darf ein Besuch maximal eine Viertelstunde lang dauern und die Bewohner mit Demenz können nicht verstehen, dass ihnen die Angehörigen nicht einmal die Hand geben (dürfen). Wäre da eine Lockerung der Schutzmaßnahmen im Sinne der Bewohner wünschenswert?

Königsberger-Ludwig: Die Zahlen zeigen, dass die gesetzten Maßnahmen und vor allem die Einhaltung derselben die exponentielle Ausbreitung des Virus verhindert hat. Jetzt heißt es, behutsam mit Lockerungen umzugehen, damit es zu keiner zweiten Ansteckungswelle kommt. Vor allem die Risikogruppen, wie ältere Menschen oder chronisch Kranke, müssen besonders geschützt werden. Natürlich wünsche ich mir auch, dass wir uns bald wieder die Hände schütteln und uns umarmen können und hoffe auch, was das gesellschaftliche Leben angeht, dass wir bald wieder so leben können, wie wir mögen. Allerdings muss der Schutz des Lebens dabei immer absoluten Vorrang haben. Aktuell werden die Besuchsregelungen nach den neuesten Erkenntnissen überarbeitet. Dabei ist es uns ein großes Anliegen auf die Bedürfnisse der Bewohner Rücksicht zu nehmen, da wir wissen, dass auch die psychische Gesundheit wichtig für ein stabiles Immunsystem ist.


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